Lacy Stoltz hat als Anwältin bei der Gerichtsaufsichtsbehörde in Florida schon viele Fälle von Korruption erlebt. Seit sie einer Richterin, die Millionen abkassiert hat, das Handwerk legte, ist sie sogar zu gewisser Berühmtheit gelangt. Doch nun wird sie mit einem Fall konfrontiert, der jenseits des Vorstellbaren liegt: Denn der Richter, gegen den sie ermittelt, nimmt anscheinend keine Bestechungsgelder von Leuten. Er nimmt ihnen das Leben.
Ein perfekt mordender Soziopath - aber kein perfektes Buch
Knusper Hexe am 06.12.2024
Bewertungsnummer: 2357694
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Ich war mit John Grisham bisher wenig vertraut, bin zwar schon häufiger über Buchtitel von ihm gestolpert, aber es kam bisher zu keinerlei leseintensiven Berührungspunkten.
"Der Verdächtige" war also mein erstes Buch von J.G. und, so viel sei schon mal verraten, ich habe danach auch sofort noch ein anderes von ihm angefangen ("Das Talent"), von daher kann man schon mal postulieren: Es hat auf keinen Fall abschreckende Wirkung und, was auch wichtig sein könnte: obwohl das hier eigentlich eine Fortsetzung der Geschichte von Lacy Stoltz ist, kann man problemlos auch dieses Buch lesen. Die Querverweise zum ersten Band sind eher vage sowie minimalvasiv und gut genug erklärt, das man wenig bis gar keine Informationslücken dadurch vorfindet.
Aber fangen wir noch mal von vorn an. Diese Buch hier hat ja auch eine Geschichte - auf die ich jetzt nicht zu rigoros eingehen werde, immerhin steht ja schon genügend in anderen Reszenzionen und dem Klappentext, das ist durchaus ausreichend um als eventuell Interessierte(r) von der Grundidee des Buches überzeugt zu sein, oder eben nicht.
Obwohl ich gar keine der handelnden Personen dieses Buches von vornherein kannte, kam ich vom Start weg ganz gut rein. Lacy ist durchaus sympathisch und nachvollziehbar, ihr Leben aber etwas trist und facettenlos - bis sie von einer extrem verunsicherten, aber überzeugten und kompetenten Frau auf einen Fall angesetzt wird, den sie nicht so recht glauben und irgendwie auch nicht so recht übernehmen möchte. Dem Leser geht es vielleicht auch so wie Lacy, aber nicht unbedingt mit dem Fall, sondern eher mit der Geschichte selbst. Die Grundzüge sind spannend, die gelegten Fährten durchaus interessant zu verfolgen - und dennoch schummeln sich hier dermaßen viele in die Länge gezogenen Passagen des Zweifelns, der Unentschiedenheit und der Entscheidungsparalyse in die Lektüre, dass man auch selbst gern mal das Buch zu Seite legen und ein wenig "muss ich hier weiteren lesen?" Potential aufbauen lassen muss, damit es weiter geht. Denn was dieser Geschichte zu Grunde liegt, ist eben ein Wissensvorsprung des Lesers gegenüber der handelnden Person. Wir wissen relativ schnell, wer hier der echte und tatsächlich existierende Mörder ist. Die Geschichte windet sich aber gern noch 5 Rekursionsspiralen in den Text, als ob es diese Art von Unsicherheit noch bräuchte um Spannung aufzubauen. Tut es aber eben nicht, denn wir wissen es ja schon - und es hat eher was Frustrierendes einer Handlung zu folgen, deren "richtigen Entschluss" man schon kennt, dabei aber das Gefühl bekommt der Autor macht noch eins auf Spannungsaufbau, was natürlich komplett verpufft. Zeitweise hatte ich das Gefühl 2 unterschiedliche Autoren zu lesen, die exakt die gleiche Geschichte schreiben, nur eben aus dem Betrachtungswinkel unterschiedlicher Akteure. Zum einen bekommt man den "Who done it?-Krimi" Aufbau auf Seiten Lacy und zum anderen bekommt man die "Ich bin euch immer einen Schritt voraus!" Sichtweise des Mörders. Das kann man so machen! Es gibt bestimmt einige Krimiromane, die so einen Aufbau sehr geschickt miteinander verweben. Hier hat es für mich aber wirklich nur partiell funktioniert. Vor allem deshalb, weil unser perfekter Mörder ein absoluter Übermensch bzw. "Genie" ist. Eine Tatsache, die Grisham, bzw. unsere handelnden Personen (egal welche, auch der Mörder selbst) nicht müde werden herauszustellen. Keine Ahnung wer hier überhaupt von was überzeugt werden soll. Der Leser von der Tatsache, dass der Mörder wirklich übermäßig schlau ist oder soll man diese Lorbeeren sogar dem Autor selbst anrechnen, was für eine grandiose Figur er da erschaffen hat?
Funktioniert auf jeden Fall nicht wirklich, denn wie so häufig übergeht der Autor damit den "Show, don´t tell!" Effekt. Anstatt uns wirklich Gründe zu liefern den Mörder für schlau zu halten, wird es uns halt immer wieder und wieder gesagt. Die Wiederholung einer Dummheit allein reicht aber nicht aus, um sie intelligent zu machen. Natürlich bekommen wir auch die Handlungsweise des Richters ausführlich geschildert, bei welcher er immer innerhalb kürzester Zeit zu den bahnbrechendsten Erkenntnissen gelangt (und dabei nie Spuren hinterlässt). Das ist nur leider so übertrieben dargestellt, dass es unwirklich wird. Anstatt mit dieser Sichtweise beim Leser, bzw. mir, ein beklemmendes Gefühl für unsere anderen Protagonisten zu entwickeln ("Ich habe Angst um Person X"), kam bei mir nach und nach eher das Gefühl durch, was man auch bei gängigen Hollywood-Blockbustern bekommt: "Ja von mir aus, dann passiert das halt und geht auch so schnell und einfach. Warum auch nicht?" (Oder um es mit den Worten von Ryan Georges "Producer Guy" zu sagen "Sure, this as may well happen". )
Selbst als das Buch seine Klimax erreicht und wirklich mal "Action" reinkommt - verpufft das ganze zu einer kleinen Flurrangelei und endet mit einer "Flucht" des Richters, die so undramatisch und ereignisarm ausgeht, dass es mich komplett kalt gelassen hat. Ein dermaßen versägtes Ende hätte ich auch echt nicht erwartet. Die letzten gut 50 Seiten fühlten sich so an, als wüsste der Autor nicht, wann Schluss ist.
Ich habe es ja schon geschrieben - das Buch hat mich nicht komplett verschreckt, ich habe noch ein weiteres von J.G. angefangen - aber vom Hocker gerissen hat es mich auf jeden Fall nicht und ein "Page Turner" war es auch nicht. Eventuell müsste man zu früheren Werken des Autors greifen, vielleicht hat er sich schon etwas zu sehr in eine Art "Wohlfühlecke" geschrieben.
VG
Hexe
Lieben wir
Bewertung am 24.09.2023
Bewertungsnummer: 2029043
Bewertet: eBook (ePUB)
Kann es jedem weiterempfehlen!!
Der Verdächte ist ein Buch wovon du definitiv nicht so schnell die Finger lassen können wirst. Top!
Wurde mir ausgeliehen. Werde es mir kaufen, damit ich’s immer wieder lesen kann