Bunte Eiskugeln, süsse Säfte, lange laue Nächte mit zirpenden Grillen - eingebettet in die Geborgenheit einer grossen Familie. Diese Bilder prägen Alena Jabarines Erinnerungen an die Sommer ihrer Kindheit. Weniger als 20 Kilometer trennen das Haus ihrer Grosseltern, das sich im heutigen Israel befindet, vom besetzten palästinensischen Gebiet. Als Kind hatte sie nur eine Ahnung davon, dass eine zunächst unsichtbare Grenze dieses Land in zwei Welten teilt - mit grossen Unterschieden, was die Rechte, die Lebenserwartungen und auch den Status in den Augen der Welt angeht.
Anfang 2020 zog Jabarine nach Ramallah, um zu verstehen, was »Palästina« bedeutet: für die Menschen auf der einen Seite der Mauer und für die auf der anderen. Und für ihre eigene Identität. In ihrem Buch erzählt sie Geschichten von Menschlichkeit und Lebensfreude, aber auch von Widerstand. Geschichten, die dabei helfen, die Realität in Israel und Palästina zu verstehen.
Was passiert, wenn jemand versucht, nicht nur über politische Verhältnisse zu schreiben, sondern über das Leben, das dazwischen passiert? "Der letzte Himmel" ist kein Geschichtsbuch, kein reiner Erfahrungsbericht und auch kein Aktivismus auf Papier. Es ist eine einfühlsame Annäherung an eine Region, die oft auf Headlines reduziert wird. Alena Jabarine zeiht 2020 nach Palästina und schreibt über Alltag unter Besatzung, über Identität, über das Dazwischen. Und über Menschen, die sich inmitten von Kontrolle, Einschränkung und Unsicherheit ein Leben aufbauen, mit allem, was dazugehört: Lachen, Trauer, Liebe, Verlust, Widerspruch.
Alena schreibt… wow. Das ist so eine Mischung aus unfassbar schön und präzise. Nie zu viel, nie zu wenig. Kein unnötiges Drama und trotzdem: ich hatte beim Lesen dauernd diesen Kloß im Hals. Weil da jemand schreibt, der wirklich sieht. Der hinhört. Der nicht erzählt, um zu erklären, sondern um zu erinnern. Und das macht was mit dir. Ganz ehrlich. Ich hab Sätze doppelt gelesen, weil sie mir beim ersten Mal schon zu nah waren.
Es geht ums Menschsein, um Würde, um dieses Gefühl von Zuhause, das so viele einfach nicht haben. Weil ihnen Räume genommen werden. Und trotzdem, oder gerade deswegen, kommt so viel Wärme durch. Ich hatte beim Lesen oft Tränen in den Augen, aber manchmal auch ein Lächeln. Weil da zwischen all den harten Realitäten so viel Leben steckt. So viel Trotz, so viel Liebe. Und dieser Spagat? Den schafft Alena indem sie die Dinge benennt.
Nach manchen Kapiteln saß ich einfach nur da und war sprachlos. Dieses Buch hat mich wütend gemacht. Auf die Ungerechtigkeit. Auf das Wegschauen. Auf diese absurde Normalität von Gewalt, Kontrolle, Verdrängung. Aber gleichzeitig hat es mich auch berührt, weil es zeigt, wie Menschen trotzdem leben, Tag für Tag.
Fazit: "Der letzte Himmel" ist kein klassisches Sachbuch, kein Roman, kein Tagebuch: Es ist alles auf einmal. Es ist politisch und persönlich und sprachlich einfach wow. Für mich eines der wichtigsten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Und ja, ich hoffe, dass es nicht nur die lesen, die sich eh schon mit Palästina solidarisieren. Sondern auch die, die sich vielleicht noch nie wirklich getraut haben, hinzuschauen. Absolutes Jahreshighlight. ⭐⭐⭐⭐⭐
Empfehlenswert
Bewertung am 05.07.2025
Bewertungsnummer: 2531599
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Der letzte Himmel ist ein beeindruckendes Buch, das auf eine zugängliche Weise geschrieben ist. Die deutsch-palästinensische Autorin nimmt die Lesenden mit auf ihre Reise ins Westjordanland – ein Ort, der vielen nur aus den Nachrichten bekannt ist, hier aber mit persönlichen Eindrücken und Begegnungen lebendig wird.
Besonders faszinierend ist die Offenheit, mit der die Journalistin ihre Erfahrungen schildert. Sie zeigt unterschiedliche Perspektiven, bleibt dabei erstaunlich objektiv und ermöglicht so einen differenzierten Blick auf die Region. Ihre Beobachtungen sind ehrlich und nahbar, ohne jemals belehrend zu wirken.
Die eindrucksvollen Beschreibungen der Orte wecken den Wunsch, selbst dorthin zu reisen, um das Westjordanland jenseits politischer Schlagzeilen zu entdecken. Der letzte Himmel ist damit ein sensibles Porträt einer Region voller Widersprüche und Hoffnung