Die Frau mit dem roten Hut hat ihr Kind verloren. Ausser Nanne wissen alle davon. Unschuldig geht das Mädchen auf die traurige Frau zu - es entspinnt sich ein Gespräch, an dessen Ende Nanne begreift, wie schön es ist zu leben und wie kostbar jeder Tag sein kann. Luise weiss nicht, ob sie ihren Vater vermisst. Er hat immer so laut herumgebrüllt, aber irgendwie fehlt er doch. Und Marte wünscht sich, dass Arjan mit seiner Engelsstimme endlich verschwindet und ihr nicht länger die Show stiehlt. Drei Geschichten darüber, wie sehr, aber auch wie wenig wir jemanden vermissen können. Für Erstleser einfühlsam erzählt von Bart Moeyaert, mit vielen Illustrationen von Rotraut Susanne Berner.
Drei virtuos erzählte, große Geschichten über Trauer, Trennung und Abschiedsschmerz in kleiner Form.
RezensentInnen des Österreichischen Bibliothekswerks am 07.04.2011
Bewertungsnummer: 713796
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
"Nach ""Mut für drei"", 2009 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, liegt jetzt dieser literarisch höchst qualitätsvolle Erstlesegeschichtenband des international renommierten, vielfach ausgezeichneten flämischen Autors Bart Moeyaert vor. In drei, dem realen Alltag entnommenen Miniaturdramen nimmt er mit großer Empathie den Blick der Kinder ein und erzählt behutsam, in leichtem Ton, tiefsinnig und voll kluger Komik über verschiedene Varianten des Vermissens.
In ""Für immer, immer"" lernt Nanne viel über die Kunst des Tröstens und die Kostbarkeit des Lebens: Tasja Mei ist im letzten Sommer ertrunken. Sie war acht, wie Nanne. Seither sitzt ihre Mutter, eine Frau mit rotem Flatterhut, am Seeufer, lauscht dem Wind, der nicht weinen kann und singt ein trauriges Lied - sie ist seltsam geworden vor Kummer. Die kleine Nanne spricht sie nichtsahnend an, glaubt, dass sie von einer Katze spricht. Als Nanne ihr furchtbares Missverständnis entdeckt, ist sie ratlos: Sie weiß nicht, was Sterben ist. Wie soll sie sich entschuldigen? Gibt es tröstende Worte in einer solchen Situation? Wohin verschwindet man, wenn man stirbt? Vielleicht wird man ja zu einer schönen Idee im Kopf eines anderen?
Luise, die junge Heldin der zweiten Geschichte ""Wirklich weg ist nicht so weit"", weiß nicht so genau, was sie fühlen soll: Papa ist weg. Papa, der immer Durst hat, der schreiende Papa. Er ist fortgefahren in die Stadt, damit es ihm besser geht, wenn er zurückkommt. Luises ältere Schwester Monika und Mama scheinen erleichtert. Sie sagen: ""Papa ist für kurze Zeit weg und der Streit zur Tür hinaus"". Als Luise auf die dreizehnjährige Kriek trifft und von ihr über eine ganz andere Art der Sehnsucht hört, merkt sie, dass sie ihren Papa schmerzlich vermisst, trotzt Streit und Wein...
Kleine, mitunter sehr heitere Momentaufnahmen aus dem Alltag der leidenschaftlich stepptanzenden Marte liefert die abschließende Geschichte ""Unsere Gasse"". Freundschaft und Nähe, aber auch Einsamkeit, Tod und Verlassenheit sind in dieser Sackgasse zuhause.
Die gut portionierten, kurzen Kapitel dieses rund 100 Seiten umfassenden Buchs sind für LeseanfängerInnen ideal. Die Gegenwartsform bewirkt eine große Unmittelbarkeit der Texte. In den klar gebauten Sätzen schwingt viel Gefühl, viel Unausgesprochenes mit, die kindgerecht aufgegriffenen, lebensphilosophischen Themen regen zum Nachdenken wie zum Gespräch an. Die sorgfältige, sensible Übersetzung aus dem Niederländischen durch Mirjam Pressler erhöht den Lesegenuss zusätzlich.
Rotraut Susanne Berners stringent in Rot, Schwarz, Grau und Weiß gehaltene, überaus ästhetische Illustrationen fangen die Erzählatmosphäre hervorragend ein und verleihen den Figuren mit nur wenigen Strichen Charakter. Die Farbgebung ermöglicht interessante Rückschlüsse auf die inhaltlichen Themen. Groß und Klein, Mädchen wie Buben und allen Bibliotheken wärmstens empfohlen, auch zum Vorlesen bestens geeignet! (Elisabeth Zehetmayer)"