Die Besatzung eines Containerschiffs möchte einmal mitten auf dem offenen Meer schwimmen gehen. Ihre Kapitänin lässt sich tatsächlich darauf ein … Wie sich behaupten und gleichzeitig in Frage stellen, davon erzählt dieser wunderbar sinnliche Roman aus Frankreich, der u.a. mit dem Prix Léonora Miano ausgezeichnet wurde. »Erst hängen sie in der Luft. Dann tauchen sie zum allerersten Mal beide Füsse in den Ozean. Sie gleiten hinein. Tausende Kilometer von jedem Strand entfernt.« Auf einer Fahrt in die Tropen, kurz hinter den Azoren richtet die Besatzung eines Containerschiffs eine ungewöhnliche Bitte an die Kapitänin: Sie möchten hier, auf dem offenen Meer, schwimmen gehen. Das hat es noch nie gegeben. Zu ihrer eigenen Überraschung lässt die Kapitänin es zu. Sie bleibt allein auf dem Schiff, mit all den Zweifeln, ob sie das Richtige entschieden hat. Werden die Männer zurückkommen? Das Schiff wird immer langsamer, ein mysteriöser Nebel kommt auf. Wieso kann die Kapitänin auf einmal das Herz des Schiffes schlagen hören? Und warum drängt sich ausgerechnet jetzt ihr Vater in die Erinnerung, der einst selbst zur See fuhr und seit einer Überfahrt kein Wort mehr sprach?
Wunderbares Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte. Ein kleiner, feiner, schön geschriebener Roman, der den Leser empfängt und nicht mehr hergibt. Absolute Empfehlung, ein Kleinod.
Hochgejubelter Roman
Bewertung am 23.11.2022
Bewertungsnummer: 1831639
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Ein von den Medien hochgejubelter, pseudophilosophischer Roman, der versucht gleichzeitig poetisch und mystisch zu sein. Möglicherweise geht vieles in der Übersetzung verloren, aber gefesselt war ich beim Lesen nicht.
Meinungen aus unserer Buchhandlung
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Ein ruhiger Roman über die Seefahrt, das Meer, das Innehalten
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
L’Humanité bezeichnet Mariette Navarros schmalen Roman als «Highlight des französischen Bücherherbsts». Ich weiss nicht, ob ich soweit gehen würde, aber es ist eine faszinierende Geschichte:
Die namenlose Kapitänin eines Containerschiffes gestattet ihrer Mannschaft, kurz hinter den Azoren eine Stunde im Atlantik schwimmen zu gehen. Die 20 Männer stellen die Maschinen ab, besteigen das Rettungsboot, lassen sich auf die Wasseroberfläche hinab, rudern ein Stück vom Schiff weg und lassen sich ins Wasser gleiten. Jeder schwimmt für sich allein und kann zwischen den Wellen die anderen schon bald nicht mehr sehen. Sie alle erleben einen Moment der Panik, fühlen sich plötzlich allein auf der Welt und spüren die beunruhigende, scheinbar unendliche Tiefe unter sich. Als sie wieder ins Boot steigen, sind sie 21, was sich niemand erklären kann. Auch die Kapitänin stellt diese Abweichung von der Routine, dieses Innehalten, die Stille an Bord und die unerklärliche Anzahl Matrosen vor mentale Herausforderungen. Als danach ein ungewöhnlicher, dicker Nebel aufzieht, das Schiff plötzlich und unerklärlicherweise langsamer wird und gleichzeitig einen Herzschlag zu entwickeln scheint, zeigen sich feine Risse in der fragilen Hierarchie der Mannschaft und im Panzer ihrer Kapitänin.
Wem das schon zu abgefahren klingt, lasse besser die Finger von «Über die See». Wer sich begeistert an Romane, wie «Die Wand» von Marlen Haushofer, erinnert fühlt, ist hier hingegen genau richtig.
Navarro ist allwissende Erzählerin und wechselt zwischen den Perspektiven der Kapitänin und der Mannschaft, die – mit Ausnahme einiger Offiziere – zu einem Kollektiv verschmilzt. Die Sätze sind teils verkürzt, dann wieder reiht sie Umschreibungen aneinander. Es sind nur wenige Tage, die wir die Mannschaft begleiten und Navarro verdichtet ihre Erzählung. Teilweise wechselt sie auch die Ansprache zum «Du», wenn beispielsweise die Kapitänin gedanklich direkt zum «Tier-Schiff» spricht. In unscheinbar wirkenden Nebensätzen verbirgt sich Kritik an unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem und an unserer leistungsorientierten Gesellschaft.
«Über die See» ist ein schmales Büchlein, das schnell gelesen werden kann, das bei intensiverem, langsamerem oder mehrmaligen Lesen aber viel Stoff zum Sinnieren bietet.