»Poetisch, zart und geheimnisvoll.« Jury des National Book Awards for Translated Literature 2021.
Claire, eine junge Schweizerin, verbringt den Sommer in Tokio bei ihren Grosseltern. Sie möchte mit den beiden eine letzte grosse Reise unternehmen – nach Korea, ihrer Heimat. Seit dem Krieg sind sie nicht mehr dort gewesen. Der Grossvater betreibt nun in Tokio ein Pachinko, eine Spielhalle mit Flipperautomaten, die ihm sehr ans Herz gewachsen ist. Während die Alten die Reise immer wieder aufschieben, betreut Claire die kleine Mieko – ein japanisches Mädchen, das allein mit seiner Mutter lebt. Es ist der Beginn einer aussergewöhnlichen Freundschaft ….
Elisa Shua Dusapin erzählt meisterhaft von den Generationen und von der Sehnsucht nach Heimat.
Claire, eine junge Schweizerin, verbringt ihren Sommer bei den betagten Großeltern in Japan. Der Plan ist, zusammen nach Korea zu reisen, welches die Großeltern vor 50 Jahren verlassen haben. Doch bei allem was die Reise betrifft, blocken die Großeltern ab und hüllen sich in Schweigen.
Der 90-jährige Großvater geht noch jeden Tag in die Arbeit - in seine Pachinko-Spielhalle, und diese kann er unmöglich längere Zeit alleine lassen. Die Großmutter verbringt den Tag damit ihre zahlreichen Playmobil Figuren aufzubauen und deren Haare zu wechseln.
Um sich nicht ganz so sehr zu langeweilen, beginnt Claire bei der 10-jährigen Mieko Nachhilfe zu geben und zwischen den beiden entwickelt sich eine besondere Freundschaft.
Ein zartes, berührendes, leicht melancholisches Büchlein über Heimat, Herkunft und Generationenkonflikten.
Sehnsucht nach Heimat
mimitatis_buecherkiste aus Krefeld am 09.01.2023
Bewertungsnummer: 1856856
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Claire kommt aus der Schweiz nach Tokio, um den Sommer bei ihren Großeltern zu verbringen und mit den beiden im Anschluss daran eine Reise nach Korea zu unternehmen, das Heimatland der beiden. Die Großeltern leben seit fünfzig Jahren in Japan und haben ihre Heimat seitdem nicht wiedergesehen, trotzdem wird die Reise totgeschwiegen, die Großmutter ist seltsam entrückt, der Großvater kümmert sich hingebungsvoll um seine Pachinko-Halle. Um sich die Zeit zu vertreiben, kümmert sich Claire um die zehnjährige Mieko, die allein mit ihrer Mutter lebt.
„Es ist nicht meine Schuld, denke ich, wenn ich nichts erzähle. Wenn ich das Koreanische vergesse. Es ist nicht meine Schuld, wenn ich Französisch spreche. Ich habe für euch Japanisch gelernt. Das sind die Sprachen der Länder, in denen wir leben.“ (Seite 98)
Zu Beginn war ich mir nicht sicher, um was es in dem Buch eigentlich geht. Anfangs lag der Fokus auf dem betreuten Kind, aber nach und nach rückte die Familiengeschichte von Claire in den Vordergrund und ab da wurde es interessanter und emotionaler. Die Beziehung Claires zu ihren Großeltern, die vor der Teilung Koreas nicht ganz freiwillig nach Japan emigriert sind, wie damals viele andere Koreaner auch, ist nicht ganz so einfach; die alten Leute weigern sich, japanisch mit ihrer Enkelin zu sprechen, die wegen ihnen die Sprache gelernt hat, dafür aber die koreanische Sprache nicht beherrscht. Diese Tatsache, dazu Claires Suche nach Identität und die Frage, was Heimat nun eigentlich ist, führen zu Konflikten, die eine Belastung für alle Beteiligten sind. Die Kluft zwischen den Generationen hat die Autorin glaubhaft dargestellt, ich konnte den Frust und die Verzweiflung von Claire nachfühlen und war gespannt, worauf das Ganze hinausläuft.
Die Auflösung hat mir gefallen, obwohl ich überrascht war, denn gerechnet habe ich damit nicht. Eine zauberhafte Geschichte, die mich berührt hat und lediglich die manchmal seltsame Satzstellung und das ein oder andere mir unbekannte Wort möchte ich bemängeln, wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies der Übersetzung geschuldet ist. Gerne vergebe ich vier Sterne und eine Leseempfehlung.
Meinungen aus unserer Buchhandlung
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Eine kleine, feine Erzählung über Identität und Familie, zwischen Japan, Korea und der Schweiz.
Die 30-jährige Ich-Erzählerin Claire will mit ihren koreanischen Grosseltern, die seit dem Koreakrieg in Japan leben und dort ein Pachinko betreiben, nach Korea reisen. Doch obwohl die Grosseltern, beide etwa 80 Jahre alt, sich dies schon lange gewünscht haben, scheinen sie nun, da die Reise kurz bevorsteht, doch nicht zu wollen. Die Zeit des Wartens verbringt Claire mit Mieko, einem 10-jährigen Mädchen, dem sie in den Ferien Französisch-Unterricht gibt.
Toll fand ich die kulturellen Bezüge zu Japan, zu Tokyo, der koreanischen Gemeinschaft innerhalb Japans und der Sprache. Gerade die Sprachbarriere ist es, die für Spannungen sorgt: zwischen Claire und Miekos Mutter, Henriette, zwischen Claire und der Grossmutter, zwischen der Grossmutter und der Gesellschaft. Markant der Satz, Claires Urgrossmutter habe sich damals lieber ihre Zunge herausgeschnitten als Japanisch lernen zu müssen. In solchen Sätzen stecken viel Geschichte und Emotionen.
Gut gefallen hat mir ebenfalls, dass die Erzählung im Präsens gehalten ist, weil sie das unmittelbar werden lässt und ich das Gefühl hatte, ich sei gleich mit Claire in Japan. Gleiches gilt für die Beschreibung der Geräusche, die dem Geschehen Lebendigkeit verliehen.
Nur mit Claire und den anderen Figuren bin ich nicht wirklich warm geworden. Schade fand ich, dass sie isoliert blieben, dass Mieko und die Grosseltern sich nie kennenlernten, auch wenn das Miekos Wunsch war. Dass auch Claire sich bei den Grosseltern, teils aus einem eigenen Bedürfnis, teils von der Grossmutter dazu gedrängt, isolierte. Gelegentlich brachte die Autorin Fragen oder Themen ins Spiel, denen sie dann jedoch nicht mehr folgte. So scheinen Kinder ein Thema bei Claire und ihrem Freund gewesen zu sein. Wie jedoch die Haltung der beiden dazu war, wird nur angedeutet, nicht aber thematisiert – was die Frage aufwirft, warum es überhaupt angesprochen wurde? Claire scheint sich in Japan in einer Art Vakuum zu befinden – zwei Masterabschlüsse hat sie (meine ich mich zu erinnern), doch was kommt jetzt? Auch der Frage wird nicht nachgegangen, es bleibt einfach ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Und so fand ich auch das Ende irgendwie nicht ganz befriedigend, ohne spoilern zu wollen.
Elisa Shua Dusapin hat einen Roman geschrieben, der realistisch ist – schliesslich ergibt sich auch in unserem Leben nicht alles von Jetzt auf Gleich, gibt es Zeiten der Unentschlossenheit, der Isolation von unseren Mitmenschen. Gerade die Identitäts-Thematik und die daraus resultierenden Gräben schildert sie glaubhaft und mit viel sprachlichem Feingefühl. Nur mich persönlich hat ihr Roman leider nicht ganz begeistern können.
Aus dem Französischen von Andreas Jandl.