In seinem melancholischen Roman über eine gescheiterte Liebe übt Theodor Fontane erneut Kritik am Standesdünkel seiner Zeit: Botho von Rienäcker hat aus rein finanziellen Gründen seine Cousine Käthe von Sellenthin geheiratet. Dafür hat er sich von der hübschen, aber kleinbürgerlichen Lene getrennt, die diesen Schritt notgedrungen akzeptiert hat. Als sie und der Fabrikmeister Gideon Jahre später heiraten wollen, besucht dieser Botho, um von ihm Aufschluss über dessen Verhältnis zu Lene zu erhalten. Während des Gesprächs wird Botho schlagartig klar, wie übermächtig seine Sehnsucht nach der verlorenen Lene noch immer ist. Doch an der für beide katastrophalen Situation ist nicht mehr das Geringste zu ändern.
Nach einigen, bisher sehr eindrucksvollen Romanen von Theodor Fontane konnte mich Irrungen, Wirrungen, 1888 erschienen, irgendwie nicht erreichen. Die Figuren haben wenig exemplarisches, wenig von der Fontane sonst so eigenen Ironie, Frische und Individualität. Alles erscheint hölzern, die Handlung schleppt sich, hat wenig Reiz. Zentral ist allerdings einmal mehr die unstandesgemäße Liebe; Protagonisten sind Botho, aus reicher Familie kommend, und Lene, Bürgerliche. Man verliebt sich, will schließlich heiraten. Als Botho allerdings von der prekären finanziellen Lage seiner Familie hört und die eigene Mutter ihn bedrängt, die finanziell gutsituierte Cousine Käthe zu ehelichen, gibt Botho klein bei und die Beziehung wird aufgelöst. Damit erlangt Botho zwar eine sichere, aber wenig emotionale Be-ziehung. Lene hingegen lernt im Laufe des Romans schließlich Gideon kennen, der sie später bittet ihn zu heiraten. Um reinen Tisch zu machen, erzählt sie Gideon von ihren vorangegangenen Beziehungen, insbesondere jedoch von derjenigen mit Botho. Beide Männer treffen sich und Botho muss sich am Ende eingestehen, dass Gideon der bessere Mann für Lene ist.
Bekannt ist, dass der Roman von Zeitgenossen er erschien als Fortsetzungsroman in der Vossischen Zeitung als zu freizügig empfunden wurde; eine Charakterisierung, die heute nicht mehr nachvollzogen werden kann. Für mich leider einer der weniger runden Fontane-Romane. Nicht zu vergleichen bspw. mit Unterm Birnbaum, wo die Handlung eine wunderbar düstere, spannungsvolle Aura heraufbeschwört. Und die Jenny Treibel sprüht vor Witz, Ironie und herrlichen Charakteren, deren Doppeldeutigkeit dem Leser förmlich ins Auge sprang. Hiervon ist Irrungen, Wirrungen weit entfernt.
Nicht nur Schullektüre
Bewertung aus Duisburg am 01.06.2021
Bewertungsnummer: 951676
Bewertet: eBook (ePUB)
Ich sage euch, nach sicherlich drei Seiten setzt der Genuss ein. OK, ist es kein leichter Stoff. Und jetzt brauche ich nur noch die Ruhe alles zu lesen. Ehrlich, ich liebe ebooks. Ich bin der Meinung, dieses Werk verdient es. Der Leser muss sich allerdings anstrengen, das Buch zu verarbeiten. Zu Beginn ist es etwas anstrengend zu lesen, aber das gibt sich zügig.