Desillusioniert von ihrem Heimatkonzern Hadronic Inc. flieht die Pilotin Danai mitsamt gestohlenem Raumjäger zur Jockey-Gang ihrer Mutter. Marlene „Deardevil“ führt die Daredevils an – Fliegerasse, die ihre Stunts und kleinkriminellen Aufträge direkt ins Datanet streamen und von ihren Followern dafür geliebt werden.
Danai hat wenig Lust auf Follower und Social Media, aber Fliegen kann sie wie der Teufel. Der Daredevils-Anwärter Kian braucht ihr Talent für eine Stuntflugshow, die verschleiern soll, dass sie einer unabhängigen Siedlung auf Valoun II gegen die Luftangriffe eines Megakonzerns helfen – genauer gesagt: gegen Hadronic Inc.
Und so navigiert Danai mit vollem Schub in den Konflikt zwischen Anonymität, Ruhm und Zivilcourage, zwischen Kian und seine Ex-Freundin Neval, zwischen die Egos der Daredevil-Jockeys und die Fallstricke ihrer eigenen Persönlichkeit.
Der neue Roman von Judith & Christian Vogt zu ihrem Sci-Fi Rollenspiel "Aces in Space"!
Was wir auf den ersten Blick bekommen, ist eine actiongeladene Story in der Welt der Chokey Gangs, die auf Ruhm und Likes aus sind. Was sich durch Flugchallenges und ähnliches bewerkstelligen lässt. Dabei finde ich die Slangausdrücke, die sich die Vögte überlegt haben, innovativ und sehr passend. Sie haben diese Gangs außerdem als protzig und toxisch dargestellt, ohne auf allzu diskriminierende Klischees zurückzugreifen. Ein Konzept ist die No-Fomo Mentalität (Fomo steht hier für Fear of Making out und belächelt heteronormative monogame Beziehungen). Toller Move, etwas gesellschaftlich Vorherrschendes zu wählen, um die toxischen Strukturen innerhalb der Gangs aufzuzeigen. Das funktioniert super und es werden keine Minderheiten beleidigt.
Als weiteren wichtigen Handlungsstrang gibt es eine Siedlung auf Valoun II, die sowohl von einer Sekte als auch von einem großen Konzern bedroht wird - alles aufgrund eines wertvollen Rohstoffvorkommens. Hier ziehen die Vögte teilweise Parallelen zu Rojava, was auch im Schlusswort explizit erwähnt wird.
Mehr möchte ich nicht verraten, aber es lohnt sich, auch wenn ihr nicht so Social Media affin seid und manche Anspielungen und Witze nicht versteht, trotzdem weiterzulesen, weil es ein weit komplexerer Roman ist als es auf den ersten Blick scheint. Action, Liebe, politischer Aktivismus, Diversität sind nur einige Schlagworte, die den Roman beschreiben.
Das Buch bewegt sich auf so vielen Ebenen, die mich nachhaltig beeindruckt haben.
Dare to fly - unbedingt!
Mein Regal voller Regenbögen am 30.08.2020
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Science-Fiction ist eines der Genres, die ich wirklich gerne lese. Trotzdem ist mein letzter Ausflug in ferne Welten schon Lichtjahre her. „Ace in Space“, die neueste Veröffentlichung des Autorenduos Vogt, hat mich dann doch so neugierig gemacht, dass ich nicht daran vorbeigekommen bin. Der Grund – ihre Storys bringen oftmals queeren Content und Diversität mit.
Der erste Satz:
– //LOGGTUBE KoCoCo – KobeniCorpCombat – Wähle deinen Lieblingscorp! –
Danai Zustand könnte man glatt als schwebend bezeichnen. Ihr altes Leben hat sie hinter sich gelassen. Sie ist geflohen, vor den fragwürdigen Geschäftsmethoden ihres Arbeitgebers, der bis dahin ihr ganzes Leben beeinflusst hat, und vor ihren Schuldgefühlen. Angekommen ist sie in ihrem neuen Leben aber noch nicht, ist das doch völlig konträr zu dem, was sie eigentlich will - unsichtbar werden, möglichst lange unterm Radar von Hadronic durchzuschlüpfen. Die Welt der Jockeys besteht allerdings aus einem Höher, Schneller, Weiter und jeder ist darauf aus, sich zu profilieren, gesehen zu werden, möglichst viele Likes im Datanet zu generieren. Likes sind gleichzusetzen mit Anerkennung, Erfolg und letzten Endes auch mit Geld. So ist die Gang auch nicht sonderlich erfreut, dass Danai, als Tochter der Präsident, sofort zum Vollmitglied aufsteigt, ohne je etwas dafür geleistet zu haben. Sie muss zeigen, was in ihr steckt, muss sich entscheiden zwischen Angriff und Rückzug, zwischen einem Kampf mit offenem Visier oder der ständigen Flucht vor dem eigenen Gewissen.
– »Weißt du, mir ist aufgefallen, dass Quetzal unsere Wertung anführt – wenn Quetzal nicht wär, wärt ihr schon so was von abgeschmiert, aber er hält euch im Rennen. Wird er, sie, xier oder was auch immer das Cockpit verlassen, wenn wir ihm den goldenen Anstecktotenkopf der Woche verleihen oder so was?« – (S. 348)
Ich muss zugeben, dass ich die ersten ein, zwei Kapitel leichte Schwierigkeiten hatte, im Buch anzukommen. Zum einen steckt man gleicht bis zum Anschlag in der Welt des Datanets und der Jockey-Gangs des Kobeni-Gürtels, ist mit Slangausdrücken und relativ viel Information konfrontiert. Zum anderen setzten die Vögte auf eine genderneutrale Schreibweise und auch bei Pronomen wird non-binary mit bedacht (sie/ihr, er/ihm, xier/xiem). Diversität wird generell großgeschrieben. Neben queeren Figuren, People of Color und Menschen mit Handicap werden auch traditionelle Beziehungsformen aufgebrochen, Polyamorie oder auch rein körperlichen Verbindungen haben in dieser Zukunft nichts anrüchiges mehr – man ist offen für alles. Das Autorenduo verpackt diese bunte Vielfalt sehr gekonnt in der Story, es wirkt nicht gewollt oder belehrend, sondern ist Teil der beschriebenen Gesellschaft. Etwas, von dem wir in der Realität leider noch sehr weit entfernt sind.
Nach dem etwas holprigen Start entwickelt sich die Story um Danai, Kian, Neval und die Jockeys der Deardevils für mich aber zu einem richtigen Pageturner. Action, emotionale Aspekte und soziale Themen vereinen sich zu einem mitreißenden Ganzen, dem, mit den Interaktion im Datanet und dem immer wieder durchblitzende Humor, meiner Meinung nach das Sahnehäubchen aufgesetzt wird. Wie sich die Erzählung, die Konflikte mit ihren unterschiedlichsten Lösungswegen, und parallel dazu die Figuren entwickeln, fand ich absolut großartig. Eine Überraschung war für mich, welche Bedeutung das Cover für die Geschichte hat. Ich finde es immer wundervoll, wenn man während des Lesens einen ganz anderen Blick darauf erhält, wenn sich die Puzzleteile zusammenfügen und klar wird, dass Optik und Inhalt perfekt zusammenpassen.
Judith und Christian Vogt haben ihre Geschichte in ein grandioses Setting eingebettet. Valoun II mit seiner kargen Schönheit, den sehr speziellen Lebensformen darauf, Asteroidenfelder, umfunktionierte oder verlassene Bohrstationen im All und natürlich der Blick aus dem Cockpit. Was ich als sehr positiv empfinde ist, dass die Technik der Zukunft zwar präsent ist, die Story aber nicht davon erdrückt wird, und somit auch nicht so affine Leser einen leichteren Zugang bekommen.
„Ace in Space“ ist in meinen Augen ein rundum gelungener Science-Fiction Roman, der mich mit seiner Mischung aus unterhaltsamer Jockey-Kultur, einer etwas ungewöhnlichen Love-Story und dem Kampf gegen einen übermächtig erscheinenden Gegner absolut abholen und begeistern konnte. Die Story ist auf geradem Weg in das Regal meiner diesjährigen Highlights eingezogen und ich möchte sie jedem ans Herz legen, der sich zutraut in eines der Cockpits zu steigen, um Princess und Prophet herauszufordern.