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Diskriminierung erzeugt Vorurteile
ausgebucht.blog am 07.09.2021
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Was passiert mit der eigenen Identität, mit dem ethnischen Zugehörigkeitsgefühl eines Menschen, wenn dieses immer wieder negativiert wird, verantwortlich gemacht wird für alles Ungemach, ja sogar von vornherein der Möglichkeit einer glücklichen Zukunft jegliche Hoffnung entzogen wird?
Emma Lou wird seit sie denken kann eingeredet, dass sie mit ihrer tiefschwarzen Haut nichts Gutes vom Leben zu erwarten hat. Jedes Unglück, jede Enttäuschung bezieht sie folglich auf diesen "Makel", fühlt sich beobachtet, hässlich, minderwertig. Sie verlässt ihre Familie um zu studieren und soziale Kontakte zu knüpfen, die ihrem Anspruch genügen und landet letztendlich nach vielen Enttäuschungen in Harlem.
Doch ist die Geschichte so einfach? Ist sie ein Opfer der Gesellschaft? Geprägt von den sich wiederholenden Vorurteilen verhält sie sich nicht besser. Hier geht es nicht allein um die Diskriminierung, die jemand seiner Hautfarbe wegen erfährt, es geht vielmehr um Diskriminierung, die aufgrund eigener Erlebnisse an andere weiter gegeben wird.
"Die Unvermeidbarkeit der Zurückweisung! Die Bestürzung über trübe Perspektiven... Der zwanghafte Bezug auf sich selbst... Die Verbreitung des Schlangengifts von der Bissstelle aus."
Ein Manifest über die Folgen von Vorverurteilung, die sich wie Gift verbreitet und das Selbstbewusstsein und Selbstakzeptanz unterminiert. Daraus entsteht eine Doppelmoral, denn je dunkler die Haut eines Mitmenschen, umso größer ist Emma Lous Abneigung, sie definiert schließlich zwischenmenschliche Beziehungen über Äußerlichkeiten, ungeachtet der Persönlichkeit des Anderen.
Wallace Henry Thurman war Journalist und Autor. Zur Zeit der Harlem Renaissance wendete er sich mit seinen Texten vornehmlich an "Persons of Color", er selbst war Afroamerikaner und hatte sehr dunkle Haut. Ich fühle mich von seinem großartig geschriebenen Roman jedoch absolut mitgenommen und einbezogen. Auch nach über 90 Jahren hat seine "Novel of Negro Life" - so der Untertitel - Aktualität und ist ein wertvoller Beitrag gegen Rassismus und Diskriminierung, egal von wem und gegen wen. Diskriminierung schürt eigene Vorurteile.
Thurman starb 1934 an - wie Karl Bruckmaier es im Nachwort beschreibt - "Alkoholismus, Depressionen, Tuberkulose und dem ganzen Rest". In seinem biografisch beeinflussten Werk wird sehr gut die Stimmung in der schwarzen Gesellschaft der 20er Jahre übermittelt, deren homogene Identität Thurman als Trugschluss bewertete. Hochinteressant ist die beigefügte Tabelle der verschiedenen Abstufungen der Hautfarben, die sehr eindrucksvoll zeigt, welch große Unterschiede gemacht wurden und wie fixiert man auf dieses Thema war.
1929 veröffentlicht und nun wunderbar von Heddi Feilhauer übersetzt, ist die Novelle erstmals auf deutsch bei Ebersbach und Simon erschienen. Ich spreche eine große Leseempfehlung aus!