Die hübsche Helena wächst auf dem schottischen Landsitz ihrer »Zieheltern« Onkel Sam und Onkel Sib auf, die sich nicht nur eine Schnupftabakdose teilen, sondern auch stets die Sätze des jeweils anderen vollenden. Als Helena achtzehn wird, beschliessen die beiden, sie mit dem hochseriösen Gelehrten Aristobulus Ursiclos zu verheiraten, der ihnen als Garant für das Glück ihrer Nichte erscheint. Doch diese fordert Bedenkzeit: Aus der Zeitung hat sie vom »grünen Blitz« erfahren, einem seltenen Naturphänomen, das nur an besonders klaren Tagen bei Sonnenuntergang am Meer beobachtet werden kann. Wer den grünen Blitz gesehen hat, wird sich, so besagt die Legende, in Gefühlsdingen nicht täuschen. Mit ihren Onkeln und deren Wunschkandidat im Schlepptau begibt sich Helena auf eine Reise entlang von Schottlands Westküste, auf der Suche nach dem grünen Blitz – und der grossen Liebe.
Dank dieser Schmuckausgabe liegt Jules Vernes einziger Liebesroman, 1882 im Original erschienen und gut hundert Jahre später von Eric Rohmer als ›Das grüne Leuchten‹ fürs Kino adaptiert, endlich in einer modernen deutschen Übersetzung vor. Mit humorvollem Understatement und hinreissender Leichtigkeit entführt uns der Autor auf diese abenteuerliche Entdeckungsreise, die schliesslich eine Entdeckungsreise des Herzens ist.
Helena wächst als Mündel bei ihren zwei skurrilen Onkeln Sib und Sam auf, die eigentlich nicht viel mehr zu tun haben, als sich dem Schnupftabak hinzugeben, gegenseitig ihre Sätze zu beenden und nebenbei die junge Helena verkuppeln möchten. Als sie scheinbar den perfekten Ehemann gefunden haben, fordert Helena Bedenkzeit. In der Zeitung wurde von einem Naturphänomen berichtet, welches als "Der grüne Blitz" bezeichnet wird und nur an klaren Tagen und bei Sonnenuntergang am Meer beobachtet werden kann. Wer den grünen Blitz einmal gesehen hat, wird sich in Gefühlsdingen nicht mehr täuschen, so besagt es zumindest die Legende. Bevor Helena sich also verheiraten lässt, möchte sie diesem Naturphänomen beiwohnen, denn in Bezug auf den zukünftigen Ehemann, sollte man schließlich lieber auf Nummer sicher gehen...
Dieses Buch erschien erstmal 1882 und gilt als der einzige Liebesroman aus der Feder von Jules Verne. Der "Mare"-Verlag hat es sich zum Glück nicht nehmen lassen, diesen Klassiker in einer wirklich formvollendeten Ausgabe und mit neuer, moderner Übersetzung herauszugeben. Die Ausstattung kann sich wirklich sehen lassen: Grüner Leineneinband, Fadenheftung, Lesebändchen, stabiler Pappschuber, wunderschöne Illustrationen...da kann man wirklich nicht meckern und gibt sein Geld sehr gerne aus. Alles richtig gemacht, würde ich sagen!
Aber fern ab der Ausstattung, ist der Roman es auch wert, in dieser Form veröffentlicht zu werden! Der lockere Schreibstil von Jules Verne entführt den Leser in die Welt der Liebe, wie ich sie in dieser Form noch nicht kennen gelernt habe. Die Art von Jules Verne, dieses Thema aufzubereiten ist schon sehr klassisch, allerdings reichert er seine Geschichte noch mit den typischen Elementen an, die man bereits aus seinen anderen Büchern gewohnt ist. Skurrile Charaktere, abenteuerliche Passagen, wunderschöne Reiseberichte und eine ganz eigene Form von Humor, verbinden sich in diesem Werk zu einer traumhaften Liebesgeschichte, die durch diese Herangehensweise niemals in den absoluten Kitsch abdriftet. Die verträumte und romantische Helena lebt in ihrer eigenen Welt, ihre beiden Onkel ebenso und der von den beiden erwählte Ehemann und Vollblut-Wissenschaftler Aristobulus Ursiclos sowieso ganz besonders. Nun lässt Jules Verne die Spiele beginnen und diese Personen machen sich auf die Reise, die noch recht viele Überraschungen zu bieten hat. Ein wirklich sehr unterhaltsames Stück Literatur und für mich einer der vielen Gründe, Jules Verne zu mögen!
Humorvoll und lesenswert
SiCollier aus Niederaula am 08.10.2013
Bewertungsnummer: 824279
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Mit Jules Verne verbinde ich in erster Linie Abenteuer, Science Fiction, Reise. Aber er konnte auch das: einen leichtfüßigen, humorvollen, von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhaltenden Liebesroman schreiben.
Zu Beginn möchte ich besonders die äußerst gediegene Ausstattung des Buches hervorheben: Leineneinbahd, Fadenheftung, Lesebändchen, stabiler Pappschuber - eine wahrhaft bibliophile Ausstattung, die das Herz eines jeden Bücherfreundes höher schlagen läßt.
Beim Lesen hatte ich stets das Gefühl, einen im Original deutschen Text zu lesen, der schon durch die Wortwahl und den Schreibstil in die Zeit der Handlung entführt. So bin ich auch relativ schnell in der Geschichte angekommen, die schon zu Beginn einen humorvollen Roman mit teilweise schrulligen Figuren verspricht. Die beiden Onkel Sam und Sib ergänzen sich so gut, daß sie meist nur in Halbsätzen sprechen, die vom jeweils anderen beendet werden. Nicht zu vergessen die Schnupftabaksdose, die immer gut gefüllt sein sollte.
Aber im Vergleich zu Aristobulus Ursiclos, dem von ihnen für ihre Nichte ausgesuchten Heiratskandidaten sind sie von geradezu ausnehmender Normalität! So herrlich überspitzt dieser staubtrockene, jeglicher Romantik abholde Wissenschaftler auftritt, ist dem geneigten Leser vermutlich bald klar, daß er eher nicht die Wahl der ihm zugedachten Braut wäre.
Diese, Miss Helena Campbell, ist eine aufgeweckte junge Frau, die durchaus weiß, was sie will - und wie sie es erreichen kann. Vor allem bei ihren beiden Onkeln, die ihr keinen Wunsch abschlagen können. Und so willigt sie auch ein, zu heiraten - aber nicht bevor sie den Grünen Blitz gesehen hat, dessen Sichtung nach einer alten Legende befähigen soll, sich in Gefühlsdingen nie mehr zu täuschen und nicht mehr getäuscht zu werden.
Der weitere Roman besteht in der Reise zu einem zur Beobachtung geeigneten Meeresufer sowie den Versuchen, den grünen Blitz zu sehen. Es wäre kein Roman von Jules Verne, wären nicht eine Unzahl von - gut lesbaren! - Beschreibungen verschiedenster Naturphänomene (die sich im Nachwort als durchweg richtig herausgestellt haben) bis hin zu dramatischen Rettungsaktionen vorhanden. Wobei die erste auf See schon eine Ahnung für den Ausgang des Buches aufkommen läßt.
Im Nachwort von James Hamilton-Paterson erfährt man einiges zur zeitlichen Einordnung und den historischen Hintergründen des Romans, dessen Handlung zwar frei erfunden ist, aber dessen grünen Blitz es tatsächlich gibt! Und dieses Nachwort bringt mich auch zu meinem einsamen Kritikpunkt: Das Einzige, was ich am Ende nicht gebraucht hätte, war die persönliche Bemerkung von James Hamilton-Paterson in seinem letzten Absatz. In ihrer Nüchternheit kommt die den Äußerungen und Erklärungen eines Aristobulus Ursiclos näher, als ich es mir zum Abschluß dieses ansonsten wundervollen Buches wünschen würde.
Denn, das ergibt sich schon aus der Bezeichnung Liebesroman, am Ende gibt es ein erfreuliches Ereignis zu vermelden, das sowohl die beiden Onkel Sam und Sib, als auch Miss Campbell und ihren Bräutigam aufs Höchste zufriedenstellt. Wer aber denn nun dieser Bräutigam ist - nun, ich möchte niemanden des Vergnügens berauben, das in diesem wohlfeilen Buche selbst nachzulesen, und werde an dieser Stelle daher eisern schweigen.