Die literarische Sensation: Prix Goncourt 2021 an den senegalesischen Autor Sarr - endlich im Taschenbuch
Mohamed Mbougar Sarr erzählt in diesem funkelnden Roman von der Suche nach einem verschollenen Autor: Als dem jungen Senegalesen Diégane ein verloren geglaubtes Kultbuch in die Hände fällt, folgt er fieberhaft der Spur des rätselhaften Verfassers T.C. Elimane. Dieser wurde in den dreissiger Jahren als »schwarzer Rimbaud« gefeiert, nach rassistischen Anfeindungen und einem Skandal tauchte er jedoch unter. Wer war er? Voll Suchtpotenzial und unnachahmlicher Ironie erzählt Sarr von einer labyrinthischen Reise, die drei Kontinente umspannt. Ein meisterhafter Bildungsroman, eine radikal aktuelle Auseinandersetzung mit dem komplexen Erbe des Kolonialismus und eine soghafte Kriminalgeschichte. Ein Buch, das viel wagt – und triumphiert.
Mohamed Mbougar Sarr und die Übersetzer:innen Holger Fock und Sabine Müller wurden mit dem Internationalen Literaturpreis 2023 des Hauses der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen ausgezeichnet. Zudem erhielten die Übersetzer:innen den Paul Celan Preis.
Diégane Latyr Faye, ein junger Mann aus dem Senegal schrieb nach seinem Studium einen kurzen Roman „Anatomie der Leere“. In den ersten zwei Monaten nach erscheinen verkaufte er neunundsiebzig Exemplare, etliche davon an sich selbst, dann schloss sich Stille um das Buch. Auf Facebook erhielt es 1.700 Likes und Kommentare: „Yo Bro, weiter so!“, „Du machst uns stolz!“, „Wo kann man es kaufen?“ (Stand im Posting), „Was kostet es?“ (ebenfalls), „Wie heißt es?“ (dito). Dann nach weiteren vier bis fünf Monaten der Ruhe versetzte ein Literaturkritiker dem Buch den Todesstoß, indem er es, die kommende Verheißung der francophonen afrikanischen Literatur nannte. Da wußten alle, dass Diégane der Xte Debütant war, der vor Talent nur so triefte.
Dann fiel ihm das Buch von Elimane „Das Labyrinth des Unmenschlichen“ in die Hände, das dieser 1938 geschrieben hatte. Das Buch erreichte ihn durch die atemraubende Siga D., ebenfalls aus Afrika, ebenso Autorin, allerdings eine, die sich schon gefunden hatte und dem was sie zu sagen hatte, treu blieb. Siga hatte sich der unbedingten Ehrlichkeit verschrieben und wähnte ebensoviele Befürworter wie Kritiker an ihrer Seite, von denen Letztere, nicht wenige, gegen sie prozessierten.
Tja und der dritte im Bunde war Musimbwa:
Ich erinnere mich, dass ich ihm anfangs misstraute, wenn nicht gar ihn verachtete, als er wie ein roher Meteorid in die Literaturszene einschlug und mit einer Gleichgültigkeit, von der ich nicht wusste, ob sie an Demut oder an Arroganz grenzte, Preise, Bewunderung und Lorbeeren einheimste. Dieser Musimbwa ist nur eine Mode, dachte ich, sein Erfolg liegt in der Luft, deshalb wird er sich erkälten … S. 47
Jedenfalls gab Siga D. Diégane das einzige noch existierende Exemplar von Elimanes „Das Labyrinth des Unmenschlichen“ und weckte in ihm das tiefe Bedürfnis Elimane zu folgen.
Fazit: So eine gut durchdachte Geschichte. Mohamed Mbougar Sarr ist tatsächlich eine Ausnahmegeschichte über eine Ausnahmegeschichte gelungen. Er räumt auf, mit den französischen Kolonien, den deutschen Nazis und grundsätzlichem Rassismus. Er bedenkt den Literaturbetrieb mit der Ironie und Polemik, den er verdient. Spielt mit Erwartungen und Vorurteilen an Autor*innen, obwohl jede*r Leser*in doch nur subjektiv ermessen kann, was gefällt oder nicht. Und was mir besonders gut gefallen hat, die Darstellung seiner Charaktere, wie er sie alle so menschlich zeichnet, mich hinter die Kulissen führt und deren Beweggründe beleuchtet. Seine Schreibweise ist arg unterhaltsam, die Technik sorgt dafür, dass ich mich trotz der vielen exotischen Namen und Zeitsprünge gut zurecht gefunden habe. Mohamed Mbougar Sarr hat mich mitten hineingeführt in seine Geschichte, die unterhaltsam, spannend, erhellend und bildreich ist und ich habe keine einzige Sekunde meiner Zeit bereut. Große Leseempfehlung!
ein Labyrinth
Bewertung aus Thun im Kanton Bern am 16.05.2023
Bewertungsnummer: 1942762
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Der Ich-Erzähler wechselt in diesem Buch. Das ist (für mich) etwas verwirrend. Das Buch sichert seine Einheit durch den Plot: es geht um die Suche nach einem Schriftsteller, der ein einmaliges Buch geschrieben hat und danach verschwunden ist. Nun will ihn einer seiner Schriftsteller-Freunde wieder finden, dann wollen das aber auch seine Nichte und viele andere Personen. Es geht um Rassismus und Kultur, um Differenzen zwischen Kulturen aus reichen und armen Ländern, um das Schriftsteller-Dasein, um Liebe und Erotik, auch um Kriege und Unterdrückung. Das Buch ist tiefsinnig und anspruchsvoll. Man spürt, dass es die Tiefen der Existenz zu ergründen versucht. Ich hatte Mühe mit diesem Potpourri-Buch. Ich bewerte es aber trotzdem hoch, weil ich Respekt davor habe.