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Harald Naegeli

Harald Naegeli, geboren 1939 in Zürich wurde Ende der 1970er Jahre als der zunächst anonyme «Sprayer von Zürich» bekannt. Voran gegangen waren eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Zürich und ein Aufenthalt an der École des Beaux-Arts in Paris. Seit 1977 sprayte er seine unverkennbaren Figuren bei nächt lichen Aktionen auf nackte Betonwände oder in Unterführungen, Tiefgaragen und anderen urbanen ‹Nicht-Orten›. 1979 wurde er in Zürich gefasst und zu einer Geldstrafe verurteilt, fuhr aber im In- und Ausland mit seinen Spray-Aktionen fort, was ihm 1984 eine Haftstrafe eintrug. Nach einem halben Jahr entlas sen, zog er nach Düsseldorf, wo er sich ver stärkt der Zeichnung und Graphik zu wandte. Im Jahr 2019 kehrte Naegeli nach Zürich zurück, wo er während des Corona-Lock down einen großen Totentanz-Zyklus sprayte – dokumentiert in dem 2022 bei NIMBUS erschienenen Band «Zürcher Totentanz».

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Kein Schweizer Künstler hat in den vergangenen fast fünfzig Jahren für so heftige, anhaltende Kontroversen gesorgt wie Harald Naegeli – der «Sprayer von Zürich». Als Ende der 1970er Jahre seine kühn-dynamischen Zeichnungen an den Mauern der Limmatstadt eine plötzliche, unübersehbare Präsenz entfalteten, wurde er von den einen mit heftigem Ingrimm als Schmierer und Sachbeschädigter geschmäht, während die Gegenpartei vom genialen Strich und der Chuzpe fasziniert war, die in der Platzierung der Zeichnungen lag: eine Kunst für alle im öffentlichen Raum, gratis und franko, nicht museal, sondern vital und spontan, voller Esprit und Lust an der Provokation. Was für den Künstler einer persön¬liche Revolte entsprang, wurde unversehens zum optischen Kürzel für die Bruchlinien in der Gesellschaft: Hier die autoritäre Struktur einer traditionalen Ordnungswelt, dort der Drang nach einer freien Pluralität der Lebensformen, wie er sich dann in der Zürcher Jugendbewegung Anfang der 1980er Jahre Bahn brach. Harald Naegeli indes zahlte einen beträchtlichen Preis für seinen künstlerischen Wagemut – in Form hoher Geld strafen und durch eine halbjährige Haft, nach der er die Schweiz für zweieinhalb Jahrzehnte verliess.
Schon vor seiner Enttarnung war er jedoch nicht nur durch seine Graffiti öffentlich hervorgetreten, sondern auch durch ein Buch («Mein Sprayen, mein Revoltieren», 1979). Und das Wort, das Interview, das Gespräch blieb auch weiterhin ein wichtiges Medium seines künstlerischen Selbstverständnisses. Nicht nur der Tagespresse gab er regelmässig Auskunft über seine Beweggründe, sondern er publizierte auch programmatische Texte oder führte Gespräche mit so unterschiedlichen Künstlerkollegen wie Klaus Staeck und Ulrich Erben. In diesen Dokumenten wird neben der polarisierenden öffentlichen Figur ein ganz anderer Harald Naegeli sichtbar: der engagierte Ökologe, der literarisch und philosophisch vielseitig interessierte Leser, der spirituelle Mensch mit tiefen Verbindungen zu religiösen Fragen und meditativen Erfahrungen. Vergänglichkeit und Naturbezug sind durchgängige Themen – ebenso im Kontext der Kunst wie der gesamten Existenz. In allem aber ist ein feiner Faden eingewoben, der schon bei seinen Graffitti immer bezaubert hat: der Schalk.
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