500 Jahre Täuferbewegung: Die Täufer prägten Gesellschaft und Glauben, forderten Toleranz und die Trennung von Staat und Religion. Ihr Mut machte sie zu Vordenkern, die Widerstand entfachten und ins Exil gezwungen wurden. Das Buch lässt ihre Geschichte lebendig werden – und zeigt ihre Relevanz heute.
Heutzutage ist es selbstverständlich, dass sich Einzelne und Familien aufgrund persönlicher Überzeugungen für eine Taufform entscheiden dürfen, genauso wie die Wahl von Kirchen- und Gottesdienstform allen freisteht und keine staatlichen Repressalien nach sich ziehen darf.
Doch mitten in Europa, in idyllischen Schweizer Ortschaften, erlebten die Täufer genau das: Ihre Sehnsucht nach einer authentischen, bibelnahen Glaubensform verunsicherte die Zürcher Regierung, die eine institutionalisierte Form des reformierten Glaubens vertrat. Es folgten Wellen von Unterdrückung und brutaler Gewalt gegen die (pazifistischen!) Täufer.
Zum 500. Jubiläum dieser mutigen und standhaften Bewegung legt Christian Scheidegger eine historisch fundierte, gut verständliche Aufarbeitung ihrer Geschichte vor. Anhand historischer Quellen (in sehr guter Qualität auch im Buch zu bestaunen) zeichnet er das Bild einer lebendigen, vernetzten und doch auch heterogenen Gemeinschaft nach, die um ihres Glaubens willen viele Kämpfe ausfocht. Diese machten sie, so der Autor, zu Wegbereitern des Toleranzgedankens. Die Trennung von Staat und Religion gilt heute als Verdienst religionskritischer Aufklärer, aber die Quellen zeigen, dass bereits die Täufer dies forderten.
Damit setzt der Autor auch ein geschichtswissenschaftliches Statement: Nicht nur die Ideen elitärer Denker schrieben Geschichte & sollten studiert werden, sondern auch die 'kleinen Leute', deren Lebenszeugnis den Zeitgeist herausforderte.
Das Buch endet mit einer Reflexion über das heutige Verhältnis zwischen Staat, Kirche(n) und Glaubenspraxis, pointiert formuliert und mit überraschenden, bewegenden Einsichten.
Auch mich als Nicht-Historikerin hat das Buch abgeholt und begeistert! Die inhaltliche Tiefe, aber auch die sprachliche Qualität und die Relevanz der weiterführenden Gedanken haben mich beeindruckt. Einen kleinen Abzug gibt es für Struktur & Storytelling, da hätte ich mir etwas mehr Leserführung gewünscht. Dennoch eine sehr wertvolle & klar zu empfehlende Lektüre!
Bestens recherchierte Kirchengeschichte der Schweizer Täufer
Lesereise am 14.05.2025
Bewertungsnummer: 2490758
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Christian Scheidegger nimmt den Leser in „Revolutionäre des Glaubens“ zunächst mit in die frühen Anfänge des 16. Jahrhunderts. Er zeigt das Aufbrechen der herkömmlichen Kirchenstrukturen zur Zeit der Reformation auf, als Kirche und Staat noch eng miteinander verknüpft waren. Es wird die aufkommende Täuferbewegung und das aufrichtige Ringen vieler Personen, die in der Bibel selbst die Grundlagen ihres Glaubens suchten, aufgezeigt. Auch welche Intoleranz gegenüber denen herrschte, die das häufig korrupte System von Kirche und Staat in Frage stellten. Gut recherchiert wird der Verlauf der Geschichte der Täufer hauptsächlich in der Schweiz beschrieben. Wie sich bereits 1530 die Gefängnisse mit ihnen füllten, die leidvolle Geschichte weiterging, mit ihrer Ermordung, Vertreibung und auch der Enteignung täuferischen Vermögens, um alles zu versuchen, die Täufer von ihrem Glauben abzubringen. Viele Männer und Frauen standen treu zu ihrem Glauben, trotz des Drucks, der ihnen auferlegt wurde.
Das Buch zeigt das hohe Maß der Kenntnis des Autors mit der Kirchengeschichte und der Täuferbewegung. Es ist ein Buch, das die Geschichte auf wissenschaftlichem Niveau aufarbeitet und am Ende zur Diskussion anregt, wie heute Kirche und Staat und andere neben ihr bestehenden Religionsgemeinschaften pluralistisch nebeneinander existieren und wie sie sich gegenseitig beeinflussen oder auch distanzieren können. Das Buch ist eine Bereicherung für alle, die sich intensiv mit der Geschichte der Schweizer Täuferbewegung auseinandersetzen möchten.