"Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgross, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestossen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten."
Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschliesst, sich fortan ausschliesslich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. "Ich hatte einen Traum", so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmasse an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblössen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.
Ich kann nicht sagen, dass ich es geliebt habe, denn man kann sich in keinen der Charaktere verlieben, was normalerweise typisch für einen Roman ist.
Aber es regt zum Nachdenken über den Sinn des Lebens und des Eigentums an.
gesellschaftskritisch und grotesk
SimoneF am 28.10.2024
Bewertungsnummer: 2327643
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Yong-Hye führt in Seoul mit ihrem Mann eine durchschnittliche, leidenschafts- und ereignislose Ehe. Er arbeitet meist bis Mitternacht, sie kümmert sich um den Haushalt und hat einen Teilzeit-Job. Eines Tages beschließt sie, Vegetarierin zu werden. Dies erschüttert das Eheleben der beiden und wirkt sich auch auf weitere Familienangehörige aus…
Der Roman besteht aus drei Teilen, die jeweils aus der Sicht eines anderen Familienmitglieds erzählt werden. Der erste Teil nimmt die Perspektive von Yong-Hyes Mann ein, immer wieder unterbrochen durch kursiv gesetzte Einschübe von Yong-Hyes Träumen. Der zweite Teil wird aus der Sicht von Yong-Hyes Schwager geschildert, der dritte aus der Perspektive ihrer Schwester In-Hye.
Sehr interessant war für mich der Einblick in die südkoreanische Kultur. Yong-Hyes Familie ist streng patriarchalisch geprägt, als Frau hat man dem Ehemann zu gehorchen, ihn zu umsorgen und ihm ein angenehmes Heim und nahrhafte Mahlzeiten zu bereiten. Auch als Erwachsene schuldet man dem Vater Gehorsam. Der soziale Druck ist enorm, und wer aus der Reihe tanzt, wird geächtet, weil er Schande über die Familie gebracht hat. In diesem Sinne ist auch eine für uns im Westen so individuelle wie banale Entscheidung, vegetarisch (bzw. in Yong-Hyes Fall sogar vegan) zu leben, ein Affront gegen die Familie, ebenso wie der Entschluss, auf das Tragen eines BHs zu verzichten oder sich nicht zu schminken. Diese Stellen haben mich zum Teil emotional sehr bewegt und auch fassungslos gemacht, ist es für mich doch selbstverständlich, meine Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen und hier klare Grenzen gegen Einmischungen Dritter zu ziehen.
Dem gesamten Buch haftet eine düstere, hoffnungslose Grundstimmung an, die Menschen sind einsam, melancholisch, desillusioniert, depressiv. Beziehungen werden aus eher rationalen Gründen denn aus tiefer Liebe geschlossen, man lebt nebeneinander her ohne wirkliches Interesse an den Gefühlen des Anderen, und eine gewisse Todessehnsucht schwingt mit.
Ich hatte zunächst erwartet, eine Erklärung für Yong-Hyes plötzlichen Sinneswandel hin zum Verzicht auf tierische Produkte zu erhalten. Diese folgte jedoch nicht, zumindest nicht in einem rationalen Sinne. Vielmehr durchzieht sämtliche Kapitel eine gewisse Sehnsucht nach der Verschmelzung von Mensch und Pflanzenwelt bzw. der Metamorphose vom Menschen hin zur Pflanze. Diese grotesk anmutende, irrationale und kafkaesk wirkende Komponente war für mich schwer fassbar.
Fazit: Insgesamt fällt es mir schwer, den Roman zu bewerten. Der Schreibstil hat mich durchaus gepackt, und die Einblicke in die koreanische Gesellschaft waren sehr interessant. Allerdings konnte ich mit der Sehnsucht nach der Verwandlung vom Menschen zum Baum nichts anfangen bzw. mir wurde nicht klar, was mir Han Kang damit sagen möchte.
Ich vergebe daher 3,5 Sterne.
Meinungen aus unserer Buchhandlung
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Mich hat vor allem der Titel sehr angesprochen, da ich selber keine tierischen Produkte konsumiere. Gerade im ersten Teil geht es auch sehr darum und dass ihre Familie gar kein Verständnis für ihren Verzicht hat. Der Teil hat mir persönlich auch am besten gefallen. Im zweiten Teil erleben wir die Sicht ihres Exschwagers. Wir lernen seine "Faszination" für Kunst kennen und wie er zu Yeong-Hye steht. Im dritten Teil ist Yeong-Hye in der Psychiatrie und wir begleiten ihre Schwester auf ihren Besuchen.
Das Buch hat sich teilweise wie ein Fibertraum angefühlt trotzdem konnte ich es nur schwer weglegen. Ich denke man muss sich einfach auf die Geschichten einlassen. Wieder ein Buch, bei dem ich positive und negative Rezensionen nachvollziehen kann, von mir gibts 4 Sterne.
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ein so wichtiges Thema - doch positive Darstellung geht anders... schade
Bewertet: eBook (ePUB)
Ach Mensch - Die ersten Seiten sind so vielversprechend, mit einem so wichtigen Thema den Fleisch(und Milch)konsum in Frage zu stellen. Doch leider sagte mir dieses Buch überhaupt nicht zu. Die Geschichte wird mit Dramatik gesprengt, die Situationen skurill dargestellt. Ich hatte das Gefühl zu lesen aber nicht gelesen zu haben.
Leider keine Empfehlung meinerseits.