Glasgow im Juli 1973. Die Stadt leidet unter einer Hitzewelle. Der Drogenhandel boomt. Eines seiner prominentesten Opfer ist Bobby March, der berühmteste Rockstar der Metropole, der mit einer Überdosis tot in einem Hotel gefunden wird. Detective Harry McCoy hat kaum die Ermittlungen aufgenommen, da soll er nebenbei die halbwüchsige Nichte seines Chefs finden , die ihr gutbürgerliches Elternhaus verlassen hat und in der Unterwelt Glasgows abgetaucht ist. Zu allem Überfluss verschwindet ein weiteres junges Mädchen spurlos. Die Stimmung kippt. Die Menschen wollen einen Schuldigen. Doch wie soll McCoy diesen finden, wenn es keine Unschuldigen gibt?
Die Krimireihe um den Glasgower Cop Harry McCoy habe ich erst kürzlich für mich entdeckt, für extrem gut und spannend befunden, und hab mich jetzt gefreut, gleich mit Band 3 weiterzumachen. Wir sind im Jahr 1973, und nachdem die ersten 2 Bände im Januar und Februar gespielt haben, sind wir jetzt im Juli 73. Der „March“ im Titel ist nicht auf den Monat März bezogen, nein, Bobby March, Namensgeber dieses Bandes, ist Glasgows vielversprechende Antwort auf die Rolling Stones, er ist der Held der Gitarre, der ungekrönte schottische King der Popmusik. Leider noch nicht wirklich gross rausgekommen, aber kurz davor. Er ist jung, er ist talentiert, und leider auch sehr tot nach einer Überdosis Heroin, und Harry McCoy hat das zweifelhafte Vergnügen, die Leiche zu finden.
Allerdings bewegt zeitgleich ein ganz anderer Fall die Stadt: ein junges Mädchen wurde entführt, und die Suche nach ihr scheint keine Ergebnisse zu bringen. McCoy ist von diesem Fall abgezogen, sein ärgster Konkurrent Braeburn leitet die Ermittlungen, und Braeburn braucht einen Schuldigen.
McCoy darf unterdessen undercover nach der ausgerissenen Nichte seines Chefs suchen – Laura, die, wie sich schon bald zeigt, durchaus ihre Gründe hatte, ihr gutbürgerliches Elternhaus zu verlassen. Und ausserdem hat man ihm als Arbeitsbeschaffungsmassnahme das Aufarbeiten einiger Raubüberfälle aufgebrockt, bei denen die Kollegen nicht mehr weiterkamen.
So gibt es hier gleichzeitig mehrere Baustellen für die Polizei in Glasgow, und Alan Parks versteht es wieder meisterlich, alle Erzählstränge miteinander zu einem spannenden Thriller zu verweben. Und am Ende sind tatsächlich jegliche Fragen und offenen Enden beantwortet.
Was die Reihe um McCoy ausmacht, ist die Atmosphäre: das Glasgow der 70er scheint ein Sumpf an Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Korruption und Bestechung, und , so der Klappentext, „Detective Harry McCoy ist so noir, dass die anderen schottischen Cops dagegen hellgrau erscheinen“ – dem stimme ich zu. McCoy ist die coolste Socke von allen und schreckt vor keiner Prügelei zurück. Und trotz seiner eigenen Verbindungen zur lokalen Unterwelt ist McCoy nicht bestechlich, er ist sozusagen der „Gute“, der auch mal unkonventionelle Lösungen findet. Mir fällt hier immer wieder der Vergleich mit Schimanski ein, der war ähnlich gestrickt, und der Ruhrpott der 80er, in dem diese Tatorte spielten, kommen mir auch ähnlich düster angehaucht vor wie das Glasgow McCoys.
Ach, apropos Authentik und Atmosphäre: die 70er waren auch durchaus mit Flower Power besetzt und dubioser Mode….ich musste des öfteren grinsen, wenn beispielsweise die rasende Reporterin Mary in Hotpants und Plateauschuhen die Bühne betritt. 70ies live.
Parks hat früher bei Warner Music gearbeitet, und kennt sich in der Musikszene aus. Das merkt man speziell diesem Buch auch immer wieder an; hier gibt es viele Reminiszenzen an Bands und Events der damaligen Zeit, was ich echt interessant fand. Bobby March ist natürlich fiktiv, aber genau so könnte es gewesen sein.
Ich fand das Buch brilliant. Ich mag den Erzählstil von Parks. Flüssig geschrieben (ich weiss, dieses „flüssig“ hört sich blöd an, aber ich habe in letzter Zeit recht viele literarische und stilistische Experimente in der Hand gehabt, ich sehe es mittlerweile nicht mehr als selbstverständlich an, wenn ein Roman sich flott weglesen lässt….!), gut geplottet, echte Figuren – ich kaufe Parks jede Zeile ab.
Ich freue mich schon auf die nächsten Bände!!
Lokalkolorit – Zeitkolorit - Spannung- …alle Daumen hoch!
BOBBY MARCH WILL LIVE FOREVER - Düsterer Noir-Krimi vor der Kulisse Glasgows in den 1970-er Jahren
j.h. aus Berlin am 17.11.2021
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Juli 1973 in der schottischen Hafenstadt Glasgow. Der aufsteigende, in Glasgow geborene Rockstar Bobby March wird tot in einem Hotel aufgefunden - offensichtlich nach einer heftigen Überdosis. Selbstmord oder Mord - diese Frage muss Detective Harry McCoy klären. Im anderen Teil der Stadt verschwindet unterdessen ein 13jähriges Mädchen scheinbar spurlos. Und aus diesen Ermittlungen will McCoys neuer Chef Detective Inspector Raeburn ihn heraushalten. Beide sind sich wegen gemeinsamer Arbeit Jahre zuvor in hasserfüllter Abneigung verbunden. Ohne vorliegende Beweise nimmt Raeburn einen seiner Meinung nach Schuldigen in Haft und erpresst ein Geständnis - mit katastrophalen Folgen ...
Alan Parks, der in Schottland geboren wurde und in Glasgow Philosophie studierte, legte mit BLOODY JANUARY 2017 ein beeindruckendes Roman-Debüt vor, an das er mit FEBRUARY'S SON (2019) und den hier vorliegenden dritten Band BOBBY MARCH WILL LIVE FOREVER (2020) direkt anknüpft. Die Neo-Noir-Thriller entwerfen ein fast filmisches Bild der 1973 nahezu hoffnungslos darniederliegenden schottischen Hafenstadt Glasgow. Die treffende Milieuschilderung und die marginalen Unterschiede zwischen Polizei und Unterwelt (sowie deren immer offensichtlichere Symbiose) erinnern an die Werke des amerikanischen Autors James Ellroy. Steigende Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung haben zu einem Klima von Depression und Gesetzlosigkeit geführt. Legale und illegale Drogen scheinen der einzige Weg, der bedrückenden Realität zu entfliehen. Zwischen Polizei und Gangstern besteht ein fragiles Gleichgewicht, das die Unterschiede zu marginalisieren scheint. Sehr authentisch sind im vorliegenden Band auch die Einblicke in die drogengeschwängerte Rock-Ära der 1970er Jahre. Polizei-Detective Harry McCoy, gerade 30, hat nach einer schweren Jugend bei einem alkoholabhängigen Vater und in Kinderheimen im Polizeidienst einen bemerkenswerten Aufstieg geschafft. Dennoch betäubt er sich täglich mit Alkohol und Drogen. Sein bester Freund aus der Jugend steht als schlagwütiger psychopathischer Gangster auf der anderen Seite. Auch Harry hätte wohl auf jener Seite landen können. Nur schwer kann der gebrochene Held Harry McCoy den Dämonen seiner Vergangenheit entrinnen. Mit seinem unerfahrenen Partner Watson (genannt Wattie) beginnt Harry Ermittlungen, die einen Sumpf von Korruption sichtbar machen … Die Handlung von BOBBY MARCH WILL LIVE FOREVER spielt an 9 Tagen im Juli 1973. Und Harry McCoy kommt zurück: "The April Dead" ist im englischen Original bereits im März 2021 erschienen.
Das unter dem Titel BOBBY MARCH FOREVER in der HARDCORE-Reihe bei HEYNE in hervorragender Übersetzung von Conny Lösch erschienene Buch ist Fans des klassischen harten Kriminalromans vorbehaltlos zu empfehlen - auch in Unkenntnis der beiden vorhergehenden Romane.