In der Transsibirischen Eisenbahn begegnet ein Schriftsteller einer jungen Stargeigerin und gleichzeitig einer dunklen Seite seines früheren Lebens. Er gerät in ein Paralleluniversum, in dem Zeit und Raum zusammenfallen das Aleph. Und er erkennt seine Chance, eine alte Schuld zu bewältigen und sein Leben noch einmal neu zu beginnen.
In "Aleph" begleitet wir Paulo Coelho auf seiner spirituellen Reise durch die Transsibirische Eisenbahn. Während dieser Reise begegnet er Hilal, einer jungen Stargeigerin, die ihm hilft, sich einer dunklen Episode aus einem früheren Leben zu stellen. In einem mystischen Paralleluniversum, dem Aleph, verschwimmen Zeit und Raum, und Paulo bekommt die Gelegenheit, alte Schulden zu begleichen und sein Leben neu zu gestalten.
Paulo Coelhos Schreibstil ist, wie immer, flüssig und poetisch. Er hat die Gabe, tiefgründige Gedanken und Gefühle in einfachen, aber wirkungsvollen Sätzen auszudrücken. Dennoch fand ich "Aleph" manchmal zu überladen mit spirituellen und esoterischen Elementen, die die Klarheit der Erzählung beeinträchtigten. Das war für mich ziemlich enttäuschend, da seine früheren Bücher eine ausgewogenere Mischung aus Spiritualität und zugänglicher Prosa bieten. ✨
Die Charaktere in "Aleph" sind gut gezeichnet, insbesondere Hilal, deren emotionale Komplexität und Unreife sie sowohl faszinierend als auch anstrengend machen. Sie ist eine junge Frau, die trotz ihrer Unsicherheiten und aggressiven Ausbrüche eine bewundernswerte Entschlossenheit zeigt, ihre Ziele zu verfolgen. Paulo selbst ist bemerkenswert ehrlich in der Darstellung seiner inneren Kämpfe und Fantasien, was ihn für den Leser greifbar und authentisch macht. Doch seine Reise zur Selbstfindung scheint mehr eine Bühne für seine eigenen spirituellen Einsichten zu sein als eine authentische Darstellung einer inneren Reise. Diese übermäßige Selbstverherrlichung hat bei mir den Eindruck erweckt, dass Coelho weniger als Mensch, sondern eher als eine Art überhöhte Figur agiert.
Was mich auch nicht losgelassen hat, war die Beziehung zwischen Paulo und der 21-jährigen (!) Hilal. Wenn Coelho (59 Jahre alt) also von einer tiefen, über das Physische hinausgehenden Liebe zu Hilal (21 Jahre alt) spricht, nehme ich ihm das ab. Denn es ging ihm hierbei um spirituelle Liebe, die das Physische und Sexuelle übersteigt. Die Liebe für alles oder jeden, der unsere wesentliche Essenz anspricht. Er beschreibt seine Liebe als etwas, das „wie ein Fluss“ ist, also nicht wie die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, sondern als etwas, das weit darüber hinausgeht. Trotzdem lassen sie sich beide körperliche Freiheiten zu, was mich ein wenig irritiert. Natürlich soll man nicht über Coelhos Ehe und seine persönlichen Entscheidungen urteilen – das ist eine Sache zwischen ihm und seiner Frau. Aber es war mir unangenehm, wie er Hilal darstellt. Sie wird als junge Frau mit schwerwiegenden Traumata und einer Geschichte sexuellen Missbrauchs beschrieben. Gleichzeitig wird sie als extrem verliebt und stark an ihn klammernd gezeigt. Sie ist nicht nur spirituell in ihn verliebt, sondern möchte auch seine Geliebte sein. In dieser Situation hätte ich erwartet, dass Coelho besonders darauf achtet, wie er mit ihr umgeht. Es gibt ein deutliches Machtgefälle: Er ist ein mächtiger, wohlhabender und berühmter Mann, während sie eine junge, verletzliche und verunsicherte Frau ist, die bereit ist, ihr Leben für ihn aufzugeben. Ich hatte den Eindruck, dass er ihre verletzliche Lage ausnutzte, um seine eigene spirituelle und möglicherweise auch physische Erfüllung zu suchen. Dabei will ich nicht behaupten, dass Hilal keine eigene Verantwortung trägt, aber Coelho ist der erfahrenere und weisere der beiden.
Der Plot von "Aleph" ist eine Mischung aus autobiografischen Elementen und Fiktion, die Coelhos persönliche spirituelle Krise und seine Suche nach Vergebung und Selbstfindung schildert. Obwohl die Idee einer spirituellen Reise in der Transsibirischen Eisenbahn faszinierend ist, verliert die Geschichte durch die häufigen Sprünge in mystische und vergangene Leben an Kohärenz. Der rote Faden, der die Geschichte zusammenhalten sollte, fehlt oft, was die Lektüre stellenweise verwirrend macht. ️
Der Fokus des Buches liegt auf seiner Beziehung zu Hilal, die darauf besteht, dass sie bei ihm bleiben muss, da sie ein integraler Bestandteil seiner Suche nach Frieden ist, wie er für ihren. Sie treffen sich zunächst in Moskau zu Beginn seiner Zugreise, wo sie es schafft, einen Platz in seinem Zug und schließlich im Abteil der Gruppe zu sichern. Im Aleph, der Existenz, die gleichzeitig Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist, erfahren wir von der Erfahrung, die er und Hilal in der Vergangenheit teilten und warum seine damaligen Handlungen ihm in den nachfolgenden Leben so viel Unglück brachten. Während Paulo scheinbar eine Lösung erreicht, frage ich mich, ob Hilal das Gleiche empfindet. Könnte die Offenbarung eines traumatischen früheren Lebens mehr Wunden öffnen, als sie heilt?
Fazit: Als langjähriger Fan von Paulo Coelho war ich von "Aleph" etwas enttäuscht. Obwohl das Buch einige der inspirierenden und tiefgründigen Einsichten bietet, die ich an Coelhos Werken schätze, war es mir insgesamt zu spirituell und es fehlte ein klarer Handlungsstrang. Das Buch konnte mich nicht so fesseln wie seine früheren Werke. ✍️
Aleph - zu kryptisch
Bewertung am 11.10.2014
Bewertungsnummer: 857692
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Warum wird dieses Buch in den Himmel gelobt? Zum Glück gibt es Coelho-Höhepunkte wie "Der Alchimist" oder "Der Zahir", die den gepriesenen Author in bester Erinnerung behalten. Immerhin, das Buch ist sehr flüssig und anschaulich geschrieben. Aber der Plot überzeugt nicht. Selbst die FAZ meint es nicht gut mit dem "Aleph".