Das meinen unsere Kund*innen
Hinreißend geschrieben! Herzerwärmend, aber auch traurig
gst aus Pirna am 07.07.2021
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Mutter Cardinal hat 21 Kindern das Leben geschenkt. Vater Cardinal ist sehr stolz darauf, dass alle überlebt haben. Zumindest behauptet er das, als er im Alter für seine erfolgreiche Suche nach Erzvorkommen eine Auszeichnung erhalten soll.
Leicht war das Leben in einer so großen Familie nicht. Trotzdem erinnert sich der Nachwuchs gerne an die Kindheit. Sechs Geschwister, unter ihnen der Jüngste und der Älteste erzählen vom armseligen, aber glücklichen Familienleben. Obwohl der Vater ein gutes Gespür für Metalladern in Gesteinen hatte, war die Familie nie wohlhabend. Ihr Reichtum bestand im Zusammenhalt in der Familie. Èmilienne, das älteste Mädchen, das sich schon sehr früh um die Jüngsten kümmern musste, damit sich die Mutter in der Küche den Kochtöpfen widmen konnte, erzählt: Jeder musste "seinen Anspruch in einem Haus verteidigen, in dem nichts, rein gar nichts, nicht einmal einSchlafplatz, uns persönlich gehörte. Wir schliefen indem Bett, das gerade frei war, und zogen an, was wir in den Kleiderhaufen meiner Waschküche fanden. "
Was relativ harmlos beginnt, entwickelt sich zu einer verzwickten Familiengeschichte, in der jeder dem anderen etwas vormacht. Erst als nach 30 Jahren wieder alle zusammenfinden, wird das Geschehene aufgearbeitet.
Der Roman der kanadischen Schriftstellerin Jocelyne Saucier erschien 2001 in französischer Sprache. 18 Jahre später brachte ihn der Insel-Verlag in der Übersetzung von Sonja Finck und Frank Weigand auf den deutschen Büchermarkt. Die Hommage an ein außergewöhnliches Familienleben ist mitreißend geschrieben und hat mich vollends von der 1948 geborenen, begnadeten Schriftstellerin überzeugt. Für mich war das ihr drittes Buch, aber ich hoffe, dass es nicht das letzte sein wird.
Ein Geheimnis unter Tage
mrs rabes bookaccount am 10.06.2019
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Die Cardinals sind mit 21 Kindern eine wahrliche Großfamilie. In der kleinen frankokanadischen Gemeinde Norco lebt die Familie, seit der Vater dort ein großes Zinkvorkommen entdeckt hat. Es ist ein einfaches und ungestümes Leben in einem beengten chaotischen Haushalt. Die Mutter ist Herrscherin über die Kochtöpfe, die älteste Tochter Emilienne Hüterin der Kinder. Der in Aussicht gestellte Reichtum schwindet jedoch, als die Bergbaugesellschaft die Mine schließt und Albert Cardinal sich betrogen fühlt. Die älteren Kinder planen nun Rache an der Gesellschaft zu nehmen und lösen damit ein Ereignis aus, dass die Familie auf immer belastet.
Jocelyne Saucier rollt in ihrem Roman „Niemals ohne sie“ eine ganz besondere Familiengeschichte vom Ende her auf. Sie erzählt von einem Familientreffen, lange nach der Katastrophe, als alle Cardinals anlässlich einer Ehrung des Vaters zusammen kommen. Die Kinder sind längst alle erwachsen und leben in alle Winde zerstreut. Langsam führt uns die Autorin an die Ereignisse von früher heran, bringt eine über Jahre unausgesprochene Wahrheit zu Tage. Es ist eine Geschichte über Familienzusammengehörigkeit, Schuld und Verdrängung. Jocelyne Saucier verleiht einigen Familienmitgliedern eine Stimme. Dabei beginnt sie mit „Matz“, dem jüngsten Kind der Familie, eine großartige Strategie, denn Matz kennt als Nesthäkchen die Familienvergangenheit, als die Cardinals die Kings von Norco waren selbst nur aus Erzählungen. Nach und nach lesen wir von den rauen Umgangsformen unter den Geschwistern, dem ständigen Kampf um Anerkennung und den richtigen Platz in der Rangordnung. Aber wir lesen auch vom Untergang einer ehemals florierenden Stadt, als die Einkommensquelle nach der Schließung der Mine versiegt ist. So wie der Vater Cardinal mit Leidenschaft nach Erz suchte, so schürft die Autorin Schicht für Schicht um ein tragisches Familiengeheimnis ab.
Niemals ohne sie ist eine ungezähmte Geschichte, eine Tragödie und dabei doch voller berührender Momente.