Minarett

Minarett Roman

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Beschreibung

Details

Einband

Gebundene Ausgabe

Erscheinungsdatum

01.09.2020

Herausgeber

Irma Wehrli

Verlag

Lenos

Seitenzahl

340

Maße (L/B/H)

19/12.3/2.7 cm

Gewicht

381 g

Auflage

1. Auflage

Originaltitel

Minaret

Übersetzt von

Irma Wehrli

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-03925-005-9

Beschreibung

Rezension

"Ein schöner, gewagter, herausfordernder Roman." (The Guardian)

"Aboulela zeichnet ein faszinierendes Bild des interkulturellen Zwists." (The Independent)

"Geschrieben mit Sensibilität und Anmut. Eine fesselnde Geschichte über das geistige Erwachen einer Frau." (Image)

"Dies ist die moderne weibliche Stimme … jung, frisch, vielfältig, herausfordernd, hemmungslos." (Rachel Cusk)

"Ein wunderbares Buch. Lesenswert, subtil und vieldeutig, mit einer schockierend klaren Stimme." (Ali Smith)

"A delicate, quietly told story … with real page-turner appeal.«" (The Bookseller, Editor’s Choice)

"Aboulela offers a very different portrayal of Muslim women. … Rather than yearning to embrace Western culture, Aboulela’s women seek solace in their growing religious identity." 
(The Observer)

Details

Einband

Gebundene Ausgabe

Erscheinungsdatum

01.09.2020

Herausgeber

Irma Wehrli

Verlag

Lenos

Seitenzahl

340

Maße (L/B/H)

19/12.3/2.7 cm

Gewicht

381 g

Auflage

1. Auflage

Originaltitel

Minaret

Übersetzt von

Irma Wehrli

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-03925-005-9

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Siemensstraße 16, 35463 - DE, Fernwald
gpsr@prolit.de

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Lenos Verlag
Spalentorweg 12
4051 Basel
Schweiz
Email: lenos@lenos.ch
Url: www.lenos.ch
Telephone: +41 61 2613414

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Eine Orientierung

Almut Scheller-Mahmoud am 28.01.2022

Bewertungsnummer: 1646208

Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Leila Aboulela konfrontiert uns mit Nadschwa, der Ich-Erzählerin dieses Romans. Er ist in sechs Kapitel gegliedert: zeitlich von 1984-2004 hin und her springend, was ich verwirrend finde. Er ist Schilderung einer Lebenssuche nach Geborgenheit, Zuneigung und Sicherheit mit vielen Irrungen und Wirrungen. Wir werden Zeuge dieser Auf und Abs, dieses Herausgeworfenseins aus einer afrikanischen Welt in eine graue und kühl-britische, aus einer Kindheit und Jugend einer verwestlichten Oberschicht in die Unsicherheit des Exils, ohne Eltern und Freunde, ohne Ressourcen. Ein Leben wie in einer Zwangsjacke. Nadschwas Leben in einer wohlhabenden einflussreichen Familie mit der zwillingssymbiotischen Beziehung zu ihrem Bruder Omar,„Und trotzdem lauerte in mir manchmal ein Schmerz wie von einer verheilten Wunde und Traurigkeit wie von einem vergessenen Traum“. Auf dem Campus der Uni sah sie betende Frauen, bewunderte die Choreographie ihrer Bewegungen. Sie fühlte eine starke Anziehungskraft zu dem politisch engagierten Anwar, obwohl er sie wegen ihrer Herkunft verspottete, ihren Lebensstil verachtete. Ein Putsch zwang Nadschwa, Omar und die Mutter überstürzt nach London abzureisen. Der Vater wurde verhaftet, ihre Ländereien und Häuser konfisziert, der Vater wegen Korruption angeklagt und gehängt. In London „…klaffte die Erde auseinander und wir stürzten in die Tiefe, entfremdeten uns voneinander, weil wir einander noch nie hatten fallen sehen.“ Die Mutter starb, Omar verbüßte eine sehr lange Haftstrafe, weil er fast einen Polizisten erstochen hatte. Nadschwa blieb allein, musste arbeiten. Ein Wiedersehen mit Anwar, der jetzt als politischer Flüchtling in London lebte. Sie wurden ein Paar trotz der unüberbrückbaren Unterschiede. In ihr wuchsen Schuldgefühle über die verlorene Jungfräulichkeit. Durch Wafâa erste Kontakte zur Moschee, wo sich Frauen regelmäßig zum Unterricht trafen. Diese Besuche wurden zu einer festen Konstante ihres Lebens. Sie begann den Hidschab zu tragen, die ramadanische Fastenzeit einzuhalten und Hoffnung zu nähren, dass Allah ihr ihr früheres Glück zurück geben bzw. ein anderes, neues Glück schenken würde. Anwar bezeichnete ihren Weg zum Glauben als Gehirnwäsche, er verstand nicht, dass Nadschwa in sich geborgen sein wollte und sich den „großen Dingen“ wie Meinungsfreiheit, Menschenrecht, Terrorismus entzog. Für sie war ihr Weg ein Peeling der Seele. Sie lernte den sehr religiösen Tamer kennen, viele Jahre jünger, es entwickelten sich zarte Gefühlsbande. Als sie sich küssten, wurden sie von seiner Schwester und ihrer Arbeitgeberin entdeckt. Aboulela gelingt es, die Seelennöte einer in die Fremdheit gestoßenen, lebensfremden jungen Frau nachvollziehbar zu schildern. Die aus der Wohlbehütetheit ihres bisherigen farbigen Lebens in ein glanzloses geworfen wird ohne jeglichen Kontakt zu Einheimischen. Die in ihren Liebes-beziehungen zu Anwar und Tamer scheiterte. Anwar, der sie nicht heiraten wollte. Dessen biologisch-rassistisch-reaktionäres Argument mich frösteln macht: er wollte Nadschwas geneti-sches Erbe, das Blut ihres Vaters, nicht in den Adern seiner Kinder fließen sehen. Also auch nur ein Lebenslügner, kein aufgeklärt-rationaler Systemveränderer, als den er sich selbst so gern sah. Und doch bleibt die weibliche Hauptfigur irgendwie blass und blutleer, mir fehlt kämpferischer Geist. Ein Auflehnen gegen ihr Schicksal, statt es passiv-depressiv zu akzeptieren. Wir als Leserinnen und Leser mögen diesen Lebensweg nicht nachvollziehen können: wir leben selbst meist ein rationales, areligiöses, angeblich zeitgemäßes Leben und uns erscheint der Islam als eine Religion der Unterwerfung. Was das arabische Wort ja auch explizit bedeutet. Sich ergeben in den Willen Gottes. Eine sich unterwerfende Unzeitmäßigkeit. Wobei wir vergessen, dass bei uns in früheren Zeiten Nonnen Jesus als ihren Bräutigam sahen und heute die evangelikalen Sekten und die esoterischen New Age-Gruppen, die Hinwendung zum buddhisti-schen Karma-Glauben und das Pilgern in Guru-Ashrams sprießlich gedeihen und genau das widerspiegeln, was die Suche Nadschwas uns klar macht: die Sehnsucht nach etwas Höherem, das uns Sinn gibt, dem wir uns gern unterordnen. Deutlich zeichnet die Lektüre die Ungeborgenheit in unserer Gesellschaft auf, die Innenräume durch Entfremdung und Marginalisierung. So wenden sich viele Migranten wieder ihrer ange-stammten Religion zu. Als Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit und den Ego-Trips der sog. Selbstverwirklichung. Back to the roots. Gewiss werden manche dieses „Zurück“ als rein rückwärtsgewandt sehen und es dem Islam als weiteres Negativum zuordnen. Ich finde es jedoch wichtig, über die Beweggründe der Einzelnen nachzudenken und die eigene gedankliche Verkapselung zu hinterfragen. „Die richtige Größe für seine eigene Welt zu haben und darum zu wissen, dass man selbst und die eigene Welt keineswegs festgeschriebene Dimensionen haben.“ (Jeanette Winterson:

Eine Orientierung

Almut Scheller-Mahmoud am 28.01.2022
Bewertungsnummer: 1646208
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Leila Aboulela konfrontiert uns mit Nadschwa, der Ich-Erzählerin dieses Romans. Er ist in sechs Kapitel gegliedert: zeitlich von 1984-2004 hin und her springend, was ich verwirrend finde. Er ist Schilderung einer Lebenssuche nach Geborgenheit, Zuneigung und Sicherheit mit vielen Irrungen und Wirrungen. Wir werden Zeuge dieser Auf und Abs, dieses Herausgeworfenseins aus einer afrikanischen Welt in eine graue und kühl-britische, aus einer Kindheit und Jugend einer verwestlichten Oberschicht in die Unsicherheit des Exils, ohne Eltern und Freunde, ohne Ressourcen. Ein Leben wie in einer Zwangsjacke. Nadschwas Leben in einer wohlhabenden einflussreichen Familie mit der zwillingssymbiotischen Beziehung zu ihrem Bruder Omar,„Und trotzdem lauerte in mir manchmal ein Schmerz wie von einer verheilten Wunde und Traurigkeit wie von einem vergessenen Traum“. Auf dem Campus der Uni sah sie betende Frauen, bewunderte die Choreographie ihrer Bewegungen. Sie fühlte eine starke Anziehungskraft zu dem politisch engagierten Anwar, obwohl er sie wegen ihrer Herkunft verspottete, ihren Lebensstil verachtete. Ein Putsch zwang Nadschwa, Omar und die Mutter überstürzt nach London abzureisen. Der Vater wurde verhaftet, ihre Ländereien und Häuser konfisziert, der Vater wegen Korruption angeklagt und gehängt. In London „…klaffte die Erde auseinander und wir stürzten in die Tiefe, entfremdeten uns voneinander, weil wir einander noch nie hatten fallen sehen.“ Die Mutter starb, Omar verbüßte eine sehr lange Haftstrafe, weil er fast einen Polizisten erstochen hatte. Nadschwa blieb allein, musste arbeiten. Ein Wiedersehen mit Anwar, der jetzt als politischer Flüchtling in London lebte. Sie wurden ein Paar trotz der unüberbrückbaren Unterschiede. In ihr wuchsen Schuldgefühle über die verlorene Jungfräulichkeit. Durch Wafâa erste Kontakte zur Moschee, wo sich Frauen regelmäßig zum Unterricht trafen. Diese Besuche wurden zu einer festen Konstante ihres Lebens. Sie begann den Hidschab zu tragen, die ramadanische Fastenzeit einzuhalten und Hoffnung zu nähren, dass Allah ihr ihr früheres Glück zurück geben bzw. ein anderes, neues Glück schenken würde. Anwar bezeichnete ihren Weg zum Glauben als Gehirnwäsche, er verstand nicht, dass Nadschwa in sich geborgen sein wollte und sich den „großen Dingen“ wie Meinungsfreiheit, Menschenrecht, Terrorismus entzog. Für sie war ihr Weg ein Peeling der Seele. Sie lernte den sehr religiösen Tamer kennen, viele Jahre jünger, es entwickelten sich zarte Gefühlsbande. Als sie sich küssten, wurden sie von seiner Schwester und ihrer Arbeitgeberin entdeckt. Aboulela gelingt es, die Seelennöte einer in die Fremdheit gestoßenen, lebensfremden jungen Frau nachvollziehbar zu schildern. Die aus der Wohlbehütetheit ihres bisherigen farbigen Lebens in ein glanzloses geworfen wird ohne jeglichen Kontakt zu Einheimischen. Die in ihren Liebes-beziehungen zu Anwar und Tamer scheiterte. Anwar, der sie nicht heiraten wollte. Dessen biologisch-rassistisch-reaktionäres Argument mich frösteln macht: er wollte Nadschwas geneti-sches Erbe, das Blut ihres Vaters, nicht in den Adern seiner Kinder fließen sehen. Also auch nur ein Lebenslügner, kein aufgeklärt-rationaler Systemveränderer, als den er sich selbst so gern sah. Und doch bleibt die weibliche Hauptfigur irgendwie blass und blutleer, mir fehlt kämpferischer Geist. Ein Auflehnen gegen ihr Schicksal, statt es passiv-depressiv zu akzeptieren. Wir als Leserinnen und Leser mögen diesen Lebensweg nicht nachvollziehen können: wir leben selbst meist ein rationales, areligiöses, angeblich zeitgemäßes Leben und uns erscheint der Islam als eine Religion der Unterwerfung. Was das arabische Wort ja auch explizit bedeutet. Sich ergeben in den Willen Gottes. Eine sich unterwerfende Unzeitmäßigkeit. Wobei wir vergessen, dass bei uns in früheren Zeiten Nonnen Jesus als ihren Bräutigam sahen und heute die evangelikalen Sekten und die esoterischen New Age-Gruppen, die Hinwendung zum buddhisti-schen Karma-Glauben und das Pilgern in Guru-Ashrams sprießlich gedeihen und genau das widerspiegeln, was die Suche Nadschwas uns klar macht: die Sehnsucht nach etwas Höherem, das uns Sinn gibt, dem wir uns gern unterordnen. Deutlich zeichnet die Lektüre die Ungeborgenheit in unserer Gesellschaft auf, die Innenräume durch Entfremdung und Marginalisierung. So wenden sich viele Migranten wieder ihrer ange-stammten Religion zu. Als Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit und den Ego-Trips der sog. Selbstverwirklichung. Back to the roots. Gewiss werden manche dieses „Zurück“ als rein rückwärtsgewandt sehen und es dem Islam als weiteres Negativum zuordnen. Ich finde es jedoch wichtig, über die Beweggründe der Einzelnen nachzudenken und die eigene gedankliche Verkapselung zu hinterfragen. „Die richtige Größe für seine eigene Welt zu haben und darum zu wissen, dass man selbst und die eigene Welt keineswegs festgeschriebene Dimensionen haben.“ (Jeanette Winterson:

Vom Minirock zum Hidschab...

https://lieslos.blog/ am 16.03.2021

Bewertungsnummer: 1456769

Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

London im Herbst 2003. Die Ich-Erzählerin Nadschwa betritt gerade ein Haus in einer piekfeinen Gegend. Sie will sich dort bei einer wohlhabenden arabischen jungen Frau vorstellen, um für sie und ihre Familie als Hausangestellte und Kindermädchen zu arbeiten. Dann entführt uns Leila Aboulela in die 1980-er Jahre nach Khartum, der Hauptstadt des Sudan, der vor seiner Unabhängigkeit de facto eine britische Kolonie war. Wir erleben dort den Alltag in einer privilegierten und westlich orientierten Oberschichtfamilie. Die 19-jährigen Zwillinge Nadschwa und Omar, Erstsemesterstudenten der Wirtschaftswissenschaften an der örtlichen Universität, sind die verwöhnten Kinder liebevoller und großzügiger Eltern, die sich jeglichen Luxus wie Reisen, Marmor und Silberbesteck sowie Angestellte in Haus und Garten leisten können. Bevor die Zwillinge zusammen das Wirtschaftsstudium begannen, genossen sie Privatunterricht und waren auf Privatschulen. Der Vater, der von einem Privatjet träumt, ist Stabschef des Präsidenten und die bezaubernde Mutter, Tochter einer vermögenden Familie, hält sich im Fitnessstudio fit, nimmt regelmäßig Friseurtermine wahr, um sich in der gehobenen Gesellschaft angemessen präsentieren zu können und engagiert sich für wohltätige Zwecke in Waisenhäusern und Gehörlosenschulen. Omar lässt sich ziemlich gehen und hat Fernweh. Er verschläft ständig, raucht Haschisch und würde am liebsten in London studieren. Nadschwa sorgt sich um ihn und nimmt ihn vor ihren Eltern, die seinen Lebenswandel und seine Einstellungen nicht gutheißen, in Schutz. Nadschwa ist eine moderne, emanzipierte und selbstbewusste junge Frau und eine der wenigen weiblichen Studenten und Autofahrer in Khartum. Auf der Uni verliebt sie sich in den Kommilitonen Anwar. Eine zarte Beziehung bahnt sich an, zerbricht aber bald, weil der politisch aktive Anwar ihren Vater in einer öffentlichen Rede, die er für die revolutionäre Demokratische Front, den studentischen Zweig der Kommunistischen Partei, hält, schwer beleidigt. Nadschwas Vater missbrauche laut Anwar seine Stellung in der Regierung und veruntreue Geld. Ein Telefonanruf spätnachts im Jahr 1985, in dem der Anrufer der Familie die Nachricht überbringt, dass es einen Militärputsch gegeben hat, markiert den Wendepunkt. Von da an geht es, beginnend mit Babas Verhaftung wegen Korruption und der Flucht der Mutter mit ihren Kindern nach London, steil bergab. Veränderung über Veränderung vollzieht sich... Leila Aboulela schreibt mitreißend, bildgewaltig und lebendig. Ich spürte die Hitze, hörte das Vogelgezwitscher und sah die Mangobäume vor mir. Ich roch den Duft des Jasmins und der Guaven genauso wie den Geruch nach Staub und Kloaken und hatte das Gefühl, gemeinsam mit der Protagonistin in der Moschee oder im unbequemen Bus zu sitzen. Ihr Roman ist ergreifend, bewegend und berührend. Die Szene in einem Waisenhaus für behinderte Kinder erwacht vor dem geistigen Auge und löst unweigerlich Mitgefühl aus. Eine weitere Szene in einem Bus, in der Nadschwa gedemütigt wird, erschreckte und empörte mich. „Minarett“ ist äußerst unterhaltsam und ich flog in kürzester Zeit durch die Seiten. Darüber hinaus ist die Lektüre sehr interessant und informativ, weil die Autorin eine den meisten westlichen Lesern ziemlich fremde Welt beschreibt. Sie ermöglicht Einblicke in Kultur, Tradition, Gesellschaft, Politik und Religion und schreibt über das Erleben von Entwurzelung in einer westlichen Welt. Unbedingt erwähnen möchte ich noch, dass ich Nadschwas Entwicklung zwar durchgehend interessiert, neugierig und offen, aber zunehmend kritisch betrachtet habe. Sie wuchs in einer betuchten Oberschichtfamilie im Sudan auf, lebte den glamourösen Alltag einer Elite und landete in den ärmlichen Verhältnissen ihres Londoner Exils. Sie wurde der Großfamilie und dem pulsierenden Leben entrissen und wurde zu einer einsamen Einzelgängerin. In kürzester Zeit verlor sie sämtliche wichtigen Bezugspersonen. Diese tiefgreifenden und einschneidenden Veränderungen verwirrten und erschütterten sie natürlich. Dass sie den Boden unter den Füßen verlor, weil die derart viele Schicksalsschläge zu verkraften hatte ist absolut nachvollziehbar. Dass die Zuflucht in eine religiöse Gemeinschaft Halt und Orientierung geben kann, ist ebenfalls gut nachvollziehbar. Allerdings wird mir die Religiosität als Möglichkeit eines Ausweges aus Einsamkeit, Verwirrung und Desorientiertheit etwas zu idealisiert und perfekt dargestellt. Ich bin westlich sozialisiert und nicht religiös. Dass Nadschwas fromme Selbstaufgabe auf mich befremdlich wirkt, ist nicht verwunderlich. Wie kritiklos und vertrauensselig sie das Heilsversprechen des Islam und ein extrem konservatives Frauenbild annimmt, wirkt auf mich äußerst naiv. Ich halte es aber für wichtig, Nadschwas Entscheidungen nicht zu belächeln oder zu verurteilen. Es wäre herablassend, überheblich und selbstgefällig. Leben und leben lassen! Ich empfehle den Roman „Minarett“ sehr gerne weiter. Er ist der zweite von bisher fünf Romanen der sudanesischen Autorin Leila Aboulela, die in Schottland lebt und auf Englisch schreibt. Das Buch erschien bereits 2003 und wurde nun erstmals ins Deutsche übersetzt. Es ist ein Roman, der zum Hinterfragen und Nachdenken anregt und der schon insofern etwas Besonderes ist, als dass er weniger von einer gelungenen oder misslungenen Integration oder Assimilation erzählt, wovon viele solcher Geschichten handeln, sondern mit Nachdruck von der erlösenden Hinwendung der Muslime zum öffentlich praktizierten Glauben erzählt.

Vom Minirock zum Hidschab...

https://lieslos.blog/ am 16.03.2021
Bewertungsnummer: 1456769
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

London im Herbst 2003. Die Ich-Erzählerin Nadschwa betritt gerade ein Haus in einer piekfeinen Gegend. Sie will sich dort bei einer wohlhabenden arabischen jungen Frau vorstellen, um für sie und ihre Familie als Hausangestellte und Kindermädchen zu arbeiten. Dann entführt uns Leila Aboulela in die 1980-er Jahre nach Khartum, der Hauptstadt des Sudan, der vor seiner Unabhängigkeit de facto eine britische Kolonie war. Wir erleben dort den Alltag in einer privilegierten und westlich orientierten Oberschichtfamilie. Die 19-jährigen Zwillinge Nadschwa und Omar, Erstsemesterstudenten der Wirtschaftswissenschaften an der örtlichen Universität, sind die verwöhnten Kinder liebevoller und großzügiger Eltern, die sich jeglichen Luxus wie Reisen, Marmor und Silberbesteck sowie Angestellte in Haus und Garten leisten können. Bevor die Zwillinge zusammen das Wirtschaftsstudium begannen, genossen sie Privatunterricht und waren auf Privatschulen. Der Vater, der von einem Privatjet träumt, ist Stabschef des Präsidenten und die bezaubernde Mutter, Tochter einer vermögenden Familie, hält sich im Fitnessstudio fit, nimmt regelmäßig Friseurtermine wahr, um sich in der gehobenen Gesellschaft angemessen präsentieren zu können und engagiert sich für wohltätige Zwecke in Waisenhäusern und Gehörlosenschulen. Omar lässt sich ziemlich gehen und hat Fernweh. Er verschläft ständig, raucht Haschisch und würde am liebsten in London studieren. Nadschwa sorgt sich um ihn und nimmt ihn vor ihren Eltern, die seinen Lebenswandel und seine Einstellungen nicht gutheißen, in Schutz. Nadschwa ist eine moderne, emanzipierte und selbstbewusste junge Frau und eine der wenigen weiblichen Studenten und Autofahrer in Khartum. Auf der Uni verliebt sie sich in den Kommilitonen Anwar. Eine zarte Beziehung bahnt sich an, zerbricht aber bald, weil der politisch aktive Anwar ihren Vater in einer öffentlichen Rede, die er für die revolutionäre Demokratische Front, den studentischen Zweig der Kommunistischen Partei, hält, schwer beleidigt. Nadschwas Vater missbrauche laut Anwar seine Stellung in der Regierung und veruntreue Geld. Ein Telefonanruf spätnachts im Jahr 1985, in dem der Anrufer der Familie die Nachricht überbringt, dass es einen Militärputsch gegeben hat, markiert den Wendepunkt. Von da an geht es, beginnend mit Babas Verhaftung wegen Korruption und der Flucht der Mutter mit ihren Kindern nach London, steil bergab. Veränderung über Veränderung vollzieht sich... Leila Aboulela schreibt mitreißend, bildgewaltig und lebendig. Ich spürte die Hitze, hörte das Vogelgezwitscher und sah die Mangobäume vor mir. Ich roch den Duft des Jasmins und der Guaven genauso wie den Geruch nach Staub und Kloaken und hatte das Gefühl, gemeinsam mit der Protagonistin in der Moschee oder im unbequemen Bus zu sitzen. Ihr Roman ist ergreifend, bewegend und berührend. Die Szene in einem Waisenhaus für behinderte Kinder erwacht vor dem geistigen Auge und löst unweigerlich Mitgefühl aus. Eine weitere Szene in einem Bus, in der Nadschwa gedemütigt wird, erschreckte und empörte mich. „Minarett“ ist äußerst unterhaltsam und ich flog in kürzester Zeit durch die Seiten. Darüber hinaus ist die Lektüre sehr interessant und informativ, weil die Autorin eine den meisten westlichen Lesern ziemlich fremde Welt beschreibt. Sie ermöglicht Einblicke in Kultur, Tradition, Gesellschaft, Politik und Religion und schreibt über das Erleben von Entwurzelung in einer westlichen Welt. Unbedingt erwähnen möchte ich noch, dass ich Nadschwas Entwicklung zwar durchgehend interessiert, neugierig und offen, aber zunehmend kritisch betrachtet habe. Sie wuchs in einer betuchten Oberschichtfamilie im Sudan auf, lebte den glamourösen Alltag einer Elite und landete in den ärmlichen Verhältnissen ihres Londoner Exils. Sie wurde der Großfamilie und dem pulsierenden Leben entrissen und wurde zu einer einsamen Einzelgängerin. In kürzester Zeit verlor sie sämtliche wichtigen Bezugspersonen. Diese tiefgreifenden und einschneidenden Veränderungen verwirrten und erschütterten sie natürlich. Dass sie den Boden unter den Füßen verlor, weil die derart viele Schicksalsschläge zu verkraften hatte ist absolut nachvollziehbar. Dass die Zuflucht in eine religiöse Gemeinschaft Halt und Orientierung geben kann, ist ebenfalls gut nachvollziehbar. Allerdings wird mir die Religiosität als Möglichkeit eines Ausweges aus Einsamkeit, Verwirrung und Desorientiertheit etwas zu idealisiert und perfekt dargestellt. Ich bin westlich sozialisiert und nicht religiös. Dass Nadschwas fromme Selbstaufgabe auf mich befremdlich wirkt, ist nicht verwunderlich. Wie kritiklos und vertrauensselig sie das Heilsversprechen des Islam und ein extrem konservatives Frauenbild annimmt, wirkt auf mich äußerst naiv. Ich halte es aber für wichtig, Nadschwas Entscheidungen nicht zu belächeln oder zu verurteilen. Es wäre herablassend, überheblich und selbstgefällig. Leben und leben lassen! Ich empfehle den Roman „Minarett“ sehr gerne weiter. Er ist der zweite von bisher fünf Romanen der sudanesischen Autorin Leila Aboulela, die in Schottland lebt und auf Englisch schreibt. Das Buch erschien bereits 2003 und wurde nun erstmals ins Deutsche übersetzt. Es ist ein Roman, der zum Hinterfragen und Nachdenken anregt und der schon insofern etwas Besonderes ist, als dass er weniger von einer gelungenen oder misslungenen Integration oder Assimilation erzählt, wovon viele solcher Geschichten handeln, sondern mit Nachdruck von der erlösenden Hinwendung der Muslime zum öffentlich praktizierten Glauben erzählt.

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von Leila Aboulela

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