Das Leben als Parabel. Parabelförmig ist die Flugbahn zwischen zwei Punkten, ist die Flugbahn der deutschen V-Waffen im Zweiten Weltkrieg, deren Entwicklung und Einsatz nur einen der zahllosen Handlungsstränge dieses Pandämoniums darstellen. Die Rakete als Sinnbild besiegter Schwerkraft, aber auch hybrider Männlichkeit mit ihren katastrophalen Auswirkungen, lenkt den Blick des Lesers durch eine unabsehbare Fülle von Ereignissen. Thomas Pynchons grosser Roman ist bereits zu einem Mythos der modernen Literatur geworden.
DER postmoderne Roman des 20. Jahrhunderts. Pynchon verbindet hier alle Elemente, die seine Romane so vielschichtig, anspruchsvoll und mystisch machen, in Perfektion: Paranoia, Technologie, entfremdete Ichs, menschliche Konditionierung, Mythologie, Verschwörungstheorien, Gewalt, enzyklopädische Informationsdichtet, Träume und Halluzinationen, Dominanzstreben, Subversion etc. Und das alles erzählt in einer glühenden, virtuosen Sprache. Ein Meisterwerk.
Ein Leuchten
Polar aus Aachen am 14.06.2008
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Vielleicht der mystischste Roman des 20. Jahrhunderts. Die Handlung splittert sich auf und nicht umsonst wählt die deutsche Übersetzung die Form der Parabel als Titel, deren Enden im Ungefähren verlaufen. Im Mittelpunkt steht die V-2, eine Rakete, in deren Bann Tyronne Slothtrop gerät, ihn an immer wieder wechselnden Schauplätzen auf der Welt auftauchen läßt, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Im Verlauf des Romans scheint sich Slothrop in all den Geschichten, die um ihn herumranken, zu verlieren. Ein Blendwerk an Einfällen, an Erzählsträngen, an Wissen, an Zeitgeschehen, ein schier unerschöpflicher Brunnen an Möglichkeiten tatsächliche Ereignisse in Fiktion umzuwandeln. Es ist fast so, als explodiere der Roman in der Mitte wie eine Rakete und der Leser sieht auf einen Knall hin, ein Glitzern in der Luft. Um alle einzelnen Punkte, Geschichten aufzunehmen, ist er überfordert, doch für kurze Zeit schenkt Pynchon ihm das Gefühl, ein Buch wie kein zweites in der Hand zu halten. Die Zeit löst sich darin auf, man kann sich stets nur an dem festhalten, was gerade erzählt wird, weil schon in Kürze womöglich die Perspektive wieder wechseln wird. Mitten drin fragt man sich, wo bin ich überhaupt, aber trotzdem vermag man sich, dem Sog von Pynchons Sprache nicht zu entziehen. Man gerät in eine Strömung, deren Anfang und Ende zwar mit dem Abschuss und dem Einschlag einer Rakete klar umrissen zu sein scheint, aber dessen Turbulenzen während des Flugs eine Herausforderung ist. Es geht wie bei einem Fest zu. Viele Stimmen und man wandert umher, um sich immer wieder auf eine zu konzentrieren, sie zu verlieren, ihr später noch einmal zu begegnen. Die knapp zwölfhundert Seiten sind dazu da, zu rätseln, sich fallen zu lassen. Auch dazu da, aufzugeben, wenn man überhaupt nicht mehr durchblickt. Das ist nur etwas für jemanden, den der Mut auf halber Strecke nicht verläßt und der sich damit zufrieden gibt, dass die Welt als Ganzes längst nicht mehr darstellbar ist.