Pfadabhängigkeit
Band 56

Pfadabhängigkeit

Über institutionelle Kontinuität, anfällige Stabilität und fundamentalen Wandel

Aus der Reihe

Fr. 42.90

inkl. gesetzl. MwSt.

Beschreibung

Details

Einband

Taschenbuch

Erscheinungsdatum

06.11.2006

Verlag

Campus

Seitenzahl

296

Maße (L/B/H)

21.6/14.1/2 cm

Beschreibung

Details

Einband

Taschenbuch

Erscheinungsdatum

06.11.2006

Verlag

Campus

Seitenzahl

296

Maße (L/B/H)

21.6/14.1/2 cm

Gewicht

374 g

Auflage

1. Auflage

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-593-38182-4

Weitere Bände von Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

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Mit einiger Berechtigung kann heute ein »impliziter Konservatismus« der Sozialwissenschaften beklagt werden (Wiesenthal 1999, 2003). Dieser Konservatismus beruht keineswegs darauf, dass politisch konservativ Denkende in den Sozialwissenschaften übermässig grossen Einfl uss hätten. Es ist kein ideologisch motivierter Konservatismus, sondern er ergibt sich aus den Limitationen sozialwissenschaftlichen Kausalerklärens. Nichtlineare Verursachungszusammenhänge, spontane Koinzidenzen, statistische Seltenheiten oder Singularitäten entziehen sich weitgehend der sozialwissenschaftlichen Prognostik (Boudon 1986; Mayntz 1996). Eventuelle Innovationspotenziale werden daher allenfalls anhand vergangener Ereignisse extrapoliert, die kontingenten Möglichkeiten können hierbei aber nicht systematisch in Rechnung gestellt werden. Dies hat auf die Bewertung des »Neuen« Rückwirkungen, denn die Beschränkungen und Risiken, die sich aus den Widersprüchen mit dem bestehenden Kontext ergeben, geraten leicht in den Blick, während die in einem neuen Kontext sich entwickelnden Möglichkeiten systematisch ausgeblendet bleiben beziehungsweise deutlich unterschätzt werden (Wiesenthal 1999: 128). Die eher skeptische Grundhaltung der sozialwissenschaftlichen Forschung gegenüber Globalisierungsprozessen oder die anfänglichen Reformzweifel bezüglich der postsozialistischen Transformation (Elster 1990; Offe 1991) entsprechen dieser grösseren Sensitivität für das Risikopotenzial von neuen Entwicklungen. Mit einem Prognosedefi zit der sozialwissenschaftlichen Forschung könnte man sich eventuell zufrieden geben, die systematische Nichterfassung des Unvorhersehbaren hat aber auch Rückwirkungen auf die Beschreibung des Aktuellen und Vergangenen. Die Gefahr ist gegeben, dass vieles als zu kohärent und in sich stabil wahrgenommen wird, weil fundamentale Veränderungen schon vorab nicht als Regel, sondern als reine Ausnahmefälle konzipiert werden, die von Koinzidenzen und nicht erwartbaren schockartigen Verursachungen abhängen. Der Vorwurf des impliziten Konservatismus kann somit nicht nur für all jene sozialwissenschaftlichen Theoreme und Theorien erhoben werden, in denen die Möglichkeiten des Wandels unterschätzt und Stabilitäten überschätzt werden, sondern auch dann, wenn fundamentale Veränderungen fälschlich als Folge von aussergewöhnlichen Zufallsprozessen gedeutet werden. Jene Erklärungskonzepte, die vorwiegend die Begründung von dauerhaften institutionellen Differenzen zum Ziel haben, sind hier insbesondere zu nennen, da bereits zu weit gefasste Geltungsgrenzen hinreichen, um sie über das Ziel »hinausschiessen « zu lassen. Die Gefahr des impliziten Konservatismus ist daher bei dem im Folgenden im Zentrum der Überlegungen stehenden Konzept der Pfadabhängigkeit besonders gross. Die Pfadabhängigkeit hat sich inzwischen zu einem der meist verwendeten Erklärungskonzepte in der sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Forschung entwickelt (Guinnane et al. 2003; Hirsch/Gillespie 2001; Mahoney 2000; Pierson 2000a). Es betont die Historizität von Institutionen, wobei angenommen wird, dass in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen und eingebürgerte Denkweisen und Routinen in die Gegenwart hinein wirken (Mayntz 2002: 27– 30). Pfadabhängigkeiten engen die potenziellen Handlungsalternativen ein und beeinfl ussen so die zukünftige Entwicklungsrichtung in massgeblicher Weise. Die Historizität wird ebenso als wesentliche Grundlage der im Ländervergleich feststellbaren, institutionellen Vielfalt angesehen. Sie bedingt darüber hinaus, dass – neben der in vielen sozialwissenschaftlichen Klassikern hervorgehobenen gesellschaftlichen Vorteilhaftigkeit von Institutionen, etwa im Sinne eines handlungsermöglichenden Instinktersatzes (Gehlen 1956), einer organisierten Rollenverteilung im Interesse des kollektiven Zusammenlebens (Parsons 1983) oder der zeitsparenden und risikoreduzierenden Habitualisierung von Handlungsgewohnheiten (Berger/Luckmann 1980) – vor allem auch Ineffi zienzen, Dysfunktionalitäten, Friktionen und Widersprüche der Institutionalisierung bedeutsam werden, die sich aus dem Einfl uss der Vergangenheit auf die Zukunft ergeben. Die Dauerhaftigkeit und Kontinuität von Institutionen, die vielfach als Garant für deren Wirkung angesehen wird, nimmt im Konzept der Pfadabhängigkeit problematische Züge an. Dies vor allem deshalb, weil die Stabilitätsneigung pfadabhängiger Prozesse in aller Regel als ausgesprochen hoch eingestuft wird. Im Zusammenhang mit Pfadabhängigkeiten ist häufi g vom institutionellen lock-in die Rede, was die Assoziation nahelegt, dass Pfadabweichungen oder Pfadwechsel als reine Ausnahmefälle oder gar als unmögliche Ereignisse zu betrachten sind.
  • Pfadabhängigkeit
  • Inhalt

    Vorwort

    Kapitel 1
    Einleitung: Pfadabhängigkeit ist nicht gleich Pfadabhängigkeit!
    1.1 Der Verlauf der Pfadabhängigkeitsdiskussion
    1.2 Die Anfälligkeit von Pfadabhängigkeiten für grundlegenden Wandel
    1.3 Anfällige Stabilitäten und Interventionschancen

    Kapitel 2
    Auf der Suche nach den Grundlagen institutioneller Kontinuität:
    Das Beispiel Unternehmenskontrolle
    2.1 Unternehmensverfl echtung und Macht: Zur Plausibilität
    der Managerherrschaftsthese
    Gibt es eine Neufundierung der Managerherrschaft?
    Wie verbreitet sind Ring- und Überkreuzverfl echtungen?
    Haben ring- und überkreuzverfl ochtene Unternehmen eine schlechtere Performance?
    Fazit
    2.2 Komplementarität und Kontinuität: Zum Wandel der
    Wertschöpfungsverteilung in grossen Unternehmen
    Institutionelle Komplementaritäten in der deutschen Wirtschaft
    Der Wandel der deutschen Unternehmensführung in den neunziger Jahren
    Datensammlung
    Datenanalyse
    Fazit
    2.3 Tradition und Aufbruch: Der Anfang vom Ende der Deutschland AG
    Verfl echtungen, komparative Vorteile und Unternehmensstrategien
    Deutsche Bank
    Allianz
    Das Verfl echtungszentrum der deutschen Wirtschaft
    Fazit
    2.4 Leitvorstellungen und Marktkontrolle:
    Die Deutschland AG in Aufl ösung
    Institutioneller Wandel aus organisationssoziologischer Perspektive
    Erosion der Unternehmensverfl echtung
    Die Unterstützer der Unternehmensentfl echtung
    Fazit
    2.5 Grundlagen einer beendeten Kontinuität

    Kapitel 3
    Den Ursachen von institutionellen Differenzen auf der Spur:
    Das Beispiel der postsozialistischen Transformation
    3.1 Demokratie, Marktwirtschaft und die Vielfalt der Transformations ergebnisse
    Varietät der Transformationen: Politisches System
    Varietät der Transformationen: Ökonomisches System
    Aspekte der Vielfalt: Aktienmarktkapitalisierung
    Aspekte der Vielfalt: Arbeitgeber und Gewerkschaften
    Aspekte der Vielfalt: Korruption
    3.2 Entwicklungspfade, Transformationsmodi und die Privatisierung von Unternehmen
    David Starks Konzept pfadabhängiger Privatisierung
    Die Pfadabhängigkeitsthese im erweiterten Testfeld
    Die Relevanz anhaltender politischer Dynamik
    Fazit
    3.3 EU-Förderung, Integrationsanreiz und das Divergenzparadoxon des Beitrittswettbewerbs
    Konvergenz als Integrationsbedingung
    Beispielfall Aussenhandel: Der Divergenztrend im intraregionalen Handel
    Beispielfall Privatisierung: Ein Wettbewerb der "eigenständigen" Strategien
    Fazit
    3.4 Gradualismus, Schocktherapie und die Relevanz der Sequenz von Reformen
    Hypothesenbildung
    Operationalisierung
    Hypothesentest
    Plausibilitätstests
    Fazit
    3.5 Ursachen der institutionellen Vielfalt

    Kapitel 4
    Institutionelle Umbrüche trotz Pfadabhängigkeit!
    Ein abschliessender Vergleich
    4.1 Hohe Hürden: Der paradigmatische Fall der Qwerty-Tastatur
    4.2 Hervorgehobene Akteure und alternative Optionen:
    Der Vergleichsfall der deutschen Unternehmenskontrolle
    4.3 Entscheidungseliten und westliche Leitvorstellung:
    Der Vergleichsfall der postsozialistischen Transformation
    4.4 Fazit
    Literatur
    Abbildungen und Tabellen