Der Mensch erscheint im Holozän

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Eine Erzählung

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Beschreibung

Details

Verkaufsrang

679

Einband

Taschenbuch

Erscheinungsdatum

02.11.1981

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

160

Beschreibung

Rezension

"Max Frisch hat einen grausam-faszinierenden, zwiespältigen Abgesang und Lobgesang auf ein Stück Leben geschrieben." (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt)

Die Erzählung "Der Mensch erscheint im Holozän" hat in ihrer Luzidität und formalen Eleganz etwas Klassisches an sich. (...) Diese brillante Fabel von unauslotbarer Bedeutung ist ein Meisterwerk. (New York Times Book Review)

Details

Verkaufsrang

679

Einband

Taschenbuch

Erscheinungsdatum

02.11.1981

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

160

Maße (L/B/H)

17.7/10.8/1.2 cm

Gewicht

104 g

Auflage

24. Auflage

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-518-37234-0

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"Die Gesteine brauchen sein Gedächtnis nicht."

Zitronenblau am 15.10.2011

Bewertungsnummer: 747539

Bewertet: Buch (Taschenbuch)

Geiser ist der tragische Protagonist in Frischs später Erzählung "Der Mensch erscheint im Holozän". In dem Buch wird dessen Isolation in einem Bergtal erzählt, einhergehend mit einem präsenten Gewitter und Geisers parallel stärker werdenden Demenz bis zum Schlaganfall (wobei hier natürlich auch der parabolische Bezug herauskristallisiert). Die Genialität dieses Werks steckt in Frischs perfektem Einklang der literarisch-ästhetischen Trias: Inhalt, Form und Stil. Die Erzählung wird aus der personalen Perspektive Geisers beschrieben. Die Syntax ist stark reduziert. Sie kulminiert in bloßen Wiederholungen der Feststellungen - der Vergewisserung des Daseins als geschichtlicher Mensch, der erinnert, um zu wissen. Die kriechende Demenz ist Ursache dieser sprachlichen Reduktion. Geiser versucht sich festzuhalten. Das Festhalten scheint ihm nur noch durch das Niederschreiben und Entäußern des Wissens von lexikalischen Einträgen auf Materiales, ins räumliche Draußen zu gelingen. Die Erinnerung von der Bergtour mit seinem Bruder Klaus auf den Matterhorn umschreibt parabolisch die einstige Stärke im Sich-Festhalten-Können an der Welt, im Erklimmen der Höhe, der Flucht aus jenem Tal der Krankheit, die in der Vergangenheit selbstverständlich war (Frisch wechselt hierbei auch in den entsprechenden, sonst im Präsenz gehaltenen Tempus). Im auch gelingenden Versuch der erneuten Wanderung, des abermaligen Ausbruchs, bleibt nur die Frage: wozu eigentlich? Der Sinn verloren, vergessen. Eine bittere Erfahrung ohne jede Erkenntnis. Frisch spielt mit der Symbolik. Geiser sieht den Salamander in seinem Bad. Ist er nur noch ein kleiner Lurch. Wieder werden lexikalische Collagen ausgeschnitten von Sauriern, den großen und majästätischen Riesen. Nur noch Lurche in der fortgeschrittenen Zeit. Frisch gelingt auch eine kleine Philosophie der Sprache. Wissen ist versprachlicht, den Dingen sind Namen angeheftet. Doch was ändert sich, wenn der Mensch von Geiser - wie im Lexikoneintrag - nicht etwa im Pleistozän, sondern im Holozän erscheint? Der Ausdruck der Verwechselung hat die Ordnung eines Menschenbildes (sei es um der Pathologie willen) zerstört. Ist diese Ornung aber eben doch nur eine menschliche. In der Collage des Schlaganfalls wird Geisers Tragödie realisiert - ein letztes Gewusstes bleibt: "Was heißt Holozän! Die Natur braucht keine Namen. Das weiß Herr Geiser. Die Gesteine brauchen sein Gedächtnis nicht." Das Buch ist sehr einfach zu lesen. Und doch steckt in ihm eine Brillanz, die erst nach einer Analyse der eingesetzten Technik und Stilistik sich offenbart. Für eine Interpretation reicht leider meine Kenntnis über das Gesamtwerk und das Leben des Schrifstellers nicht, der vermutete autobiographische Züge als "Schwachsinn" abgetan hat. Die Stellung des Menschen in einen Titel mit dem Wort "Holozän" ist klar eine philosophische Fragestellung. Die Stellung des Menschen im Kosmos, in der Zeit, in der Geschichte wird thematisiert, wie die Collage von der Eschatologie uns glauben machen will. Auch die metaphysische Frage, was denn von den Dingen bliebe, ohne uns. Darauf antwortet Geiser: "Was heißt Holozon!" Das Ausrufezeichen rhetorisiert die Frage, die ihre Antwort ist...

"Die Gesteine brauchen sein Gedächtnis nicht."

Zitronenblau am 15.10.2011
Bewertungsnummer: 747539
Bewertet: Buch (Taschenbuch)

Geiser ist der tragische Protagonist in Frischs später Erzählung "Der Mensch erscheint im Holozän". In dem Buch wird dessen Isolation in einem Bergtal erzählt, einhergehend mit einem präsenten Gewitter und Geisers parallel stärker werdenden Demenz bis zum Schlaganfall (wobei hier natürlich auch der parabolische Bezug herauskristallisiert). Die Genialität dieses Werks steckt in Frischs perfektem Einklang der literarisch-ästhetischen Trias: Inhalt, Form und Stil. Die Erzählung wird aus der personalen Perspektive Geisers beschrieben. Die Syntax ist stark reduziert. Sie kulminiert in bloßen Wiederholungen der Feststellungen - der Vergewisserung des Daseins als geschichtlicher Mensch, der erinnert, um zu wissen. Die kriechende Demenz ist Ursache dieser sprachlichen Reduktion. Geiser versucht sich festzuhalten. Das Festhalten scheint ihm nur noch durch das Niederschreiben und Entäußern des Wissens von lexikalischen Einträgen auf Materiales, ins räumliche Draußen zu gelingen. Die Erinnerung von der Bergtour mit seinem Bruder Klaus auf den Matterhorn umschreibt parabolisch die einstige Stärke im Sich-Festhalten-Können an der Welt, im Erklimmen der Höhe, der Flucht aus jenem Tal der Krankheit, die in der Vergangenheit selbstverständlich war (Frisch wechselt hierbei auch in den entsprechenden, sonst im Präsenz gehaltenen Tempus). Im auch gelingenden Versuch der erneuten Wanderung, des abermaligen Ausbruchs, bleibt nur die Frage: wozu eigentlich? Der Sinn verloren, vergessen. Eine bittere Erfahrung ohne jede Erkenntnis. Frisch spielt mit der Symbolik. Geiser sieht den Salamander in seinem Bad. Ist er nur noch ein kleiner Lurch. Wieder werden lexikalische Collagen ausgeschnitten von Sauriern, den großen und majästätischen Riesen. Nur noch Lurche in der fortgeschrittenen Zeit. Frisch gelingt auch eine kleine Philosophie der Sprache. Wissen ist versprachlicht, den Dingen sind Namen angeheftet. Doch was ändert sich, wenn der Mensch von Geiser - wie im Lexikoneintrag - nicht etwa im Pleistozän, sondern im Holozän erscheint? Der Ausdruck der Verwechselung hat die Ordnung eines Menschenbildes (sei es um der Pathologie willen) zerstört. Ist diese Ornung aber eben doch nur eine menschliche. In der Collage des Schlaganfalls wird Geisers Tragödie realisiert - ein letztes Gewusstes bleibt: "Was heißt Holozän! Die Natur braucht keine Namen. Das weiß Herr Geiser. Die Gesteine brauchen sein Gedächtnis nicht." Das Buch ist sehr einfach zu lesen. Und doch steckt in ihm eine Brillanz, die erst nach einer Analyse der eingesetzten Technik und Stilistik sich offenbart. Für eine Interpretation reicht leider meine Kenntnis über das Gesamtwerk und das Leben des Schrifstellers nicht, der vermutete autobiographische Züge als "Schwachsinn" abgetan hat. Die Stellung des Menschen in einen Titel mit dem Wort "Holozän" ist klar eine philosophische Fragestellung. Die Stellung des Menschen im Kosmos, in der Zeit, in der Geschichte wird thematisiert, wie die Collage von der Eschatologie uns glauben machen will. Auch die metaphysische Frage, was denn von den Dingen bliebe, ohne uns. Darauf antwortet Geiser: "Was heißt Holozon!" Das Ausrufezeichen rhetorisiert die Frage, die ihre Antwort ist...

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