Ein Tag, eine ganze Stadt: das messerscharfe Porträt einer Gesellschaft im Umbruch - der neue grosse Roman von Christoph Peters.
Es ist der 9. November 2021, Lockdown in Berlin, doch das Leben bleibt nicht stehen. Der berühmte, aber menschenscheue Schriftsteller Bernard Entremont ist angereist, um einen Preis entgegenzunehmen – ein Ereignis, mit dem die halbe Stadt in Berührung kommt. Engmaschig verwebt Christoph Peters die vielen Geschichten eines Tages und erzählt packend vom Leben in unserer Gegenwart: von der hektisch strippenziehenden Kultursalonière, vom verschwörungsgläubigen Politikersohn beim seltenen Vaterbesuch, von der nicht mehr ganz so jungen Influencerin und ihrem Partner, der endlich seinen dritten Roman schreiben will, vom jungen deutsch-türkischen Pärchen, das nach einem positiven Schwangerschaftstest schwankt zwischen Freude und Angst, vom afghanischen Flüchtling auf der Suche nach einem Fixpunkt im anonymen Getriebe der Stadt. Es ist das grosse, messerscharfe, wimmelnde Portrait einer Gesellschaft, die sich auf ihre alten Formen nicht mehr verlassen kann, die neuen aber noch nicht gefunden hat.
Weitere Bände von Trilogie des gegenwärtigen Scheiterns
2021, Lockdown in Berlin. Die Presse überschlägt sich.
…rund um die Uhr aus dem Strom der Meldungen, Bilder, Zahlen, die unablässig über die Ticker kamen, den Nachschub des Suchtstoffs Information raffinierten, ihn mit dem Brabdbeschleuniger Meinung übergossen, je schriller, greller, lauter, desto besser. S.9
Dirk Mahnfeld, Bauunternehmer, seine Spezialität: kostenoptimierter Individualismus, Naturstein, kein Problem, offene Raumsituationen, gern. Seine Frau Mariann bietet ihr großzügig gestaltetes Eigenheim als Partylokation, für die gehobene Kunst- und Literaturszene. Darüberhinaus glaubt sie, dass die ganze Coronascheiße, ein Weckruf Gottes ist.
Urban, Schriftsteller, der nach zwei Büchern, in Melancholie versunken, eine Schreibblockade auslebt und seiner Frau überlässt, sich Gedanken darüber zu machen, wo der nächste Scheck herkommt. Dafür ist die dreijährige Leonie bald ein Star in der Modebranche.
Joyce Telschow, ehemals glutäugige Schönheit für Bulgari, jetzt Fluggastkontrolleurin, mit Alkoholproblem, bereut, dass sie ihre verdorbene halbitalienische Tochter geboren hat, weil die sich, von einem Türken, ein Kind hat andrehen lassen.
Der französische Autor Bernard Entremont, folgt einer Einladung nach Berlin, um an der Akademie der Künste seine Ehrung entgegenzunehmen. Der Kurator versucht die weibliche Menge zurückzuhalten, die dem Künstler Sexismus vorwirft.
Während Berlin und die ganze Welt Angst davor hat, sich anzustecken, bei anderen bleibende Schäden zu versursachen, oder die Oma zu töten, leben einige mehr oder weniger maskiert, ungeniert ihr Leben weiter.
Wer jetzt demonstrierte, egal für oder gegen was, war Wegbereiter, Helfershelfer einer weiteren Virusmutation, machte sich gemein mit Impfgegnern, Esoterikern, Nazis. S.35
Fazit: Christoph Peters hat ein grell-bunt schillerndes Potpourris verschiedener Charaktere, in unterschiedlichen Lebensituationen entworfen. Fröhlich und geistreich, greift er alle möglichen Klischees auf. Von alten weißen Männern, die nur eines wollen, über die Gewaltbereitschaft von Arabern im Allgemeinen, bis zum Umgang mit der leidlichen Pandemie, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ich bewundere seine Schreibtechnik, die diese Geschichte von Anfang bis Ende durchschreibt, ohne durch Kapitel Grenzen zu setzen. Nach nahezu jedem Absatz schafft er eine neue Szenerie und am Ende ergibt sich ein Gesamtbild. Kurzatmig bin ich durch diese rasante Geschichte getrieben, immer wieder überrascht, von spanneneden Wendungen. Ich durfte einen Blick hinter die Kulissen, mitten hinein in die menschlichen Abgründe der einen und das Leid der anderen werfen.