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Kein "Opfer des Schicksals", sondern ein gütiger Held mit Würde
- Bewertet: Einband: Taschenbuch
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Leseprobe: "Und dabei sang sie leise in sich hinein. -- Es war das Lied, mein Lied! -- Sie aber zwitscherte wie eine Grasmücke, die am Bache das Hälslein wäscht und das Köpfchen herumwirft und die Federn sträubt und wieder glättet mit dem Schnäblein. Mir war, als ginge ich auf grünen Wiesen. Ich schlich näher und näher und war ... Leseprobe: "Und dabei sang sie leise in sich hinein. -- Es war das Lied, mein Lied! -- Sie aber zwitscherte wie eine Grasmücke, die am Bache das Hälslein wäscht und das Köpfchen herumwirft und die Federn sträubt und wieder glättet mit dem Schnäblein. Mir war, als ginge ich auf grünen Wiesen. Ich schlich näher und näher und war schon so nahe, daß das Lied nicht mehr von außen, daß es aus mir herauszutönen schien, ein Gesang der Seelen. Da konnte ich mich nicht mehr halten und faßte mit beiden Händen ihren in der Mitte nach vorn strebenden und mit den Schultern gegen mich gesenkten Leib. Da aber kam's. Sie wirbelte wie ein Kreisel um sich selbst. Glutrot vor Zorn im Gesichte stand sie vor mir da; ihre Hand zuckte, und ehe ich mich entschuldigen konnte-- [Die] Ohrfeige (...) ging ins Riesenhafte. Ich stand wie vom Donner getroffen. Die Lichter tanzten mir vor den Augen. -- Aber es waren Himmelslichter. Wie Sonne, Mond und Sterne; wie die Engelein, die Versteckens spielen und dazu singen. Ich hatte Erscheinungen, ich war verzückt. Sie aber, kaum minder erschrocken als ich, fuhr mit ihrer Hand wie begütigend über die geschlagene Stelle. Es mag wohl zu stark ausgefallen sein, sagte sie, und -- wie ein zweiter Blitzstrahl--" ...hierauf folgt der wohl zärtlichste Moment in der österreichischen Literatur. Was die mehrfach mißglückten "Zusammenfassungen" des Inhaltes betrifft: der "Spielmann" ist keinesfalls die weinerliche, sentimentale Biographie eines Versagers! Er ist vielmehr ein übergroßes, herrliches Porträt des stillen, genügsamen, bescheidenen Helden, der am Schluß gerade aufgrund seiner vermeintlich schwächsten Eigenschaft, einer beinah kindlichen Herzensgüte, über sein widriges Schicksal triumphiert. Ignoriere man also die platten Versuche, dieses Kleinod mehr schlecht als recht auf die Handlung zu reduzieren, lasse man sich nicht abschrecken von weitgehend dünkelhaften Rezensionen. Nein, das Buch ist nicht in "Alt-Deutsch" verfaßt. Grillparzer lebte im 19. Jahrhundert und schrieb in einem sehr schönen, formvollendeten, dabei jeder unnötigen Schnörkel entbehrendem Deutsch mit vereinzelten Austriazismen - schließlich war er auch Österreicher. Daß der Harry-Potter-, Wendy- und Twilight-Generation diese Ausdrucksweise erschrecklich oder "gewöhnungsbedürftig" dünkt, nun gut. Aber einem erwachsenen Menschen? Geh bitte. Grillparzer hatte ich bis zu dieser Lektüre für unterhaltsam, jedoch weitgehend harmlos gehalten. Was mir allerdings im "Spielmann" vor Augen geführt wurde, war eine Geschichte, die sich so großartig, reich, erhaben und schön ausnahm, daß ich mich nach dem Fertiglesen fühlte wie verwaist. Für mich ist die vorliegende Erzählung eine der großartigsten der Weltliteratur, und die Zeit, die ich auf das Lesen desselben verwendete, eine der erquicklichsten und sinnvollsten gewesen, die ich in meinem bisherigen Leben an einem Buche verbracht habe.
Die schwarze Spinne
und weitere Erzählungen
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Beschreibung
Drei herausragende Erzählungen des Schweizer Schriftstellers Jeremias Gotthelf (bürgerlich: Albert Bitzius). Gotthelf zählt zu den bedeutendsten schweizerischen Prosaautoren vor Gottfried Keller. Manche sehen in ihm sogar eines der ursprünglichsten Erzähltalente der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts.
Neben seiner Rahmenerzählung "Die schwarze Spinne", von der Thomas Mann sagte, dass er sie "wie kaum ein zweites Stück Weltliteratur" bewundere, enthält dieser Band die Erzählungen "Elsi, die seltsame Magd" und "Der Notar in der Falle".
"Die schwarze Spinne"
In einem idyllischen Bergtal feiert man eine Taufe: Die Natur ist in voller Blüte und die Menschen sind guter Stimmung. Bei einem Nachmittagsspaziergang wird die Taufpatin auf einen auffälligen schwarzen Fensterpfosten in einem neuen Haus aufmerksam. Auf ihre Nachfrage hin erzählt der Grossvater des Täuflings eine Geschichte aus alten Zeiten: Ein gnadenloser Lehnsherr befiehlt seinen Bauern in kürzester Zeit einen Schattengang von hundert Bäumen zu pflanzen - eine schier unmögliche Aufgabe. Da schlendert Satan in Gestalt eines wilden Jägers des Weges und bietet seine Unterstützung an. Es kommt zu einem verhängnisvollen Pakt ...
"Elsi, die seltsame Magd"
Elsi, die stolze Tochter eines einst verschwendungssüchtigen und nun finanziell ruinierten Müllers, verlässt nach dem Tod der Mutter ihr Elternhaus. Fortan beweist sie sich als einfache Magd und erwirbt sich den Ruf einer selbstständigen und fleissigen Arbeitskraft. Männliche Bewunderer weist sie zurück. So auch den wohlhabenden Bauern und Kanonier Christen, dem es trotz heftigen Werbens nicht gelingt, Elsi für sich zu gewinnen. Denn Elsi, die Christen eigentlich liebt, schämt sich ihrer Familiengeschichte und glaubt, sie sei seiner nicht würdig. Erst als der Geliebte in den Krieg zieht, bereut sie ihr unnachgiebiges Verhalten und macht sich auf den Weg, endlich die Seine zu werden ...
"Der Notar in der Falle"
Die unscheinbare, kränkliche Luise, die bei ihrer verwitweten Tante lebt, wird zur Hochzeit einer Freundin als Brautjungfer geladen. Luise ist ausser sich vor Glück - denn ihr Brautführer, der karrierebewusste und profitsüchtige Notar Stössli, ist in ihren Augen ihr erstes Rendezvous. Am Tag der Hochzeit kehrt Stössli jedoch weniger sein Interesse an seiner Begleiterin als seine glühende Vaterlandsliebe hervor. Dennoch ist Luise hingerissen und bis über beide Ohren verliebt. Dass der Verehrte ihr nach dem Fest keinerlei Aufmerksamkeit schenkt, trifft sie tief. Sie stellt sich krank, wartet eine Abwesenheit ihrer Tante ab, bestellt den Notar zu sich und gaukelt ihm vor, dass sie über ein beträchtliches Vermögen verfüge, ihr Ende abzusehen sei und sie zuvor noch ein Testament zugunsten ihrer Tante aufsetzen lassen wolle. Stössli schluckt den Köder. Als die Tante heimkehrt, hält er um Luises Hand an ...
Produktdetails
Format | ePUB i |
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Kopierschutz | Nein i |
Family Sharing | Ja i |
Text-to-Speech | Ja i |
Seitenzahl | 164 (Printausgabe) |
Erscheinungsdatum | 22.03.2013 |
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Sprache | Deutsch |
EAN | 9788490070659 |
Verlag | Red ediciones |
Dateigröße | 814 KB |