Es ist das Jahr 1983. Daniel steht kurz vor seiner Konfirmation und träumt von blauem Samtsakko und grauer Flanellhose. Doch seit er die Eltern belauscht hat, schwant ihm, dass daraus nichts wird. Hormanns sind pleite und wissen nicht mehr, wie sie die sechsköpfige Familie über die Runden bringen sollen. So erfinderisch die Eltern auch sind, eines können sie nicht: mit Geld umgehen. Was sie dagegen beherrschen: den Schein wahren, selbst als der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht.
Schünemann beherrscht seine Geschichte ebenso wie die Kunst des Erzählens und des stilistischen Jonglierens. Er schreibt reell, ohne Schnörkel und referenziert den Leser direkt, um die zwischen den Zeilen stehende Personifikation der Wunsch-Moderne mit dem individuellen Gewissen des Lesers zu konfrontieren. Auf der Ebene von drei Generationen, voneinander getrennt betrachtet, wird die Welt mit dem Traum verglichen; die Weitergabe des Schein-Wahrens gilt unausgesprochen als interfamiliär existenzielle Kompetenz der Lebensrealität.
Schünemann erzählt seine eigene Geschichte, verwoben mit fiktiven Add-Ons: Wie lange kann die Realität vor den Menschen, die einem am wichtigsten sind, verborgen werden? Und wie lange lässt sich der äußere Schein gegenüber den Mitmenschen wahren? Macht besagter Schein tatsächlich glücklich? Daniel, als viertes Kind einer scheinbar modernen Familie der 80er Jahre, stellt sich unfreiwillig ebendiesen Problemen, als er kurz vor seiner Konfirmation seine Träume vom dunkelblauen Samtsakko platzen sieht. Es ist kein Geld mehr da, jedoch sind seine Eltern wahre Meister im Verbergen existenzieller Sorgen, fahren im Urlaub an die Côte d'Azur und leben selbstverständlich den miserablen Umgang mit nicht vorhandenem Geld.
Nichts anmerken lassen
Bewertung (Mitglied der Book Circle Community) am 13.03.2025
Bewertungsnummer: 2437857
Bewertet: eBook (ePUB)
Das Jahr 1983. Daniel lebt mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern in einem Haus. Seine Freundin Zoe wohnt nur wenige Strassen weiter. Mit ihr teil er seine Gedanken. Er ahnt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Seine Eltern sind pleite und der Insolvenzverwalter stand auch schon vor der Haustür. Daniel ist besorgt, denn er wünscht sich einen Samtsakko für seine Konfirmation. Ob er diesen noch erhalten wird? Das wichtigste für Daniels Eltern ist, sich ja nichts anmerken zu lassen und einfach weiter zu machen. Ideen sind vorhanden und werden umgesetzt. Lebhafte Bilder aus der Zeit der 80iger Jahre sind Programm.
Meinungen aus unserer Buchhandlung
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Christian Schünemann erzählt in seinem Roman «Bis die Sonne scheint» die Geschichte einer deutschen Familie. Angelehnt sind die Ereignisse dabei an seine eigene Familiengeschichte.
Schünemann beginnt den Roman in der Perspektive des ca. 15-jährigen Ich-Erzählers Daniel, der rückblickend vom Jahr 1983 erzählt, in dem die Verdrängungstaktik der Eltern nicht mehr aufgeht. Die Stimmung fängt Schünemann dabei so gekonnt ein: einerseits blickt ein älterer Daniel leicht wehmütig und erfahren auf jene Zeit und sein jüngeres Ich zurück, das mitten drin ist in seiner Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen. Mit zahlreichen Gegensätzen verdeutlicht der Erzähler die Diskrepanz zwischen kindlichem Blick auf die Eltern, die es schon richten werden, und der langsam einsetzenden Erkenntnis, dass Eltern menschlich und somit fehlbar sind. Das Ergebnis ist tragisch-komisch, urteilsfrei, versöhnlich und zutiefst liebevoll.
Parallel dazu wechselt Schünemann die Perspektive und die Zeit und berichtet als allwissender Erzähler und im Präsens aus den Leben von Daniels Grosseltern und Eltern. Im Nachwort schreibt Schünemann, dass ihm wichtig war, seine Familie als «Personen der Zeitgeschichte zu sehen» und so liest sich dieser Familienroman auch als Stück deutscher Geschichte.
«Bis die Sonne scheint» hat mir von Anfang bis Ende unheimlich gut gefallen. Schünemann schreibt unaufgeregt, fast «still», er entzaubert die älteren Generationen, aber das ändert nichts an Daniels Einstellung zu ihnen. Für mich ein Geheimtipp!