-
Blick auf die Backlist: Ishiguro
- Bewertet: Einband: gebundene Ausgabe
-
Es erscheint mir allzu schnöde, Ishiguros Roman als “Fantasy” zu bezeichnen. Zumal er vielleicht doch etwas zu langatmig ist, um als Fantasy-Roman durchzugehen. Es ist schließlich ein Ishiguro, es steckt natürlich viel mehr dahinter. Auch hier schlägt wieder seine kafkaeske Seite durch. /// Für mich ist der Roman reinste Mytho... Es erscheint mir allzu schnöde, Ishiguros Roman als “Fantasy” zu bezeichnen. Zumal er vielleicht doch etwas zu langatmig ist, um als Fantasy-Roman durchzugehen. Es ist schließlich ein Ishiguro, es steckt natürlich viel mehr dahinter. Auch hier schlägt wieder seine kafkaeske Seite durch. /// Für mich ist der Roman reinste Mythologie, die Wurzeln der Identität eines Volkes. Schließlich hat sich Ishiguro schon mit “Was vom Tage übrigblieb” an einen britischen Mythos angelehnt, wenn auch viel jüngeren Datums. /// Die Artus-Sage, die mit einem quijottischen Sir Gawain ihren Schatten aufs Geschehen wirft, ist britischer Urmythos schlechthin. Bezüge auf die Gegenwart? Sicher, zumal Geschichte sich ohnehin ständig wiederholt, vom Politischen - den Kriegen, der Gewalt und Unterdrückung - bis hin zum Privaten - den Familien, der Liebe. Auf dem ursprünglichen Cover ist ein Baum, genauer ein Weißdorn, dessen Wurzelausläufer einen Kreis rings um das ganze Buch beschreiben. Es ist als blieben die Mythen die gleichen und wechselten nur die Form, vom Drachen zum schlafenden Riesen. Man muss es noch nicht einmal Allegorie nennen. Hybris, Schuld, Gewissen, Verlust und immer wieder Schmerz. Geschichte wird verdrängt, Erinnerungen werden verdrängt, und Mythen erzählen wir uns oft genug selbst und glauben sie auch noch. Den Drachen zu erschlagen mag vielleicht das Symptom beseitigen, nicht aber die Ursache. /// Diese trügerischen Erinnerungen, die uns so sehr prägen und doch immer rätselhaft bleiben. Viele sind kollektive Erinnerungen, über denen ein mythologischer Nebel liegt. Die meisten Besprechungen vermuten geschichtliche Amnesie, doch manchmal erinnerte gerade Beatrices Verhalten viel eher an Demenz. /// Interessant ist in dem Zusammenhang, dass ein hierzulande völlig unbekannter Autor, Paul Kingsnorth, 2014 eine Art mythologischen Roman, “The Wake”, veröffenlichte, der durchgehend in einem fingierten Altenglisch verfasst und deshalb wohl unübersetzbar ist. Er spielt in den Jahren nach 1066, nach der Eroberung durch den Normannen William, dem Verlust wiederum der bis dahin geltenden nationalen Identität der Angelsachsen. Es gibt dort eine Fülle von ähnlichen Bildern wie im “Riesen”, Dinge und Menschen, die tief im Wasser begraben liegen. In einer zeitgenössischen Fortsetzung, “Beast” von 2016, legt sich ein mythischer Nebel über alles, der Protagonist gerät geradezu in ein mythologisches Delirium. /// “Und im Schlummer wechsle ich in den Halbschlaf und sehe die Sonne im Wasser versinken, und das Ufer entfernt sich immer mehr, und ich lasse mich in den Traum zurückgleiten, bis die Stimme des Fährmanns mich sanft wieder weckt”, heißt es im “Riesen”. Das Leben ist der Traum, dann wachen wir auf. /// Man braucht schon etwas Geduld mit dem getragenen, weihevollen Ton des Romans, dem gemächlichen, gleichmäßigen Voranschreiten, das manchmal ein bißchen naiv daherkommt. Aber auch Naivität kann gespielt sein. ///
Der begrabene Riese
Ungekürzte Ausgabe, Lesung
-
Hörbuch (CD)
-
Fr. 35.90
-
inkl. gesetzl. MwSt.Versandfertig innert 1 - 2 Werktagen
- Versandkostenfrei
Beschreibung
Das Opus Magnum des Literaturnobelpreis-Trägers – erstmals als Hörbuch!
Britannien im 5. Jahrhundert: Nach erbitterten Kriegen zwischen den Volksstämmen der Briten und Angelsachsen ist das Land verwüstet. Axl und Beatrice sind seit vielen Jahren ein Paar. In ihrem Dorf gelten sie als Aussenseiter, und man gibt ihnen deutlich zu verstehen, dass sie eine Belastung für die Gemeinschaft sind. Also verlassen sie ihre Heimat in der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, den sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben. Ihre Reise ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren, und bald ahnen sie, dass in ihrem Land eine Veränderung heraufzieht, die alles aus dem Gleichgewicht bringen wird, sogar ihre Beziehung.
»Der zweifache Grimmepreisträger Gert Heidenreich entführt mit seiner Stimme in eine Welt der Gräueltaten, Abenteuer und Rätselhaftigkeiten.«
Ishiguro, Kazuo
Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, kam 1960 nach London, wo er später Englisch und Philosophie studierte. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller Was vom Tage übrigblieb, der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. Kazuo Ishiguros Werk wurde bisher in 50 Sprachen übersetzt. Er erhielt 2017 den Nobelpreis für Literatur. Der Autor lebt in London.
Schaden, Barbara
Barbara Schaden studierte Romanistik und Turkologie in Wien und München, arbeitete anschliessend als Verlagslektorin und ist seit 1992 freiberufliche Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen und Italienischen. Sie übersetzt neben Kazuo Ishiguro unter anderem Patricia Duncker und Nadine Gordimer. Barbara Schaden lebt in München.
Heidenreich, Gert
Gert Heidenreich, geboren 1944, ist freier Schriftsteller und Sprecher. Sein Werk umfasst Romane, Theaterstücke, Essays und Lyrikbande sowie Ubersetzungen englischer und amerikanischer Dramen. Er wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter zwei Grimme-Preise und der Deutsche Hörbuchpreis. Für Random House Audio las er bereits Das Päckchen von Franz Hohler und Was vom Tage übrig blieb von Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro.
Produktdetails
Medium | CD |
---|---|
Sprecher | Gert Heidenreich |
Spieldauer | 806 Minuten |
Erscheinungsdatum | 08.10.2018 |
Verlag | Random House Audio |
Fassung | ungekürzt |
Hörtyp | Lesung |
---|---|
Originaltitel | The Buried Giant (Faber & Faber) |
Übersetzer | Barbara Schaden |
Sprache | Deutsch |
EAN | 9783837143454 |