Allein und mit Neugier im Gepäck erkundet Nadine Pungs die Arabische Halbinsel: von Jordanien über Kuwait, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Oman bis an die Grenze des Jemen. Sie reitet mit Beduinen durch die Wüste, übernachtet in Zelten und Wolkenkratzern, spricht mit Gastarbeitern und Geflüchteten. Sie trifft einen Scheich und hat sogar eine Audienz bei einer waschechten Prinzessin. Pungs sammelt Geschichten aus dem Orient und fügt aus ihren Begegnungen und Beobachtungen ein schillerndes Mosaik des heutigen Arabien zusammen. Dabei erlebt sie Herzensgüte, aber auch ausweglos erscheinende Situationen. Und irgendwann muss sie sich entscheiden: aufgeben oder solange weiterreisen, bis die Wüste das Meer küsst.
Die Menschen in der arabischen Wüste leben anders als wir Europäer denken
Bewertung am 10.08.2020
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Wieder einmal zog es Nadine Prungs in den Orient. Nach ihrem Iranbesuch war sie stellvertretend für uns auf
der arabischen Halbinsel unterwegs. Vorurteilslos und geprägt von einem farbigen Erzählstil
Pittoreskes Mosaik der arabischen Halbinsel. real, heutig und ausnuanciert
Bewertung aus Bochum am 20.06.2020
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Nadine Pungs entwirft in „Meine Reise ins Übermorgenland. Allein unterwegs von Jordanien bis nach Oman“ ein pittoreskes Mosaik der arabischen Halbinsel, real, heutig und sehr auusnuanciert.
Allein und mit Neugier im Gepäck erkundet die Reiseautorin die Arabische Halbinsel: von Jordanien über Kuwait, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Oman. Sie reitet mit Beduinen durch die Wüste, übernachtet in Zelten und Wolkenkratzern, spricht mit Gastarbeitern und Geflüchteten. Sie trifft einen Scheich und hat eine Audienz mit einer Prinzessin.
Sie möchte vor Ort das westliche Orientbild überprüfen. Dabei vergleicht sie insbesondere die vorgefundene gesellschaftliche Situation mit dem derzeitigen westlichen Orientbild.
Die Autorin besucht Sehenswürdigkeiten, flaniert durch die Souqs in dere jeweiligen Stadt, macht Bekanntschaften und beschreibt in pittoresken Straßenszenen das Leben in den arabischen Ländern. Diese lesen sich sehr anschaulich. Zwischendurch baut sie immer wieder historische Erläuterungen zu den von ihr besuchten historischen Orten und Sehenswürdigkeiten ein. Sie spricht mit Taxifahrern, Hotelangestellten, Souvenir- und Buchverkäufern und sie lernt Leute auf der Straße kennen. Dadurch erhält sie Einblicke in das Leben vor Ort.
Die Autorin beschreibt in den einzelnen Länderkapiteln immer zuerst die gesellschaftliche Situation des Landes, nennt Daten, Fakten und ordnet das jeweilige Land im Verhältnis zu den Nachbarstaaten ein.
Die Gastarbeiter-Problematik zieht sich durch die gesamte Erzählung und durch alle bereisten Länder, sie beschreibt die Situation der Ausländer zwischen Kafala-System und offener Diskriminierung. Die Gastarbeiter sind in den arabischen Ländern überall als Lohnsklaven Menschen vierter Klasse. Diese Thematik macht „Meine Reise ins Übermorgenland zu einem sehr politischen Buch.
In jedem der bereisten Länder erklärt die Autorin das politische Verhältnis zu seinen Nachbarländern und skizziert die historischen Entwicklungen, wie es im Laufe der Geschichte dazu kam. So ergibt sich für den Leser aus dem Puzzle mit der Zeit ein schlüssiges Gesamtbild des politischen Arabiens. Der historische Themenkomplex wird von der Autorin immer an den entsprechenden Stellen für den Leser kug eingeflochten, wenn es um geschichtsträchtige Orte bzw. die jeweilige Landesgeschichte geht, die auf die heutige Wirklichkeit hingewirkt haben.
Sie beschreibt eine schillernde und vielfältige Region mit interessanten Menschen, Orten, Geschichte und Problemen und ihrer raffinierten Küche in einem Vielvölkergebiet, wenn man die Expats hinzunimmt Sie zeigt dem Leser, was er vorher nicht wissen konnte,
Die Autorin hat einige interessante Araber kennengelernt, die sich elegant zwischen Traditionsbewusstsein und Web 2.0-Moderne bewegen. Sie hat in Bahrain eine sehr junge Generation kennengelernt, die auf der Suche nach einer neuen Identität ist und daher von einer gewissen Ziellosigkeit getrieben wird. Doch diese Generation ist es, welche die Zukunft Arabiens bauen werden. Eine Generation, die gar keine Lust hat, gestrige Traditionen zu übernehmen. Eine Generation, die sich ihrer beduinischen Herkunft und Traditionen, sowie ihrer Religion bewusst ist, aber den Jeep dem Kamel vorzieht, die über das Internet global integriert ist und sich nicht abzuschottet, sondern selbstverständlich an der globalen Gegenwart partizipiert.
„Der Jahrhunderte lange Austausch von Wissenschaft, Kultur, Kleidung, Lebensmitteln - man denke nur an den Kaffee - von Wörtern und Ziffern, von Erkenntnissen und Philosophien, von Tulpen, Weihrauch und den vielen Alltagsgegenständen, zeigt, dass zwei sich diametral gegenüber stehende Blöcke wie Orient und Okzident historisch nicht belegbar sind. Orient und Okzident sind bloß Ideen. Fata Morganas.“
„Meine Reise ins Übermorgenland. Allein unterwegs von Jordanien bis Oman“ ist ein „Handbuch für Arabien“ mit der Geschichte Arabiens, der Politischen Landkarte, den politischen und gesellschaftlichen Systemen, den verschiedenen Religionen und unterschiedlichen Richtungen des Islam, sowie der gesellschaftlichen Problematik der Expats, die durch das herrschende Kafala-System entrechtet und unterdrückt werden.
Dabei ist das Buch umso mehr eine zauberhafte Reiseerzählung, in der das reiseliterarische Talent der Autorin gerade in den Beschreibungen von Beobachtungen oder Straßenszenen zum Leuchten kommt:
„Ich wohne Downtown, im alten Amman, das sich so zeigt wie etliche orientalische Metropolen. Laut und staubig. Ich streune umher, durch eine Innenstadt, die aus allen Nähten platzt und trotzdem vorwärts wuchert. Die Autos fließen zäh wie Sirup, Menschen wuseln vorbei an Shishaläden, in denen Kohle und Schläuche verkauft werden. Der Bürgersteig bäumt sich auf, als wäre darunter noch eine Stadt vergraben. Klimaanlagen hängen an Balkonen, die Fassaden beigegrau wie Schleifpapier. Ein Jüngling im Weihnachtsmannkostüm verteilt Flyer für einen Kebabladen. Es ist November. Im nächsten Shop betten sich Schrotflinten in der Auslage, im benachbarten Laden dampfen wieder Shishas. Die Griechen nannten Amman vor 3.000 Jahren »Philadelphia«, das bedeutet Bruderliebe. Ein paar hundert Kilometer weiter in Syrien massakrieren sich die Menschen. Ein Barbier wetzt sein Messer. Wintermäntel schaukeln neben Abayas. Ohrringe neben Handyhüllen. In den Saftläden hängen Bananen an Haken, ein Straßenhändler vertickt Unterhosen für Männer. Auf einer Packung steht »Magic Style« geschrieben. Ein Bursche mit einem Turbanberg auf dem Kopf lässt seine Gebetskette durch die Finger gleiten. Hinter ihm baumeln Taschen aus Plüsch, Louis Vuitton ist aufgenäht. Nähmaschinen stehen im Schaufenster, in drei Geschäften nebeneinander.“
Nadine Pungs schafft es mit ihrer poetischen Sprache, dass der Leser vom Reisefieber gepackt wird und am liebsten sofort auf ihren Spuren das heutige Arabien erkunden möchte. Eine ganz wundervolle Reiseerzählung, die sich auch als Vorbereitung für eine eigene Arabien-Reise hervorragend eignet.
Ich kann „Meine Reise ins Übermorgenland. Allein unterwegs von Jordanien bis Oman“ von Nadine Pungs allen Lesern von Reiseliteratur uneingeschränkt ans Herz legen.