»Ich beschliesse, die Nacht genau hier, am Waldrand, zu verbringen. Mir ist nicht mehr kalt, ich habe die Augen geöffnet, sehe aber nirgendwohin. Ich sehne mich nicht mehr nach dem nächsten Tag, bereue nicht, dass ich den zurückliegenden am Rechner verbracht habe. Ich bin hier. Alle Anspannung ist abgefallen. Es ist der Moment, der süchtig macht.«
Björn Kern ist nicht am Amazonas und nicht in eisigen Höhen unterwegs, sondern auf wenigen Metern über Normal Null, gleich vor der eigenen Haustür. Aber auch hier lauern existentielle Erfahrungen, wie sich zeigt, auch hier begegnen ihm Angst und Rausch und Begeisterung. Sinnlich und literarisch brillant offenbart er einen Ausweg für alle, die rauswollen, ohne aussteigen zu können. Für sie, die Sehnsüchtigen, ist diese magische Freiheitsfibel geschrieben.
Doch beim Draussensein geht es nicht nur um das Freilegen weggeklickter Sinne. Das Draussensein hilft auch dabei, die Massstäbe wieder zurechtzurücken. Neues iPhone? Flug auf die Antillen? Autofahrt zur Plastikfolie? Wirklich? Im Freien zeigt sich, dass das richtige Leben im falschen, mit etwas Glück, zu finden ist.
Meine Meinung
Meine Vorstellung von im Freien bzw. draußen sein unterscheidet sich sehr von der des Autors. Am Ende der Lektüre schließe ich das Buch und überlege was das eigentlich ist, das Björn Kern ein Jahr lang praktizierte und von dem er in diesem Buch erzählt.
Meine Vorstellung von “Back to Nature” und Abenteuer erleben hat nichts mit dem zu tun, was Björn Kern macht, obwohl der Beginn noch ganz lustig war.
Es ist März, im Büro quält er sich, bringt nichts zustande, mit dem er zufrieden ist und merkt, dass ihn die Natur ruft. Er möchte ins Draußen, was für ihn bedeutet, raus aus dem Alltag, dem Eingesperrtsein im kommerziellen Leben, den Pflichten, der Ausbeutung der Umwelt, den Gepflogenheiten der Gesellschaft usw. Im Draußen bedeutet auch für ihn diesen Prozeß im Kopf zu vollziehen. Erst wenn er auch im Kopf losgelassen hat, ist er gänzlich frei. Manchmal dauert es einige Zeit, bis er sich auch im Kopf draußen fühlt, obwohl er bereits draußen in der Natur ist.
“Und da ist er wieder, der Moment. Der Moment, den ich nur vom Draußensein kenne. Ich spüre das Adrenalin, die totale Wachheit, eine ungekannte Energie. Ich fühle mich aufgeputscht, in einem Zustand rigider Klarheit. Es ist die absolute Präsenz. (Buch S. 11)
So beschließt er ganz spontan eine Nacht im nahegelegenen Wald zu verbringen. An einem Unterschlupf mit Grillstelle, Bank und Überdachung. Doch es packt ihn die Angst, nachdem er ein Bellen hört und seine Gedanken nicht abschütteln kann. Sein Feuer ist abgebrannt, die Äste knacken und leuchtende Punkte starren ihn an. Er flieht so gut und so schnell es geht wieder raus aus dem Wald.
Dieses Abenteuer und noch viele weitere erlebt der Autor, wenn ihn das Nahweh packt. Denn seiner Meinung nach muss man nicht in die Ferne schweifen, wenn die gute Natur vor der eigenen Türe ruft.
Doch Björn Kern praktiziert eine sehr extreme Variante von im Draußensein. Nachts über die Gleise Richtung Osten spazieren. Mit dem Sohn zum schlimmsten Zeitpunkt, bei Gewitter, Blitzen und furchtbarem Regenschauer Zelten zu gehen, in der Oder schwimmen, obwohl dies wegen starken Strömungen verboten ist. Und schließlich Eisschwimmen im Januar, ganz alleine, in einem zugefrorenem See, ganz spontan, ohne richtige Vorkehrungen getroffen zu haben, für den Fall, dass was passiert.
“Ich wäre nicht der Erste, der von der Strömung abgetrieben wird und das Ufer nicht mehr erreicht. Aber was tun, wenn das Nahweh größer ist als die Vernunft? Wenn eine Kraft ausgeht von dieser Nacht, von diesem Fluss, gegen die eine paar Millionen Synapsen machtlos sind?” (Buch S. 154)
Dies ist für mich nicht mehr nur die Natur zu erleben, sich vom Alltag zu befreien. Björn Kern braucht eine Art Naturkick, das Adrenalin, um Natur fühlen zu können. Es ähnelt diesen Extremsportlern, die immer höher, immer weiter gehen, um den nächsten Adrenalinkick zu bekommen und sich lebendig zu fühlen.
Trotz Familie und Kind sucht er diese Extreme und auch Gefahr. Wäre er ein Single, könnte ich noch einigermaßen darüber hinwegsehen aber als Elternteil sehe ich es nicht als angebracht.
Es ist ein sehr persönliches Buch, das sich für mich eher nach einer Art Suche im Leben anhört, als aus dem Alltag ab und zu auszubrechen und ein Nahweh nach der Natur zu haben.
Fazit
Alle, die etwas darüber erfahren wollen, wie man schnell, leicht, spontan und kostengünstig aus seinem Alltag in die Natur vor der Nase ausbrechen kann, werden hier enttäuscht werden.
Empfehlen kann ich dieses Buch denjenigen Leser*innen, die erfahren wollen, welche extremen Erlebnisse der Autor im Oderbruch, im Märkischen Wald in Brandenburg ein Jahr lang gemacht hat. Manche sind skurril, manche lustig und andere gefährlich. Ich jedenfalls hatte andere Erwartungen an das Buch.
Die Natur steht vor der Tür
Bewertung aus Freudenberg am 09.01.2020
Bewertungsnummer: 1282169
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Klapptext:
Von der revolutionären Kraft, draußen zu sein. »Ich beschließe, die Nacht genau hier, am Waldrand, zu verbringen. Mir ist nicht mehr kalt, ich habe die Augen geöffnet, sehe aber nirgendwohin. Ich sehne mich nicht mehr nach dem nächsten Tag, bereue nicht, dass ich den zurückliegenden am Rechner verbracht habe. Ich bin hier. Alle Anspannung ist abgefallen. Es ist der Moment, der süchtig macht.« Björn Kern ist nicht am Amazonas und nicht in eisigen Höhen unterwegs, sondern auf wenigen Metern über Normal Null, gleich vor der eigenen Haustür. Aber auch hier lauern existentielle Erfahrungen, wie sich zeigt, auch hier begegnen ihm Angst und Rausch und Begeisterung. Sinnlich und literarisch brillant offenbart er einen Ausweg für alle, die rauswollen, ohne aussteigen zu können. Für sie, die Sehnsüchtigen, ist diese magische Freiheitsfibel geschrieben. Doch beim Draußensein geht es nicht nur um das Freilegen weggeklickter Sinne. Das Draußensein hilft auch dabei, die Maßstäbe wieder zurechtzurücken. Neues iPhone? Flug auf die Antillen? Autofahrt zur Plastikfolie? Wirklich? Im Freien zeigt sich, dass das richtige Leben im falschen, mit etwas Glück, zu finden ist.
Meine Meinung:
Ich hatte mir eigentlich etwas anderes vorgestellt.Ein Buch über das Leben und in der Natur und im Wald mit allen seinen Vor und Nachteilen.Deshalb war ich anfangs etwas skeptisch.Doch schon nach den ersten Seiten hat mich Björn Kern mit dieser Lektüre begeistert.
Der Schreibstil ist leicht,locker und flüssig.Der Autor nimmt mich mit auf eine Reise in die wunderschöne Landschaft des Oderbruches.Gefangen in seinem Alltagsleben versucht er so für einige Zeit diesem zu entfliehen.Er beschreibt uns seine Sehnsucht und lässt uns an seinen Gedanken teilhaben.Offen und ehrlich schreibt er seine Ängste die er während seiner meist nächtlichen Erkundungstouren hat.Seine Liebe zur Natur merkt man dem Autor richtig an.Durch die sehr ansprechende und bewegende Erzählweise wurde ich förmlich in die Geschichte hinein gezogen.Ich konnte mir richtig vorstellen wie sich Björn Kern füllt und konnte ihn verstehen.Es ist heut zutage sehr schwer den Alltag zu meistern ohne sich müde und kraftlos zu fühlen.Da hilft der Weg in die Natur welche gleich vor der Tür ist um abzuschalten und sich zu erholen.Ich fand es einfach toll wie der Autor seine Emotionen und Gefühle zeigt.Viel zu schnell war ich am Ende des Buches angelangt.Ich hätte noch ewig weiter lesen können.
Auch das Cover finde ich sehr schön.Ich hatte sehr lesenswerte Stunden mit dieser Lektüre und danke dem Autor dafür.