Dem Nobelpreisträger Eric Kandel gebührt das Verdienst, das bis dahin gänzlich unerkundete Gebiet der Beziehungen zwischen Neurobiologie und Psychoanalyse erschlossen zu haben. Heute ist es eines der spannendsten und zugleich innovativsten Felder der Wissenschaften überhaupt. Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen Eric Kandels lädt den Leser zu „einer der wichtigsten, bedeutsamsten und aufregendsten Forschungsreisen unserer Zeit ein“ (Stuart C. Yudofsky) – zu einer Erkundung der Funktionsweise des menschlichen Gehirns und der Möglichkeiten, durch die Psychoanalyse und die Psychiatrie auf diese Einfluss zu nehmen. Der Band, den der Protagonist der deutschen Hirnforschungsdebatte, Gerhard Roth, einleitet und der mit einer sehr persönlichen Einführung Eric Kandels beginnt, bietet einen konzisen Überblick dieser Revolution der psychiatrischen Forschung.
In diesem Band werden sechs Aufsätze zur "Psychiatrie, Psychoanalyse und die neue Biologie des Geistes" von Kandel versammelt. Spätestens beim dritten Terminus im Titel offenbart sich uns ein Widerspruch: Biologie des Geistes. Und das macht Kandel und sein Lebenswerk so bahnbrechend! Eigentlich Absolvent einer geschichtsliterarischen Disziplin kam Eric Kandel in Berührung mit der Psychoanalyse und wie Freud hielt er die neuronale Seite, den Aspekt der Biologie, für unverzichtbar - nur war Freud seinerzeit mit maroden Naturwissenschaften konfrontiert, wie sie heute (Molekularbiologie, Neurologie, Genetik etc.) aber wiederum umunstößlich sind, und somit die Erforschung der Seele ein rein geisteswissenschaftliches Genre; beides in einen Topf zu werfen, war Freud unmöglich. Kandel versucht genau diesen (paradigmatisch anmutenden) Brückenschlag und versucht Verhalten, Störungen, Gedächtnis und Geistesprozesse zu analysieren, um hieraus die Psychophänomene ableiten zu können. Der Vorwurf: Reduktionismus! Dieser im Übrigen zweierlei geartet: zum einen wurden die Muster und deren Veränderungen (Gene, Synapsen) an einem Schleimhaufen names Aplysia erforscht (komplexe Vorgänge auf ein wirbelloses Tier reduziert), zum anderen behauptet, dass alle Verhaltensweisen durch genetische, synaptische (neuronale) Verschaltungen evoziert sind, d.h. DETERMINIERT durch bio-natürliche Gesetze. Kandel konnte zeigen, dass sich Verhaltensmuster (auch komplizierte wie Lernen) in ihrer Evokation auf molekularer bzw. zellulärer Ebene entwickeln - hier für ALLE Lebewesen konserviert! Am Menschen wurden erste Orte im Gehirn für dieses und jenes lokalisert. Die Aufsätze Kandels können vor allem aufgrund ihrer spezifischen Semantik nicht im Besonderen hier wiedergegeben werden; manchmal sind sie recht fachlich und entziehen sich dem Laien in ihrer Vollständigkeit, aber die Essenz ist frappierend und spektakulär! Dabei soll festgehalten werden, dass es Kandel nicht darum geht, die Psychoanalyse zu zerstören, oder sie ihres "Amtes" zu entheben. Er möchte, dass künftig (z.B.) psychische Probleme auch neuronal erfasst werden, damit eine gezieltere Behandlung von Patienten möglich ist. Er sagt es selbst: ALLES ist organsisch (und nicht funktionell), daher gilt für Psychiatrie und Psychoanalyse künftig, sofern sie bestehen bleiben wollen: ein Kovergieren ist unumgänglich und notwendig! Und zur Zeit steckt das Zusammenwachsen in den Kinderschuhen. Kandels Leistungen wurden mit einem Nobelpreis beehrt - völlig zurecht. Wer eine Einführung lesen möchte, dem sei das vorliegende Buch empfohlen.