Der junge österreichische Autor Clemens J. Setz geht mit Sprache um wie ein Chirurg mit dem Seziermesser.
Clemens J. Setz ist ein scharfer Beobachter, der hinter die Fassaden gepflegter Reihenhaussiedlungen schaut und menschliche Eigenarten und Abgründe mit gnadenlos präziser Genauigkeit schildert. Aber sein Blick kann auch zärtlich und liebevoll sein, was den Geschichten in seinem Band "Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes" einen faszinierenden Facettenreichtum verleiht. Diese Stories, manche voll grotesker Ideen, können durch subtilen Horror und gewalttätige Ausbrüche unter die Haut gehen. Doch sie verzaubern den Hörer auch durch die Ambivalenz zärtlicher Momente und Blicke.
Nach "Söhne und Planeten" und "Frequenzen" nun Kurzgeschichten von Clemens J.Setz.
18 Erzählungen und jede einzelne davon geht unter die Haut.
Fesselnd
Top!
Anne Baldauf aus Leipzig am 20.06.2013
Bewertungsnummer: 814503
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Im vergangenen Herbst hat der Grazer Autor Clemens Setz, Jahrgang 1982, mit seinem wunderschön aufgemachten Roman Indigo Furore gemacht. Der Titel landete auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, erhielt allerorten gute Besprechungen, und auch der im deutschen Feuilleton so beliebte Wunderkind-Verdacht wurde in den letzten Jahren schon das ein oder andere Mal auf den kauzigen, fast typisch österreichischen Autor angewandt. Und ein Blick in die Vorgängertexte lohnt sich in der Tat.
Wer vor dem fast 500 Seiten starken Indigo zurückschreckt, kann sich wohl am besten mit dem 2011 erschienenen Erzählungsband Die Liebe zu Zeiten des Mahlstädter Kindes einen Eindruck von Setz Erzählkunst verschaffen. Geschichten von einer emotionalen Belanglosigkeit, wie sie viele junge Autoren in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten produzierten, findet man hier nirgends. In den 18 Erzählungen überwiegt das Skurrile, das Urkomische, nicht selten das Abgründige und durchweg das Originelle. So rekonstruiert der Autor auf vier Seiten Das Gespräch der Eltern in Hänsel und Gretel in der Nacht, bevor sie im Märchen ihre Kinder im Wald aussetzen, er berichtet in einer anderen Erzählung in nahezu wissenschaftlicher Form, inklusive fingierter Fußnoten, aus dem unglaublichen Leben eines mysteriumgebliebenen Computerspielentwicklers.
Die vielleicht stärkste Erzählung heißt passenderweise Das Herzstück der Sammlung. Sie zeigt am konkretesten, was eine Setz-Geschichte ausmacht. An der grundlegenden Situation eine Frau besichtigt das Werkarchiv eines Schriftstellers scheint alles unauffällig. Der junge Mann, dem das Archiv untersteht, verhält sich allerdings merkwürdig, bis die Besucherin ihn darauf hinweist, dass er ihr nicht alles gezeigt habe. Daraufhin begeben sich beide zu einer verschlossenen Tür, hinter der eine grunzende Gestalt mit greisenhafter Stimme in einem Gitterbett liegt. Herr Setz, sagt der Archivar zu der Gestalt, Ich wollte ihnen nur sagen, dass wir dann abschließen.
Wer Geschichten mit einer guten Prise Absurdität und Phantastik mag, ist bei Clemens Setz und seinem Erzählband Die Liebe zu Zeiten des Mahlstädter Kindes genau richtig aufgehoben.