Fast wie ein Bruder

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eBook

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ab Fr. 20.00

Beschreibung

Details

Verkaufsrang

710

Einband

Gebundene Ausgabe

Erscheinungsdatum

15.08.2024

Verlag

Galiani Berlin ein Imprint von Kiepenheuer & Witsch

Seitenzahl

192

Beschreibung

Rezension

Der Roman ist verstörend, irritierend, er lässt ein Grundgefühl der Irritation beim Lesen; - aber man muss diesen Roman gelesen haben. ("Radio 3")
Ein berührender Roman. Ein schonungslos aufrüttelndes Buch über eine
Freundschaft über den Tod hinaus. ("Berliner Morgenpost")
Ein überaus facettenreicher Roman über Freundschaft, Begehren, die Möglichkeiten der Malerei und der Sprache. ("Deutschlandfunk Büchermarkt")
Ein schlanker, stiller, feiner Roman, der mich sehr berührt hat. (...) Sulzer erzählt in stiller Wucht. ("Radio SRF 2 Kultur")
Ein Sittenbild des späten 20. Jahrhunderts. ("NZZ")
Sulzer erzählt mit der Stilsicherheit eines Meisters! Ein ungemein starkes Buch! ("literaturblatt.ch")
Mit seiner elegant schlichten Prosa beweist sich Sulzer als Meister im Abtasten von Lebenslinien, die subtil wie eindringlich um eine Freundschaft kreisen. ("Badische Neueste Nachrichten")
Alain Claude Sulzer erweist sich einmal mehr als prägnanter Autor, der mit wenigen Strichen und Tupfern Atmosphäre erzeugen kann. (...) Für jedes Geheimnis, das Sulzer in seinem neuen Roman lüftet, entsteht ein neues, das die Lesenden noch lange beschäftigt. ("Aargauer Zeitung")

Details

Verkaufsrang

710

Einband

Gebundene Ausgabe

Erscheinungsdatum

15.08.2024

Verlag

Galiani Berlin ein Imprint von Kiepenheuer & Witsch

Seitenzahl

192

Maße (L/B/H)

20.5/13.1/2.2 cm

Gewicht

299 g

Auflage

1. Auflage

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-86971-294-9

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Vielfältiger Künstlerroman mit gesellschaftskritischer Note

Christian1977 aus Leipzig am 09.09.2024

Bewertungsnummer: 2288243

Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Im Bochum der 1960er- und 1970er-Jahre wachsen Frank und der namenlose Ich-Erzähler fast wie Brüder zusammen auf. Beide sind sogar am selben Tag mit ihren Familien in die direkt nebeneinander liegenden Wohnungen eingezogen. Doch als Franks Interesse an der Kunst wächst und er homosexuelle Gefühle für den Nachbarsjungen Matteo verspürt, scheinen sich die Freunde unterschiedlich zu entwickeln. Erst als Frank mit AIDS im Sterbebett liegt, finden sie wieder zueinander. Und auch Franks Gemälde wecken lange Zeit nach dessen Tod plötzlich das Interesse des Ich-Erzählers. Denn stellt der nackte Jüngling auf einem Bild von Frank nicht ihn selbst da? „Fast wie ein Bruder“ ist der neue Roman von Alain Claude Sulzer, der bei Galiani erschienen ist. In der Schweiz sorgte das Buch schon lange vor seinem Erscheinen für einen literarischen Skandal, weil Sulzer darin mehrfach das Wort „Zigeuner“ verwendet, was beim Basler Fachausschuss Literatur nicht gern gesehen war und geändert werden sollte. Sulzer nahm daraufhin unter Zensurvorwürfen den Förderungsantrag zurück. Viel Lärm um wenig, denn Sulzers Verwendung des „Z-Wortes“ entspricht dem Sprachduktus des Ich-Erzählers und muss im Kontext der Handlungszeit gelesen werden. Gelesen werden sollte in jedem Fall auch „Fast wie ein Bruder“, denn Sulzer gelingt es, auf gerade einmal 180 Seiten so viele Themen unterzubringen, wie es andere Autor:innen in drei bis vier Büchern schaffen. Da ist der Coming-of-Age-Roman inklusive des erzwungenen homosexuellen Coming-Outs Franks. Da ist der Gesellschaftsroman, der sich intensiv mit dem Entstehen von AIDS und den gesellschaftlichen (und körperlichen) Auswirkungen der Krankheit beschäftigt. Da ist die Geschichte von Frank als erfolglosem Maler, ein charmanter Künstlerroman, der im letzten Teil gar zu einer Art Kriminalroman wird, als der Nachlass von Frank aus der Scheune des Ich-Erzählers verschwindet. Und zu guter Letzt mag sogar ein Hauch von Mystery durch ein Berliner Museum wehen, ohne zu viel darüber verraten zu wollen. Ungemein vielschichtig also und dazu sprachlich elegant. Am besten gelingt Sulzer dabei die Künstlerthematik. Die Begeisterung Franks für die Kunst ist von Beginn an zu spüren, während sich der in vielen Dingen recht ignorante Ich-Erzähler zwar bemüht, aber nie einen Zugang zu ihr findet. Dieses Trennende bestimmt mit zunehmender Dauer den Roman, selbst den Nachlass – die zahlreichen Bilder, die der Protagonist nach Franks Tod erhält – schaut dieser nicht ein einziges Mal an. Etwas schwülstig hingegen wirkt es, wenn Sulzer die Annäherung von Frank und dem Roma-Jungen Matteo beschreibt. Dies ist allerdings leicht zu verzeihen, denn in der Folge merkt man das wohlgemeinte und eindrücklich geschilderte Verständnis des Autors für die aufkommende Bewegung der Homosexuellen und die empathische Auseinandersetzung mit AIDS als gesellschaftlichem Stigma. Bedauerlich ist eher, dass über weite Strecken der Kindheit und Jugend die Nähe zwischen der Hauptfigur und Frank nur behauptet wird, die „fast brüderliche“ Freundschaft also gar nicht so auserzählt wird, wie man es sich bei diesem Titel erhofft hatte. Ein kleiner Wermutstropfen eines ansonsten eindrücklich vielfältigen Romans, der trotz weniger Seiten so viel zu erzählen hat. Für Sulzer-Fans hat der Autor als kleines Gimmick übrigens noch den ganz besonderen Auftritt eines vorherigen Roman-Protagonisten eingebaut, den es zu entdecken gilt.

Vielfältiger Künstlerroman mit gesellschaftskritischer Note

Christian1977 aus Leipzig am 09.09.2024
Bewertungsnummer: 2288243
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Im Bochum der 1960er- und 1970er-Jahre wachsen Frank und der namenlose Ich-Erzähler fast wie Brüder zusammen auf. Beide sind sogar am selben Tag mit ihren Familien in die direkt nebeneinander liegenden Wohnungen eingezogen. Doch als Franks Interesse an der Kunst wächst und er homosexuelle Gefühle für den Nachbarsjungen Matteo verspürt, scheinen sich die Freunde unterschiedlich zu entwickeln. Erst als Frank mit AIDS im Sterbebett liegt, finden sie wieder zueinander. Und auch Franks Gemälde wecken lange Zeit nach dessen Tod plötzlich das Interesse des Ich-Erzählers. Denn stellt der nackte Jüngling auf einem Bild von Frank nicht ihn selbst da? „Fast wie ein Bruder“ ist der neue Roman von Alain Claude Sulzer, der bei Galiani erschienen ist. In der Schweiz sorgte das Buch schon lange vor seinem Erscheinen für einen literarischen Skandal, weil Sulzer darin mehrfach das Wort „Zigeuner“ verwendet, was beim Basler Fachausschuss Literatur nicht gern gesehen war und geändert werden sollte. Sulzer nahm daraufhin unter Zensurvorwürfen den Förderungsantrag zurück. Viel Lärm um wenig, denn Sulzers Verwendung des „Z-Wortes“ entspricht dem Sprachduktus des Ich-Erzählers und muss im Kontext der Handlungszeit gelesen werden. Gelesen werden sollte in jedem Fall auch „Fast wie ein Bruder“, denn Sulzer gelingt es, auf gerade einmal 180 Seiten so viele Themen unterzubringen, wie es andere Autor:innen in drei bis vier Büchern schaffen. Da ist der Coming-of-Age-Roman inklusive des erzwungenen homosexuellen Coming-Outs Franks. Da ist der Gesellschaftsroman, der sich intensiv mit dem Entstehen von AIDS und den gesellschaftlichen (und körperlichen) Auswirkungen der Krankheit beschäftigt. Da ist die Geschichte von Frank als erfolglosem Maler, ein charmanter Künstlerroman, der im letzten Teil gar zu einer Art Kriminalroman wird, als der Nachlass von Frank aus der Scheune des Ich-Erzählers verschwindet. Und zu guter Letzt mag sogar ein Hauch von Mystery durch ein Berliner Museum wehen, ohne zu viel darüber verraten zu wollen. Ungemein vielschichtig also und dazu sprachlich elegant. Am besten gelingt Sulzer dabei die Künstlerthematik. Die Begeisterung Franks für die Kunst ist von Beginn an zu spüren, während sich der in vielen Dingen recht ignorante Ich-Erzähler zwar bemüht, aber nie einen Zugang zu ihr findet. Dieses Trennende bestimmt mit zunehmender Dauer den Roman, selbst den Nachlass – die zahlreichen Bilder, die der Protagonist nach Franks Tod erhält – schaut dieser nicht ein einziges Mal an. Etwas schwülstig hingegen wirkt es, wenn Sulzer die Annäherung von Frank und dem Roma-Jungen Matteo beschreibt. Dies ist allerdings leicht zu verzeihen, denn in der Folge merkt man das wohlgemeinte und eindrücklich geschilderte Verständnis des Autors für die aufkommende Bewegung der Homosexuellen und die empathische Auseinandersetzung mit AIDS als gesellschaftlichem Stigma. Bedauerlich ist eher, dass über weite Strecken der Kindheit und Jugend die Nähe zwischen der Hauptfigur und Frank nur behauptet wird, die „fast brüderliche“ Freundschaft also gar nicht so auserzählt wird, wie man es sich bei diesem Titel erhofft hatte. Ein kleiner Wermutstropfen eines ansonsten eindrücklich vielfältigen Romans, der trotz weniger Seiten so viel zu erzählen hat. Für Sulzer-Fans hat der Autor als kleines Gimmick übrigens noch den ganz besonderen Auftritt eines vorherigen Roman-Protagonisten eingebaut, den es zu entdecken gilt.

Vielschichtig

Bewertung aus Baden-Baden am 03.09.2024

Bewertungsnummer: 2283245

Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Nach seinem überaus erfolgreichen Roman „ Doppelleben“ über die beiden Goncourt - Brüder stehen dieses Mal zwei Männer im Zentrum die zwar keine Brüder sind, aber fast wie Brüder aufwachsen. Ihre Familien ziehen 1962 in dasselbe Mietshaus in Bochum. Da sind die Jungs gerade mal ein Jahr alt und die beiden Einzelkinder sind von nun an unzertrennlich. Erst in der Pubertät beginnt ihre wachsende Entfremdung. Der Besuch einer Kunstausstellung, eine große Werkschau mit Bildern des Malers Sigmar Polke, ist für den 15jährigen Frank eine Art Erweckungserlebnis. Danach steht für ihn fest, dass er Maler wird. Unablässig füllt er nun Blatt für Blatt mit seinen Zeichnungen. Zwei Jahre später trennen sich die Wege der beiden Freunde. Die Väter ziehen mit ihren jeweiligen Söhnen weg, die einen nach Stuttgart, die anderen nach München. Ausschlaggebend dafür war aber nicht der Tod der Mütter, die beide kurz nacheinander an Krebs verstarben. Sondern der Eklat, als Frank beim Sex mit Matteo, dem Roma-Jungen aus dem Stockwerk darunter, erwischt wird. Hier zeigt sich nun, wie fremd sich die Freunde geworden sind. Ein Gespräch über das Vorgefallene vermeiden beide. Erzählt wird uns das von einem namenlosen Ich- Erzähler, der dreißig Jahre später zufällig mit dem Werk seines früheren Freundes konfrontiert wird. Frank ging Anfang der 1980er Jahre nach New York, wo er vergeblich versuchte, künstlerisch Fuß zu fassen und zugleich ein sexuell ausschweifendes Leben führte. „ Beruflich brachte New York ihn nicht weiter. Persönlich war es sein Untergang.“ Frank kehrt lediglich nach Deutschland zurück, um hier zu sterben. Aids, die damals noch tödlich verlaufende Krankheit, hat auch ihn erwischt. Der Erzähler besucht ihn eine Woche lang im Krankenhaus und wird von Frank als Nachlassverwalter für sein künstlerisches Werk eingesetzt. Ohne die Bilder ein einziges Mal anzuschauen, verstaut sie der Erzähler in die Remise auf seinem französischen Landsitz. Und dort bleiben sie, bis ein Teil von ihnen eines Tages in einer Berliner Galerie wieder auftaucht. Nachdem der Erzähler sich überzeugt hat, dass der Schuppen auf seinem Grundstück tatsächlich leergeräumt ist, besucht er die Galerie und sieht sich dort mit einem obszönen Porträt von sich selbst gegenübergestellt. „ Mit stiller Wucht“ erzählt Alain Claude Sulzer, so heißt es auf dem Klappentext, und das trifft es sehr genau. Ergriffen schlägt man am Ende das schmale Buch zu. Auch weil der Autor nicht alles aufklärt und den Leser mit manchen Fragen zurücklässt. Es geht um Freundschaft, um das, was sie ausmacht und woran sie zerbrechen kann. Der Ich- Erzähler verdrängt das „ Vermächtnis“ in seiner Remise, nicht nur aus Ignoranz oder Desinteresse, sondern auch, weil es ihn an sein eigenes Versagen erinnert. Hätte er nicht zu Lebzeiten von Frank mehr Interesse für dessen Kunst aufbringen sollen? Und hätte er nicht nach dessen Tod sich um die Gemälde besser kümmern müssen? Die Vorwürfe seiner Frau treffen ihn hart, weil sie berechtigt sind. „ Du warst sein bester Freund, du hättest es besser machen müssen, aber du hast nichts getan, du hast das Zeug sich selbst überlassen. Du hast deinen Freund im Stich gelassen.“ Aber es ist natürlich auch ein großer Künstlerroman. Er erzählt von der Rätselhaftigkeit der Kunst und dem Unverständnis vieler. Gleichzeitig heißt Künstler - Sein auch, trotz fehlender Anerkennung und ausbleibender Erfolge, weiter seinen Weg zu gehen. Wie viele Künstler scheint auch Frank seiner Zeit voraus zu sein, denn erst Jahrzehnte später ist die Öffentlichkeit so weit, die Relevanz seiner Werke zu erkennen. Wäre Frank nicht schon in jungen Jahren gestorben, hätte er seinen Triumph noch erlebt. Was hätte er alles noch schaffen können ? Das Thema „ Vergänglichkeit“ wird außerdem in verschiedenen Variationen durchgespielt. Da sind die beiden Mütter, die früh sterben; da ist Frank, gezeichnet von seiner tödlichen Krankheit, und da geht es um die Vergänglichkeit von Kunst, wenn Bilder verschwinden oder in Vergessenheit geraten.. „ Fast wie ein Bruder“ ist ebenso ein Zeitroman, der die Verklemmtheit und das Verdrängen jener Jahre atmosphärisch dicht einfängt. Dazu ein Coming - of - Age Roman und zum Ende hin entwickelt er sich noch zu einem Krimi. Im Vorfeld war der Text Teil eines kleinen literarischen Skandals. Alain Claude Sulzer hatte sich mit einem Auszug aus dem Roman für eine Förderung bei der Basler Literaturjury beworben. Die Jury hat bemängelt, dass das Wort Zigeuner und dementsprechende Stereotypen vorkommen; daraufhin hat Sulzer seinen Antrag zurückgezogen. Sulzer geht es aber sicherlich nicht um eine Herabwürdigung einer bestimmten Volksgruppe, sondern er spiegelt damit den Sprachgebrauch und die Vorurteile jener Zeit. Genau wie er später von der „ Schwulenpest“ und „ Schwulenseuche“ spricht und damit das Klima der 80er Jahre sehr genau trifft, in denen man Homosexuelle wie Aussätzige behandelt hat und die Krankheit als gerechte Strafe für ein lasterhaftes Leben ansah. Eine Dreingabe für die Leser seiner Bücher hat der Schweizer Autor auch noch eingebaut. Einen kleinen Auftritt hat Marek Olsberg, jener Pianist, der in Sulzers Roman „ Aus den Fugen“ mitten im Konzert aufsteht, den Klavierdeckel zuschlägt und den Saal verlässt. Hier ist er noch am Anfang seiner Karriere, als er mit Frank in New York eine Liebesnacht verbringt. Und eine Aufnahme von ihm , ein „ Nocturne“ von Chopin“, wird bei Franks Beerdigung gespielt. Ein vielschichtiger Roman, geschrieben in Sulzers bewährtem eleganten Stil, mit dem Blick für Nuancen. Lesenswert!

Vielschichtig

Bewertung aus Baden-Baden am 03.09.2024
Bewertungsnummer: 2283245
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Nach seinem überaus erfolgreichen Roman „ Doppelleben“ über die beiden Goncourt - Brüder stehen dieses Mal zwei Männer im Zentrum die zwar keine Brüder sind, aber fast wie Brüder aufwachsen. Ihre Familien ziehen 1962 in dasselbe Mietshaus in Bochum. Da sind die Jungs gerade mal ein Jahr alt und die beiden Einzelkinder sind von nun an unzertrennlich. Erst in der Pubertät beginnt ihre wachsende Entfremdung. Der Besuch einer Kunstausstellung, eine große Werkschau mit Bildern des Malers Sigmar Polke, ist für den 15jährigen Frank eine Art Erweckungserlebnis. Danach steht für ihn fest, dass er Maler wird. Unablässig füllt er nun Blatt für Blatt mit seinen Zeichnungen. Zwei Jahre später trennen sich die Wege der beiden Freunde. Die Väter ziehen mit ihren jeweiligen Söhnen weg, die einen nach Stuttgart, die anderen nach München. Ausschlaggebend dafür war aber nicht der Tod der Mütter, die beide kurz nacheinander an Krebs verstarben. Sondern der Eklat, als Frank beim Sex mit Matteo, dem Roma-Jungen aus dem Stockwerk darunter, erwischt wird. Hier zeigt sich nun, wie fremd sich die Freunde geworden sind. Ein Gespräch über das Vorgefallene vermeiden beide. Erzählt wird uns das von einem namenlosen Ich- Erzähler, der dreißig Jahre später zufällig mit dem Werk seines früheren Freundes konfrontiert wird. Frank ging Anfang der 1980er Jahre nach New York, wo er vergeblich versuchte, künstlerisch Fuß zu fassen und zugleich ein sexuell ausschweifendes Leben führte. „ Beruflich brachte New York ihn nicht weiter. Persönlich war es sein Untergang.“ Frank kehrt lediglich nach Deutschland zurück, um hier zu sterben. Aids, die damals noch tödlich verlaufende Krankheit, hat auch ihn erwischt. Der Erzähler besucht ihn eine Woche lang im Krankenhaus und wird von Frank als Nachlassverwalter für sein künstlerisches Werk eingesetzt. Ohne die Bilder ein einziges Mal anzuschauen, verstaut sie der Erzähler in die Remise auf seinem französischen Landsitz. Und dort bleiben sie, bis ein Teil von ihnen eines Tages in einer Berliner Galerie wieder auftaucht. Nachdem der Erzähler sich überzeugt hat, dass der Schuppen auf seinem Grundstück tatsächlich leergeräumt ist, besucht er die Galerie und sieht sich dort mit einem obszönen Porträt von sich selbst gegenübergestellt. „ Mit stiller Wucht“ erzählt Alain Claude Sulzer, so heißt es auf dem Klappentext, und das trifft es sehr genau. Ergriffen schlägt man am Ende das schmale Buch zu. Auch weil der Autor nicht alles aufklärt und den Leser mit manchen Fragen zurücklässt. Es geht um Freundschaft, um das, was sie ausmacht und woran sie zerbrechen kann. Der Ich- Erzähler verdrängt das „ Vermächtnis“ in seiner Remise, nicht nur aus Ignoranz oder Desinteresse, sondern auch, weil es ihn an sein eigenes Versagen erinnert. Hätte er nicht zu Lebzeiten von Frank mehr Interesse für dessen Kunst aufbringen sollen? Und hätte er nicht nach dessen Tod sich um die Gemälde besser kümmern müssen? Die Vorwürfe seiner Frau treffen ihn hart, weil sie berechtigt sind. „ Du warst sein bester Freund, du hättest es besser machen müssen, aber du hast nichts getan, du hast das Zeug sich selbst überlassen. Du hast deinen Freund im Stich gelassen.“ Aber es ist natürlich auch ein großer Künstlerroman. Er erzählt von der Rätselhaftigkeit der Kunst und dem Unverständnis vieler. Gleichzeitig heißt Künstler - Sein auch, trotz fehlender Anerkennung und ausbleibender Erfolge, weiter seinen Weg zu gehen. Wie viele Künstler scheint auch Frank seiner Zeit voraus zu sein, denn erst Jahrzehnte später ist die Öffentlichkeit so weit, die Relevanz seiner Werke zu erkennen. Wäre Frank nicht schon in jungen Jahren gestorben, hätte er seinen Triumph noch erlebt. Was hätte er alles noch schaffen können ? Das Thema „ Vergänglichkeit“ wird außerdem in verschiedenen Variationen durchgespielt. Da sind die beiden Mütter, die früh sterben; da ist Frank, gezeichnet von seiner tödlichen Krankheit, und da geht es um die Vergänglichkeit von Kunst, wenn Bilder verschwinden oder in Vergessenheit geraten.. „ Fast wie ein Bruder“ ist ebenso ein Zeitroman, der die Verklemmtheit und das Verdrängen jener Jahre atmosphärisch dicht einfängt. Dazu ein Coming - of - Age Roman und zum Ende hin entwickelt er sich noch zu einem Krimi. Im Vorfeld war der Text Teil eines kleinen literarischen Skandals. Alain Claude Sulzer hatte sich mit einem Auszug aus dem Roman für eine Förderung bei der Basler Literaturjury beworben. Die Jury hat bemängelt, dass das Wort Zigeuner und dementsprechende Stereotypen vorkommen; daraufhin hat Sulzer seinen Antrag zurückgezogen. Sulzer geht es aber sicherlich nicht um eine Herabwürdigung einer bestimmten Volksgruppe, sondern er spiegelt damit den Sprachgebrauch und die Vorurteile jener Zeit. Genau wie er später von der „ Schwulenpest“ und „ Schwulenseuche“ spricht und damit das Klima der 80er Jahre sehr genau trifft, in denen man Homosexuelle wie Aussätzige behandelt hat und die Krankheit als gerechte Strafe für ein lasterhaftes Leben ansah. Eine Dreingabe für die Leser seiner Bücher hat der Schweizer Autor auch noch eingebaut. Einen kleinen Auftritt hat Marek Olsberg, jener Pianist, der in Sulzers Roman „ Aus den Fugen“ mitten im Konzert aufsteht, den Klavierdeckel zuschlägt und den Saal verlässt. Hier ist er noch am Anfang seiner Karriere, als er mit Frank in New York eine Liebesnacht verbringt. Und eine Aufnahme von ihm , ein „ Nocturne“ von Chopin“, wird bei Franks Beerdigung gespielt. Ein vielschichtiger Roman, geschrieben in Sulzers bewährtem eleganten Stil, mit dem Blick für Nuancen. Lesenswert!

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