Frieda Heyermeyer ist tot. Denn Frieda Heyermeyer hat geerbt. Und Erben kostet. Manchmal sogar das Leben. Karnevalszeit in Kalletal und drum herum. Katja Sollig, Teamleitung der Amtsschimmelflüsterer, der Sonderkommission Sozial der Polizei, freut sich auf ein paar freie Tage. Doch die Bitte des Chefs der Mordkommission kann sie nicht ausschlagen. Der Tod einer älteren Frau aus Badenhausen lässt sie nicht kalt, denn irgendetwas ist ungewöhnlich an dem Fall. Wie war das? Eine Bank pfändet ein Haus und eine Behörde sieht dabei zu? Obwohl die Erbin eigentlich genug Geld hätte, um das alles abzuwenden? Eigentlich! Genau Katjas Fachgebiet. Und während der Trubel der Karnevalisten immer lauter wird und die Regierungsbildung in Berlin noch höhere Wellen schlägt, macht sich Katja daran, gemeinsam mit einer Kollegin einen Wust von Akten durchzuarbeiten und ein paar Leute zu befragen. Ganz im Dienst derjenigen, deren Stimme nicht laut genug ist. Und die beiden finden Unstimmigkeiten heraus, die sogar in Berlin nicht ungehört bleiben. Wieder einmal bleibt der äusserste Osten von NRW nicht still, sondern gibt Laut und tut kund.
Mit "Abfuhr" hab ich den fünften Kalletalkrimi der Amtsschimmelflüsterer von Marie von Stein gelesen. Dies sind ja ganz besondere Krimis, die von der Sonderkommission Sozial der Polizei gelöst werden.
Katja Sollig wird um Hilfe gebeten im Fall des Suizids von Frieda Heyermeyer. Frieda hat sich mit Tabletten umgebracht, weil sie nicht mehr weiter wusste.
Ihr Sohn Fred ist gestorben und das Haus in dem sie lebt, gehört jetzt ihr. Jedoch ist es mit einem Kredit belastet. Diesen kann sie mit ihrer Rente jedoch nicht tilgen. Fred hatte genügend Geld auf seinem Konto, doch ohne Erbschein lässt die Bank Frieda nicht an das Geld und diesen kann Frieda nicht bezahlen. Jetzt soll das Haus geräumt und gepfändet werden…..
Frieda hat eine echt tolle Nachbarin, Monika. Wie Katja herausfindet, hat Monika ihre Nachbarin unterstützt so gut sie konnte. Sie hat sich um den ganzen Papierkram gekümmert und berichtet Katja von all den Schikanen der Bank.
Wir Leser erfahren, dass der Bankdirektor in die Politik wechseln will und einen Sitz in Berlin bei der Regierung ergattern will. Da gibt es so einige Mauschelei im Hintergrund. Ich bin ja froh, dass ich von solchen Mauscheleien in der Regel nichts mitbekomme. Politik ist eh schon so undurchsichtig.
Doch was der Direktor Sven Funke da in der Bank abzieht, das finde ich wirklich sehr erschreckend. Wenn ich mir vorstelle, wie sehr die alte Frieda Heyermeyer gelitten hat, würde ich ihn gerne an seiner Krawatte packen! Die alte Dame wusste ja gar nicht wie ihr geschieht. Was Papierkram angeht, hatte sie eh keine Ahnung, weil früher alles ihr Mann erledigt hat und nach dessen Tod ihr Sohn. Sie war der Bank vollkommen ausgeliefert. Da kann jeder in so einer Situation nur froh sein, wenn er jemanden wie Monika hat.
Der Schreibstil von Marie von Stein ist sehr lebendig und anschaulich. Sie hat die Feinheiten der Gesetze, die durchgesetzt werden sollten gut erklärt, so dass auch ein Laie es versteht.
Mich hat das Buch von der ersten Seite an gefesselt. Es war wirklich spannend. Außerdem war es schockierend, wie mit trauernden Menschen umgegangen wird.
Von mir eine klare Leseempfehlung!
Ein spannender, charmanter Regio-Kriminalroman
Circlestones Books Blog am 10.07.2019
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
„Und plötzlich steht man da, völlig mittellos und alles Gewohnte löst sich für einen auf.“ (Zitat Seite 149)
Inhalt
Frieda Heyermeyer ist alt. Ihr Haus steht vor der Zwangsräumung, veranlasst von der Bank, obwohl auf dem Konto auf genau dieser Bank genügend Geld liegt. Frieda setzt sich in ihren Lieblingssessel. So wird sie zwei Wochen später vom Gerichtsvollzieher gefunden, eindeutig Suizid. Doch ihr Abschiedsbrief und Ordner mit Schriftverkehr werfen Fragen auf und Katja Sollig, Kriminalhauptkommissarin Soko Sozial macht sich an die Arbeit. Was genau ist da passiert und warum?
Thema und Genre
Wie schon der Untertitel sagt, handelt es sich hier um einen Regio-sozialen Kriminalroman, eine interessante Mischung. Er spielt in einem fiktiven Ort im Kalletal. Die Soko Sozial ist eine spezielle Abteilung, die sich mit Rechtsfällen im sozialen Bereich beschäftigt. Dieses Buch handelt vom Alter, von der Verantwortung der Sozialämter, Ärzte, Banken und vom Erbrecht. Auch die Politik spielt eine Rolle.
Charaktere
Katja Sollig liebt Ingwer-Zitrone-Tee und Orangenkekse. Auch ein Croissant am Morgen lehnt sie nicht ab. Sie ist eine erfreulich geerdete Protagonistin mit Herz, die mit beiden Beinen im Leben steht, ihre eigene Meinung hat und das macht sie sehr sympathisch. Die Autorin nimmt sich Zeit für ihre Charaktere, jeder hat seine Eigenheiten und man merkt, dass sie aus der Realität gegriffen sind.
Handlung und Schreibstil
Dieser Kriminalroman zeigt wieder, dass eine Geschichte auch spannend sein kann, ohne dass brutale Morde darin vorkommen. Die Realität ist ernst genug und dieser Fall entwickelt sich leise, aber packend von der ersten bis zur letzten Seite. Der kurze Zeitrahmen zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 2018, mit erklärenden, ergänzenden Rückblicken ins Jahr 2017, strafft die Handlung. Dennoch nimmt sich die Autorin Zeit für Beschreibungen und schildert den Karneval im Kalletal so bunt und unterhaltsam, dass man dabei sein möchte.
Fazit
Dieser Kriminalroman mit Regionalbezug ist Teil einer Serie, in der es um besondere Rechtsfälle im Sozialbereich geht. Es ist jedoch jeder Band in sich abgeschlossen, man muss die Serie nicht in der Reihenfolge lesen. Gerade die soziale Komponente unterscheidet diese Bücher von den bekannten Regio-Krimis und macht sie so interessant. Eine Empfehlung für genussvolle Lesestunden – auch perfekt für Regio-Krimi-Skeptiker wie mich.