"Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit seiner Zeit umgehen." - Der neue Roman von Pascal Mercier, dem Autor des Bestsellers "Nachtzug nach Lissabon"
Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben - bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann. Wieder ist Pascal Mercier ein philosophischer Roman gelungen, bewegend wie der "Nachtzug nach Lissabon."
Ein Buch über Sprache, die Sprachen, das Schreiben und sogar das Übersetzen! Das kommt eher selten zu erzählerischen Ehren. Diese Themen lassen das Herz für gewöhnlich schneller schlagen. “Das Leben wird durch Bücher gelebt.” “Schreiben ist Lebendigkeit.” Absolut! Da die “Worte sich im Klang offenbaren”, wie Mercier schreibt; was lag näher, als sich das von Markus Hoffmann eingesprochene Hörbuch anzuhören. ///
Leider entpuppt sich das Ganze als arg wohlfeil und elitär. Es ist allzu hehr und heilsbringerisch, was da von Hoffmann so hingehaucht wird. Meistens in gleichbleibender Eintönigkeit, die manche Hörer vielleicht als entspannend empfinden, die für mich aber eher nervtötend war. “Sprachliche Zeichen als Mysterium des Geistes.” Zweifellos beherrscht Mercier seine manieristische Sprachkunst, wie auch Hoffmann ein unangefochtener Sprechkünstler ist. ///
Der ganze Roman besteht aus oberlehrerhaften Kunstfiguren, von denen man kaum glauben kann, dass es heutige Zeitgenossen sein sollen. Mit ihrer unübertrefflichen Perfektion scheinen sie wie Relikte aus intellektuellen Filmen der 60er Jahre. Zumal praktisch ständig Kette geraucht wird. Alle gehen extrem achtsam miteinander um und sind fürchterlich gut in allem, was sie tun. Ein Haus in London zu erben wird fast zur Alltäglichkeit, noch dazu in Hampstead Heath, wo die ganze prächtige Stadt einem zu Füßen liegt. Geld ist ohnehin im Überfluss vorhanden und wird noch dazu ordentlich ausgeteilt, denn allen, die halt keines haben und würdig sind, wird großzügig unter die Arme gegriffen. Da geht es keineswegs um Kleckerbeträge. Jeder kann seinen Traum vom Schreiben und Übersetzen und Verlegen verwirklichen und leben. Und alle Normalos, die heute und jetzt in der realen Welt im Literaturbetrieb beschäftigt sind, reiben sich die Augen. ///
All die philosophischen Ausführungen haben ihre Wertigkeit. Absolut. Aber sie werden zu oft doppelt und dreifach wiederholt. Erst im Ereignis, dann in der Reflektion, dann noch einmal wortwörtlich in Briefen an eine Verstorbene. Zuletzt werden die ständigen Wiederholungen des Lebens zum Thema. Immerzu nimmt jemand Bücher in die Hand und blättert darin. An sich nichts Schlechtes, aber die übermäßige Verliebtheit ins “Blättern” zieht es ins Lächerliche. Und was alles der reinen Ästhetik geopfert wird! “Es ist schlechterdings unmöglich, aufzuhören.” Wohl kaum der alltägliche Sprachduktus einer Dreißigjährigen. Als die Ehefrau tot auf dem Sofa sitzt, wird erst mal bis zum Morgengrauen stundenlang Bach gehört, den sie kurz vor ihrem Ableben im Ohr hatte, und es wird (natürlich) in allen Büchern geblättert, die sie zuletzt in der Hand hatte, bevor am Morgen dann endlich der Notarzt kommen darf. ///
“Niemand ist eine Autorität. Niemandem steht es zu, über andere zu urteilen.” Mea culpa. Mea culpa. Mea culpa.
Interessante weit ausholende Abhandlung über Sterbehilfe
Bewertung aus Wiesendangen am 12.07.2020
Bewertet: eBook (ePUB)
Sehr gute Beschreibung verschiedener Probleme am Ende des Lebens. Eigentlich müsste in jeder Staatsverfassung das Recht auf Sterbehilfe garantiert werden. Aber auch Darstellungen des Lebens in London und Trient sind sehr interessant.