Die Tradition, zur kalten Jahreszeit Spukgeschichten zu lesen, hat sich über die Jahrhunderte hinweg bewährt. Denn was gibt es Schöneres, als es sich an langen, dunklen Winterabenden bei Kerzenlicht mit Geistergeschichten gemütlich zu machen? In ›Wintergeister‹ hauchen sechs hochgelobte Autor*innen und Expert*innen des unheimlichen Erzählens der Tradition des Schauermärchens neues Leben ein. Ein heimgesuchtes Herrenhaus, ein unheilvolles Theaterstück und eine Geisterbeschwörung zaubern eine wohlige Gänsehaut und bescheren Fans von Charles Dickens, Edgar Allen Poe oder ›Downton Abbey‹ ein fesselndes Lesevergnügen. Diese atmosphärischen Spukgeschichten sind der perfekte Begleiter für frostige Nächte! Schaurige Geschichten: Band 1: Schaurige Nächte Band 2: Wintergeister Band 3: Gruselige Geschichten Alle Bände sind eigenständige Sammlungen von Erzählungen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Eine atmosphärische Sammlung winterlicher Gruselgeschichten
Bewertung am 11.01.2025
Bewertungsnummer: 2383914
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
„Wintergeister“ ist eine Anthologie mit Grusel- und Geistergeschichten, zu der sechs unterschiedliche Autor*innen eine Erzählung beigesteuert haben. Den Auftakt macht „Der steinerne Dämon“ von Bridget Collins (mein persönliches Highlight des Bandes): Eine an klassische Gothic Novels erinnernde Erzählung, die von einer Schriftstellerin handelt, die in einem kleinen Städtchen Inspiration für ihr nächstes Buchprojekt sucht. In Andrew Michael Hurleys „Das alte Theaterstück“ begegnen wir einem alternden Schauspieler, der im traditionellen Jahresabschlussstück auftritt. Hier changieren Traum und Wirklichkeit, sodass die Erzählung eine besondere atmosphärische Intensität erhält. Die dritte Geschichte, „Ada Lark“ von Jess Kidd, handelt von einem Waisenmädchen, das dazu gezwungen wird, einem selbsternannten Medium bei dessen Machenschaften zu unterstützen. Diese Geschichte wird mit schnellen Schnitten erzählt, was für mich allerdings zuungunsten der Atmosphäre verlief. „Jenkin“ von Catriona Ward thematisiert das Schicksal zweier Schwestern, wobei eine der Schwestern von einem schattenhaften Wesen verfolgt wird, das immer erscheint, sobald sie lügt. Die Erzählung ist wendungsreich und endet mit einem schönen Twist. In der folgenden Erzählung „Der Witwenweg“ treffen wir auf Honoria Joseph, Herstellerin von Fächern, deren Mann vor einiger Zeit verschwunden ist. Diese Geschichte ist spannungstechnisch die interessanteste, fragt man sich doch die ganze Zeit, was mit Herrn Joseph geschehen ist – mehr möchte ich hier nicht verraten. Den Abschluss bildet „Das Lied von Glocken und Ketten“ aus der Feder von Laura Purcell (ein weiteres Highlight für mich). Diese Geschichte, die den Krampus-Stoff aufgreift, ist rätselhaft sowie fesselnd erzählt und weist zudem ein überraschendes Ende auf. Man merkt: Trotz des gemeinsamen winterlichen Settings sind die Geschichten thematisch breit gestreut. Der Grusel, der dabei erzeugt wird, kommt nicht mit dem Vorschlaghammer, sondern ist subtil und zieht sich atmosphärisch latent durch jede Geschichte. Natürlich kann nicht jede Geschichte gleich gut gefallen; jede*r wird eigene Lieblinge haben. Bei einem bin ich mir aber sicher: Die Zahl der Geschichten, die man mochte bzw. die einen (mehr oder weniger wohligen) Schauer über den Rücken laufen lassen, werden überwiegen. Insgesamt ist „Wintergeister“ eine abwechslungsreiche Anthologie mit schönen Schauergeschichten – nicht nur aber insbesondere perfekt für Halloweenliebhaber*innen, die dem Grusel am 31. Oktober noch nicht ade sagen möchten, sondern diesen in die Winter- und Weihnachtszeit verlängern möchten.
Kleiner Schauer für frostige Winterabende
NiWa am 03.01.2025
Bewertungsnummer: 2377765
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Mit „Wintergeister“ holt man sich eine passable Sammlung für winterlich, teilweise schaurige, Lesestunden ins Haus.
Die Tradition, in dunklen Wintermonaten Schauergeschichten zu lesen, ist mir natürlich nicht neu. Neu ist für mich aber, dass es diese sozusagen in einer Weihnachtsedition gibt. Für mich als Fan von düsterer Lektüre führte daher kein Weg an „Wintergeister“ vorbei.
Die Sammlung vereint sechs Geschichten von Autor:innen des unheimlichen Erzählens und verspricht an die ganz Großen wie Edgar Allan Poe anzuknüpfen. Bei diesem Versprechen wird man hellhörig und fragt sich, ob die Anthologie dem hohen Anspruch gerecht wird.
Geboten werden jedenfalls vielfältige Settings - von düsteren Herrenhäusern über rätselhafte Theater und verschneiten Winterlandschaften ist einiges dabei. Außerdem bringt jede Erzählung ihre eigene Untermalung mit, welche von einer drückenden Atmosphäre, über eine spannende Wendung oder einen Hauch von Tragik geht.
Für mich zeigt sich bei Kurzgeschichten immer, wie schwierig es ist, in der Kürze nachhaltige Stimmung oder sogar Gänsehaut aufzubauen. Während mich einige Geschichten mit der Atmosphäre und den Ideen überzeugten, blieben andere hinter meinen Erwartungen zurück, weil sie mir zu schnell abgehandelt wurden oder langatmig wirkten.
„Der steinerne Dämon“ von Bridget Collins lebt von einer stimmungsvollen Atmosphäre. Wir befinden uns in einem abgelegenen, kalten Haus an der Seite einer Autorin, die von Erinnerungen an eine Freundin und einen seltsamen Wasserspeier heimgesucht wird. Während mich das Setting überzeugt hat, hat die Spannung meine Erwartungen nicht ganz erfüllt. Ich hatte ständig das Gefühl, dass die Geschichte auf etwas Großes zusteuert, doch das Ende ließ mich zwiegespalten zurück und ist den angepeilten Wow-Effekt schuldig geblieben. Es handelt sich meiner Meinung nach um einen ansprechenden Ansatz, der jedoch eher wie der Auftakt zu einem Roman wirkt.
Die Erzählung „Das alte Theaterstück“ von Andrew Michael Hurley fällt durch die langsame Erzählweise auf. Es geht um Konfrontation mit der Vergangenheit und es gibt rätselhafte Andeutungen, was in Summe interessant ist. Aber die Handlung kommt erst gegen Ende in Fahrt. Den abschließenden Twist fand ich gelungen, doch der Weg dahin fühlte sich mehr wie ein zäher Prolog für mich an.
„Ada Lark“ von Jess Kidd ist eine blasse Protagonistin, die dank der kantigen Nebenfigur, einer ausgefuchsten Madame, doch etwas Farbe im Antlitz der Geschichte erhält. Ein Hauch von Tragik macht den Einstieg in die Erzählung packend. Aber ab einem gewissen Punkt in der Handlung verpufft die Spannung. Die Dynamik zwischen den Figuren fand ich reizvoll, trotzdem hat mir der finale Schlag gefehlt. Die Idee war solide, dennoch fand ich das Potential nicht vollständig ausgeschöpft.
Catriona Ward hat mir mit „Jenkin“ richtig imponiert. Diese Geschichte war für mich das absolute Highlight der Sammlung. Ich wurde mit tiefgründigen Charakteren, einer dramatischen Familiengeschichte und - ich nenne es mal - düsteren Symbolik wirklich umgehauen. Denn bei „Jenkin“ handelt es sich um eine dunkle Präsenz, die sinnbildlich für das, was uns verfolgt und nach und nach einnimmt, steht. Die Balance zwischen Melancholie und Schrecken fand ich großartig umgesetzt. Obwohl vieles nicht ausgesprochen wird, hat die Geschichte bemerkenswerten Eindruck auf mich gemacht.
„Der Witwenweg“ von Susan Stokes-Chapman ist eine solide Geschichte, die mit einer starken Protagonstin, einer bösen Handlung und einer wunderbar winterlich beschriebenen Szenerie für Lesevergnügen sorgt. Der knirschend-kalte Grusel und manche Schlafzimmer-Episode versprechen der Jahreszeit entsprechende Gänsehaut, obwohl die Handlung eher geradlinig bleibt. Besonders die vorweihnachtliche Atmosphäre gepaart mit gruseliger Anspannung verleihen der Erzählung ihren Charme.
Den Schluss läutet „Das Lied von Glocken und Ketten“ von Laura Purcell ein. Die Autorin überzeugt mit einer gemeinen Handlung, einen unheilschwangeren Einblick in familiäres Geschehen und mit atmosphärischer Dichte. Der Krampus ist ein zentraler Bestandteil der Handlung. Dieser wird aber auf eine Weise dargestellt, die ich mit meinem traditionellen Bild nicht völlig vereinbaren kann. Das hat mein Leseerlebnis etwas beeinträchtigt, obwohl die Geschichte ausgezeichnet erzählt und geschrieben ist. Es entfaltet sich jedenfalls eine eindringliche Moral über das Verurteilen und Verurteiltwerden, was eindeutig zum Nachdenken anregt.
Meine Lieblingsgeschichten waren „Jenkin“ und „Der Witwenweg“, die mir beide gewiss in Erinnerung bleiben. Gefallen hat mir allgemein, dass die Sammlung schauriges Lesevergnügen souverän als teilweise weihnachtliche Winterlektüre präsentiert. Dadurch passt diese, meiner Meinung nach, ausgezeichnet in die kalte Jahreszeit.
Unterm Strich bietet „Wintergeister“ ein gelungenes Leseerlebnis. Obwohl meist der große Grusel ausbleibt, wird jede:r Leser:in für den eigenen Geschmack fündig werden, und hat damit ein passendes Buch für frostige Abende in der (Weihnachts- und) Winterzeit zur Hand.