Weltweit gilt die italienische Küche als Inbegriff von Genuss und kulinarischer Perfektion. Und nichts ist in Italien so heilig wie die prodotti tipici , die regionalen Spezialitäten.
Kaum ein anderes Buch erhitzte die italienischen Gemüter daher so sehr wie die Erkenntnisse des in Parma lehrenden Wirtschaftshistorikers Alberto Grandi: Die heute viel gehypte Authentizität italienischer Produkte sei vor allem auf geschickte Marketingstrategien der Lebensmittelindustrie in den 1970er-Jahren zurückzuführen.
Das nationale Selbstverständnis seines Landes brachte Alberto Grandi damit gewaltig ins Wanken.
Liebt ihr italienisches Essen und dessen Zutaten? Und interessiert ihr euch für kulturwissenschaftliche Zusammenhänge? Dann seid ihr bei Alberto Grandi richtig, der seinen Blick auf die Geschichte der italienischen Küchenklassiker richtet und damit im Land einen Shitstorm ausgelöst hat. Die Behauptungen, die er in den Raum stellt, sind sowohl gewagt als auch entlarvend, denn er räumt mit dem Mythos auf, das alles, was wir heute an Gerichten und Zutaten mit dem Schlagwort „Italienische Küche“ beschreiben, sich im Lauf der Jahrhunderte aus Traditionen entwickelt hat.
Grandi ist Historiker mit Lehrstuhl an der Universität Parma und forscht seit Jahren an der Wirtschaftsgeschichte Italiens mit Schwerpunkt auf Herkunft der traditionellen Speisen und ihrer Zutaten. Dabei ist er auf zahlreiche Behauptungen gestoßen, die sich nicht beweisen lassen und einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Schon der Untertitel zeigt, was der Autor von den „Traditionen der italienischen Küche“ hält. Alles erfunden, weil Ergebnis einer cleveren Marketing-Kampagne aus den Siebzigern/Achtzigern, die durch die Wiederbelebung von angeblichen Traditionen die Verunsicherung im Land kompensieren sollte, die dem Ende des italienischen Wirtschaftswunders geschuldet war.
Um diese Aussagen zu untermauern schaut sich Grandi die Produkte an, die mit „typisch italienisch“ assoziiert werden, und ohne die die Zubereitung der Gerichte seines Heimatlandes nicht möglich wäre. Mit Blick auf den historischen Kontext und die regionale Verortung kommt er zu dem Schluss, dass gerade bei dem, was wir als Klassiker wahrnehmen, z.B. Parmesan, Tomaten, Pasta, Olivenöl, Balsamico, die Herkunft (und manchmal leider auch Qualität) überwiegend fragwürdig ist.
Ein höchst unterhaltsamer Blick auf die Geschichte der italienischen Küche. Und wer sich nun weiter mit dem Thema beschäftigen möchte, findet im Anhang zwei Bibliografien mit Werken, denen Grandi seine Erkenntnisse verdankt: „Literatur, für diejenigen, die mir vertrauen“ und, wesentlich umfangreicher, mit „Literatur, für diejenigen, die mir misstrauen“.
Sehr aufschlußreich
Bewertung aus Moosburg am 15.06.2024
Bewertungsnummer: 2223363
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Weltweit gilt die italienische Küche als Inbegriff von Genuss und kulinarischer Perfektion. Und nichts ist in Italien so heilig wie die prodotti tipici, die regionalen Spezialitäten, die anerkannte Siegel wie DOC oder DOP tragen. Exportschlager wie Parmigiano Reggiano, Prosciutto di San Daniele oder Dolcetto d'Alba werden als nationales Kulturgut gehandelt. Kaum ein anderes Buch erhitzte die italienischen Gemüter daher so sehr wie die Erkenntnisse des in Parma lehrenden Wirtschaftshistorikers Alberto Grandi: Die viel gehypte Authentizität italienischer Produkte sei vor allem auf geschickte Marketingstrategien der Lebensmitteindustrie in den Siebzigerjahren zurückzuführen, deren angeblich uralte Herkunft schlicht erfunden. Alberto Grandi brachte damit das nationale Selbstverständnis seines Landes ins Wanken, die Empörung reichte bis in die Regierungskreise und über die Landesgrenzen hinaus. Warum Nationalismus manchmal auf dem Teller beginnt. Mit Wissen und Humor zerlegt Grandi ihn genüsslich. (Klappentext)
Dieses Sachbuch hat mir viele neue Aspekte über die italienische Küche vermittelt. Es liest sich flüssig, hat zudem auch Humor und ist nicht todernst verfasst. Es ist teilweise ein wenig ironisch und hat mich zum Nachdenken gebracht. Viele italienische Gerichte und vor allem auch Produkte sehe ich jetzt mit anderen Augen. Was nicht heißen mag, dass ich sie weniger mag und weniger gern esse. Wer sich gerne mit Esskulturen und auch Gewohnheiten beschäftigt sollte dieses Buch lesen.
Meinungen aus unserer Buchhandlung
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Parmesan, Schinken, Tomaten - alles nicht wegzudenkende Klassiker aus italienischen Küchen und das schon seit Jahrhunderten.
Oder?
Alberto Grandi zeigt die wahren und zum Teil sehr jungen Geschichten hinter vielen Produkten aus.
Was hat zum Beispiel der berühmte Parmigiano Reggiano mit Wisconson zu tun und wie unsüss war Panettone zwischenzeitlich?
Dies alles und noch mehr wird in diesem kleinen aber sehr feinen Büchlein beantwortet.
Dabei wirken die Geschichtsausflüge alles andere als trocken, sondern die Fakten werden immer wieder mit amüsanten Anekdoten gemeinsam dargestellt.
Schnell wird klar: Werbung zählt zum Teil deutlich mehr als wahre Tradition.
Dass nicht alle Italiener:innen Fan von diesem Werk begeistert sind, dürfte auf der Hand liegen. Das Aufdecken von diversen Hintergrundgeschichten hat Alberto Grandi einige Buhrufe eingebracht.
Wer sich für Esskultur interessiert und Freude an der italienischen Küche hat, dem ist dieses Buch aber wärmstens zu empfehlen.
...und der Parmesan schmeckt mir immer noch gut.