Arkadi und Boris Strugatzki gelten als die unumstritten besten Autoren der osteuropäischen Science Fiction. Ihr Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und erschien in Millionenauflage. Der erste Band des Gesamtwerks enthält die Maxim-Kammerer-Trilogie mit den Einzelromanen "Die bewohnte Insel", "Ein Käfer im Ameisenhaufen" und "Die Wellen ersticken den Wind".
Vom Inhalt soll hier nicht mehr verraten werden, da der gesamte Zyklus letztlich von den überraschenden Wendungen, insbesondere im Fall von Ein Käfer im Ameisenhaufen, lebt. Dieses zweite Buch ist in Aufbau und Handlung eng an einen Kriminalroman angelehnt, wenngleich die Strugatzki-Brüder den Leser absichtlich wichtige Details vorenthalten, um den Fall lösen zu können. Ein jeder soll sich selbst ein Bild von den Geschehnissen machen, die fehlenden Puzzleteile mittels der eigenen Fantasie ersetzen. Überhaupt verweigern sich die Strugatzkis dem Erklären oder Erläutern, was besonders in Die bewohnte Insel auffällt, wo man schlicht und ergreifend ins kalte Wasser geworfen wird. Vieles bleibt unverständlich, einiges bis zum Schluss unklar oder offen. Was für den Leser auf den ersten Blick schikanös wirkt, hat letztlich einen gewollten Effekt: Man beginnt sich mit der Situation des Maxim Kammerer zu identifizieren, versteht seine Verwirrung ob der bestehenden Verhältnisse auf Sarraksch. Vieles ergibt keinen Sinn, mancherlei Handlungen kann man gar überhaupt nicht nachvollziehen. Kurzum, man fühlt sich fremd.
Die Strugatzkis haben mit ihrer Art zu schreiben aus einer Not eine Tugend gemacht, war es doch in der Sowjetunion unmöglich, direkte Kritik am Regime zu äußern, ohne dafür hart bestraft zu werden. In die Science-Fiction zu flüchten, das als Genre bis heute nicht richtig ernst genommen wird, galt als eine Möglichkeit, die bestehenden Missverhältnisse über die in die Zukunft verlagerte Handlung anzuprangern. Dies wird zwischen den Zeilen, besonders in der jetzt vorliegenden ursprünglichen Fassung, mehr als deutlich. Der Drang des Menschen, die Natur und den Willen aller Lebewesen kontrollieren zu wollen, kann da zum Beispiel als Abrechnung mit der damaligen Zensur verstanden werden. Und die in Die bewohnte Insel geschilderten folgenschweren Nachwirkungen der Atombomben bedürfen angesichts des Wettrüstens im Kalten Krieg ebenfalls keinerlei Erklärung.
Nur selten werden die Strugatzkis in ihren Gefühlsäußerungen konkret, meist herrscht ein sachlicher, äußerst nüchterner Ton vor. Das ist vor allem zu Beginn mehr als gewöhnungsbedürftig. Freunde von Space-Opera und Abenteuern zwischen den Sternen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits nach den ersten zweihundert Seiten kapitulieren, ergibt sich doch das Spannungselement nicht aus der Aktion, sondern vielmehr aus der Doppelbödigkeit der Handlung. Das geniale Element der Brüder Strugatzki kristallisiert sich nur nach und nach heraus. Und dafür braucht es beim Leser doch ein gewisses Maß an Geduld. Hat man sich auf den Stil allerdings erst einmal eingestellt, sich den Kern des Ganzen erarbeitet, wird der Wert der Lektüre deutlich. Nicht allein die Unterhaltung, sondern der philosophische Aspekt ist es, der die Werke von Arkadi und Boris Strugatzki besonders macht.
Eine Empfehlung für Freunde tiefgründiger und vielschichtiger Science-Fiction-Literatur, die ihre eigene Fantasie mit dem vorliegenden Werke teilen und sich nicht gänzlich vom Autoren allein unterhalten lassen wollen. Ich bin in jedem Fall angefixt und werde die weiteren Bände der Gesammelten Werke mit Sicherheit meinem Regal einverleiben.