1943: Die vierzehnjährige Lotte flüchtet nach verheerenden Luftangriffen auf Hannover
nach Ostpreussen, auf das Trakehnergestüt Waldeck. Weit weg vom Kriegsgeschehen findet sie auf dem idyllischen Gut ein neues Zuhause und erlebt auf dem Rücken der Trakehnerstute Lilie eine nie zuvor gespürte Freiheit. Doch der Krieg schreitet voran, und nach zwei Sommern muss Lotte erneut fliehen und alles zurücklassen, was ihr ans Herz gewachsen ist. Aber so schwer der Weg, der vor ihr liegt auch sein mag: Lotte stellt sich mutig ihrem Schicksal. Und gibt niemals auf.
Eine packende Fluchtgeschichte, ein aufregender Pferderoman und vor allem: eine eindrucksvolle Schilderung davon, wie wichtig es ist, auch in schwersten Zeiten die Hoffnung nicht zu verlieren. Nach »Liverpool Street« der neue grosse zeitgeschichtliche Roman der Autorin Anne C. Voorhoeve.
Gefährten für immer von Anne C. Voorhoeve, erschienen 2018 im Fischer Verlag – Sauerländer
Hannover 1943: Lotte, ein vierzehnjähriges Mädchen erlebt den Krieg hautnah in der Stadt, in der sie ihrem blinden Vater beisteht und die täglichen Dingen des vom Krieg gezeichneten Alltags erledigt. Mitte des Jahres 1943 schickt Lottes Vater sie entgegen der typischen Reiserichtung nach Ostpreußen auf das Gut einer Freundin ihrer verstorbenen Mutter. Das Trakehnergestüt Waldeck ist wie gemacht für idyllische Ferien inmitten einer grandiosen Natur. Bei langen Ausitten findet Lotte Freiheit und Freude über ihr neues zu Hause. Auf Lilies Rücken und mit ihrem Begleiter Harro auf Widukind an ihrer Seite, scheint der Krieg weit weg und die traumatischen Erlebnisse der Luftangriffe beginnen zu verblassen. Doch der Schein trügt. Die Ereignisse überschlagen sich. Die Vorstellung eines Sieges der deutschen Truppen und die Versprechungen des Führers verblassen angesichts der immer näher rückenden Front. Es ist Zeit zu handeln, im Sinne des Überlebens für Mensch und Tier. Daher muss Lotte nach zwei fast unbeschwerten Sommern, erneut alles hinter sich lassen. Vor ihr liegt ein schwerer Weg, den sie auf der Suche nach einer neuen Heimat mutig beschreitet. Eine Fluchtgeschichte voller Entbeerungen und Hoffnung in Zeiten erschaudernder Schicksale.
Die Autorin Anne C. Voorhoeve steht für außerordentlich gut recherchierte Literatur. Auch hier vermag sie in einem fesselnden Schreibstil die Erlebnisse und Begebenheiten der Geschichte eindringlich zu erzählen. Durchweg real, tapfer, unbeschwert sowie düster und bewegend erzählt die Autorin diese sagenhafte Geschichte gegen das Vergessen. Das Schicksal ihrer Protagonisten steht stellvertretend für das dunkelste Kapitel unserer Vergangenheit. Allesamt wachsen sie dem Leser ans Herz und es fällt unheimlich schwer ihren fremdbestimmten Weg zu akzeptieren. Eine Zukunft, die es an dem Ort, den sie so lieben, der ihnen so vertraut ist – ihre Heimat - nicht mehr geben wird. Die Erkenntnis über den kommenden Verlust, gepaart mit dem vorausschauenden Denken der Menschen Ostpreußens, verdankt die älteste Pferderasse Deutschlands, die Trakehner ihre Rettung. Benannt nach dem Gestüt in Ostpreußen nahe der Ortschaft Trakehnen galt es die seit dem 13. Jahrhundert gezüchteten eleganten, ausdauernden Pferde vor dem nahenden Russen in Sicherheit zu bringen. Im eisigen Winter 1944/1945 begibt sich eine Gräfin, in Anlehnung an die wahrhaftige Marion Gräfin Dönhoff mit ihrem Pferd Alarich und der Hauptprotagonisten Lotte auf die Flucht nach Westen. Lange Trecks von abertausenden Flüchtlingen kreuzen ihren Weg durch Eis und Schnee. Eine Reise von Entbeehrungen, Vertreibung, Hoffnung, Verlust, Ankommen und Zugehörigkeit beginnt.
Dieses wunderbare Zeitzeugnis, geschildert aus Sicht der jungen Lotte, hat mich nachdenklich gestimmt und zutiefst berührt. Es ist nicht nur ein Pferderoman, sondern ein wichtiger Teil unserer Geschichte, meiner Geschichte. Für mich ist die erzählte Vergangenheit um Lotte das Buchhighlight 2018, meine Buchentdeckung überhaupt.
Überraschungshit
Sago aus Falkensee am 18.11.2018
Bewertungsnummer: 1148370
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Als lebenslange Pferdefreundin war mir das Schicksal der Trakehnergestüte in Ostpreußen im Zweiten Weltkrieg von Kindheit an ein Begriff. Aber hier wird Geschichte lebendig und zwar so packend und vielschichtig, wie ich es nicht erwartet hatte. Das Buch war für mich ein echter Überrascgungshit und hat mich so manches Mal tief bewegt.
Die junge Lotte wird von ihrem Vater aus dem zerbombten Hannover ausgerechnet auf Gut Waldeck in Ostpreußen geschickt. Es wird von Antonia, einer Jugendfreundin von Lottes verstorbener Mutter, geführt. Auf dem Rücken der Trakehnerstute Lilie erlebt Lotte nach anfänglichen Schwierigkeiten zunächst ein herrliches Idyll. Doch der Schein trügt und entgegen aller Kriegspropaganda rückt die russische Armee Ostpreußen immer näher. Gemeinsam mit Antonias Nichte Emilia und dem jungen Harro, dem Sohn des ehemaligen Gestütsverwalters sowie zahlreichen Pferden muss Lotte schließlich fliehen. Das geschilderte Schicksal von menschlichen und tierischen Flüchtlingen wird dabei so realistisch und erschütternd beschrieben, dass ich so manches Mal wirklich schwer schlucken musste.
Immer wieder muss Lotte Abschied nehmen und über sich hinauswachsen. Obwohl der Roman weitestgehend mit fiktiven Figuren arbeitet, lehnt sich Lottes Flucht teilweise an tatsächliche historische Geschehnisse um Marion Gräfin Dönhoff an.
Auch das versöhnliche, aber tifgründige Ende weiß sowohl zu überzeugen als auch zu rühren. Das Buch bietet für alle Generationen soviel mehr, als man hinter dem eher jugendlich-romantischem Cover erwarten würde.