An Muttis 80. Geburtstag im „Waldesruher Hof“ war noch alles okay – und nun? „Wie geht es dir, Mutti?“ „Beschissen. Ich bin zuhause auf die Schnauze geflogen.“ Für Sohn Kester und seine Geschwister beginnt eine Odyssee durch Arztpraxen, Pflegekassen, Krankenhäuser und Altersheime. Traute Schlenz fühlt sich dort nicht wohl, „da wohnen ja nur alte Leute“. Aber sie kämpft tapfer in der ihr eigenen, raubeinigen Art – und nach dem Motto „Fack ju, Pflegeheim!“ kriegt sie mit ihrem Rollator tatsächlich noch einmal die Kurve! Das Mutmachbuch für alle Angehörigen, entwaffnend komisch und anrührend ehrlich!
Insgesamt ist das Buch gut, flüssig leicht zu lesen, das macht Spaß, da es nicht so 'schweratmig' ist. Aus Sicht der doch oft gestressten Angehörigen das Alter zu erleben, ist eine Erfahrung, die anderen Betroffenen in gleicher Situation unheimlich helfen kann - besser als jeder Pflegeratgeber.
Ich kann es nur weiterempfehlen, an alle, die das Thema interessiert, vor allem aber an alle, die mit dem Thema konfrontiert sind!
Fack ju Pflegeheim
Bewertung aus Wien am 06.04.2017
Bewertungsnummer: 1011229
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Mit dem Satz "Fack ju Pflegeheim" hat mich das autobiographische Buch von Kester Schlenz auf sich aufmerksam gemacht. Die Protagonistin ist die mittlerweile über 83 jährige Mutter des Protagonisten - und Mutti stürzt in regelmäßigen Abständen, oder "Fällt auf die Fresse" wie sie es selbst nennt.
Traute Schlenz war immer rüstig und wortgewaltig - bis ihr Mann stirbt und sie selbst abzubauen beginnt.
Meine Meinung:
Die autobiografische Darstellung hat mir in dem Buch gut gefallen - ebenso passen die große Schrift und das kurz gehaltene (und dadurch leichte) Buch auch für bereits etwas betagtere Leser. Ich finde des super, dass für das Cover der "Hackenferrari" gewählt wurde statt eines noch treffenderen Rollators.
Die witzigen Aussagen der Mutter (und vor allem die Verwechslung des Arztes und des Pfarrers) haben mich beim Lesen aus dem Grübeln gerissen und zum Lachen gebracht. Wenn ich älter bin, werde ich wahrscheinlich genauso wie die Protagonistin sein (außer, dass ich nur eines statt drei Kindern habe) - und ich hoffe, dass ich mal ebenso gut versorgt werde.
Kester Schlenz hat seinen Alltag als pflegender Angehöriger gut beschrieben, vor allem die Bürokratie ist ein Wahnsinn und Entscheidungen dauern viel zu lange. Als Nicht- Deutsche ist der gesetzliche Kontext für mich jetzt nicht so wichtig, da für mich andere Bestimmungen gelten. Was mich jedoch nachdenklich stimmt, ist die ungute Art einer RK - Mitarbeiterin (weil jemand, der ein Notfallarmband hat und dieses auch tatsächlich im Notfall verwendet, sowie der fehlende Transport ins Krankenhaus, wenn es sich offensichtich um immer wieder auftretende Schwächeanfälle handelt) sowie die exorbitant hohe Zuzahlung, die Menschen leisten müssen, um einen Plfegeplatz zu erhalten, wobei beim Pflegepersonal auch wieder gespart wird. Gesellschaftliche Missstände (Berufstätigkeit beider Geschlechter VERLANGT nach einer besseren Organisation ehemals gratis verrichteter Frauenarbeit, egal ob in Kinderbetreuung oder Altenpflege). Die Kosten soll aber nicht die Allgemeinheit tragen, sondern jene, die keine Kinder (für die Gesellschaft) erzogen haben, werden auch noch belohnt (da sie ihr ganzes Geld verprassen dürfen und nur ihr noch vorhandenes Erspartes zur Pflege herangezogen wird. Wenn das aus ist, springt der Staat ein. Wer Kinder finanziert hat, statt sein Geld zu verprassen, dessen Kindern werden auch noch mal kräftig extra zur Kasse gebeten). Das war kein Thema des Buches, sondern meine Gedanken, die ich ziemlich heftig finde, wenn ich mir überlege, was das für die nächste Generation bedeuten wird.
Den Sternabzug gibt es von mir, da ich die Relevanz des Zivildienstes des Autors nicht erkennen kann. Es war ja eine andere Zeit damals und die Erfahrungen helfen jetzt für mich auch nicht offensichtlich weiter.
Fazit: Eine gut beschriebene persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema - ich wünsche "Mutti" Schlenz alles Gute!