Was treibt einen Menschen, der sich ein Leben lang nichts hat zuschulden kommen lassen, zu einem Mord?
Vierunddreissig Jahre hat Fabrizio Collini als Werkzeugmacher bei Mercedes gearbeitet. Unauffällig und unbescholten. Und dann tötet er in einem Berliner Luxushotel einen alten Mann. Grundlos, wie es aussieht. Ein Albtraum für den jungen Anwalt Caspar Leinen, der die Pflichtverteidigung übernimmt: Das Opfer, ein hoch angesehener deutscher Industrieller, ist der Grossvater seines besten Freundes. Schlimmer noch, Fabrizio Collini schweigt beharrlich zu seinem Motiv. Leinen beginnt zu recherchieren und stösst auf eine Spur, die ihn mitten hineinführt in ein erschreckendes Kapitel deutscher Justizgeschichte.
Was treibt einen ruhigen, nie auffällig gewordenen Mann dazu einen Mord zu begehen? An einer Person mit der er augenscheinlich nichts zutun hat?
Gegen Ende des Buches ließ sich das Motiv erahnen, aber über die schließlich Auflösung war ich dann doch erstaunt. Ich finde es sehr gut, dass das Thema aufgegriffen wurde, passiert definitiv zu selten. Es wurde nicht verherrlicht oder romantisiert, sondern mit einer guten Art und Weise betrachtet. Mehr kann ich leider nicht sagen, sonst würde ich Spoilern.
Die ganze Geschichte war Mega interessant und spannend, wir haben einen sehr coolen Verteidiger und eine Respekt einflößend Staatsanwaltschaft. Mega gute Kombi!
Ein Meisterwerk
Christin aus Halle am 15.04.2024
Bewertungsnummer: 2178861
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Nachdem ich etliche Kurzgeschichten von Schirach gelesen hatte und ihn im Interview mit Amselm Kiefer zusammen gesehen hatte, wollte ich unbedingt einen Roman von ihm lesen um zu sehen wie er eine Geschichte nicht nur über ein paar Seiten entfaltet. Und ich wurde absout nicht enttäuscht. In der Fall Collini wird die Geschichte des imigrierten Italieners Fabrizio Collini erzählt.
"Was treibt einen Menschen, der sich ein Leben lang nichts hat zuschulden kommen lassen, zu einem Mord?", dieser Frage geht das Werk nach, dabei ist es für mich nur die äußere Frage um der Geschichte zu folgen, die für mich eigentliche Frage ist, wer entscheidet über unser Recht und dessen Auslegung. Wie kann etwas was im einem Moment Recht ist, im nächsten nicht mehr Recht sein? Viel mehr möchte ich zum Inhalt nicht sagen aus Angst mehr vom Inhalt wegzunehmen. Ich fand es sehr gut, dass der Rechtsanwalt Leinen sehr blass gezeichnet war, mit ihm gehen wir den Großteil durch die Geschichte. Dadurch bleibt mehr Raum, das gelesene selbst einzuordnen.
Schirach ist für mich ein Meister der spannenden Wendungen, der ethischen und juristischen Fragen. Für mich sitzt in diesem Werk jeder Satz. Keiner ist zu viel, keiner zu wenig. Ich genieße diese scheinbare unemotionale Sprache, welche an mein eigenes Wertesystem anknüpft und dennoch die Weichen in bestimmte Richtungen legt. Für mich war es wirklich unfassbar schade, dass dieses Werk so kurz ist.
P.S.: Nachdem ich den Trailer zum Film gesehen habe, möchte ich diesen nicht sehen, da er dramatischer scheint, als das Ausgangswerk, welches von dieser Ruhe, teilweise Unemotionalität lebt. Auch scheinen Motive die ich im Buch sehr spannend und passend bei bestimmten Figuren fand, auf andere übertragen, damit mehr Drive in die Geschichte kommt. Dabei macht die Ruhe für mich das Buch aus und vor allem die angedeuteten Leerstellen auf die die eigenen Gedanken und Erfahrungen gelegt werden können.