„Da rannte die Pechmarie. Aber so weit sie auch rannte, das Blut blieb an ihr kleben …“ – es ist eine Schuld, die Marie antreibt. Eine Schuld, so gross, so unbewältigbar, dass Weglaufen die einzige Möglichkeit scheint. Eine Schuld, die das 14-jährige Mädchen in eine Waldhütte und damit in die Hände der „Eisen-Berta“ scheucht. Eine ruppige, alte Frau, die im Wald, abseits des nahegelegenen Dorfes lebt. Die das hungrige Mädchen aufnimmt, solange sie verschiedene Arbeiten verrichten würde.
Fast einen ganzen Sommer lang bleibt Marie hier, lernt neben der Alten auch Linus und Flora aus dem Dorf kennen. Flüchtet aus ihrer eigenen Geschichte in die Geschichten der anderen, in die Geschichten einer Dorfgemeinschaft.
Doch so sehr sie es auch zuzudecken versucht, das Schuldgefühl dringt immer wieder durch. Jagt ihr selbst im heissesten Hochsommer ein Frösteln über den Rücken, lässt in der Hitze Schneeflocken tanzen. Marie weiss, ewig kann sie sich nicht im Wald verstecken …
Es ist ein ganz besonderer Jugendroman, den die Linzer Jungautorin Barbara Schinko hier vorlegt. Gekonnt parallelisiert sie Maries Bewältigungsgeschichte mit Motiven und Elementen aus verschiedenen Märchen, spielt damit und interpretiert sie neu.
Ein ganz neues Genre jugendliterarischen Erzählens.
Tipps:
originelle und innovative Vermischung eines Coming-of-Age-Themas mit märchenhaften Elementen
spannend und sprachgewaltig erzählt, mit originellen Figuren und heimatlichen Schauplätzen
Barbara Schinko – eine neue Entdeckung in der österreichischen Jugendromanszene
Auszeichnungen:
2016: Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis
2016: Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien
Aufmerksamkeit:
Wie ich auf dieses Buch aufmerksam geworden bin, das dürft ihr auf meinem Blog entdecken.
Wie ich die Geschichte empfunden habe:
Ich muss gestehen, das Buch hat eine leichte Melancholie. Es ist traurig und doch mit einer gewissen Leichtigkeit, so das die Trauer nicht herunterziehend ist. Dieses Buch versteckt in seinen Botschaften die Geschichte von Marie und nur wer aufmerksam liest erfährt was mit ihr wirklich geschehen ist, denn dass dieses Mädchen keine leichte Bürde mit sich herum schleppt um überhaupt zu fliehen, dass kann man schon von der ersten Seite an entdecken, aber wirklich ihr Geheimnis kann man nur lüften und verstehen, wenn man die Geduld hat, zwischen den Zeilen und bis zum Ende durchzuhalten, dass macht das Buch aber leicht, dank der leichten Sprache und den verspielten Sätzen.
Charaktere im Buch:
Für mich ist Marie ein starkes 14 jähriges Mädchen, das ich gut verstehen kann, so viel wie sie erleben musste zu Hause, kann man jedoch von einem traumatisierten Mädchen sprechen. Diese lässt es aber nicht "heraus hängen", sie versteckt es eher, erst langsam taut sie bei Eisen Berta auf und erkennt, sie darf sein, wie sie ist.
Doch mit einem Schicksalsschlag, das mit dem Distel zusammenhängt, muss sie lernen sehr gut umzugehen, und hier konnte ich Marie zu 100 Prozent nachempfinden und war selbst leicht entsetzt von der Berta.
Ein geliebtes Tier starb, und Marie hatte nicht ganz Unschuld. Eisen Berta lebt jedoch von den Tieren und muss es schlachten. Hier muss Marie ganz stark sein und erkennen, Handlungen haben Folgen, Folgen haben Konsequenzen und die sind nicht immer leicht zu akzeptieren und zu verstehen.
So versucht Marie erneut wegzulaufen, ob ihr das gelingen wird, oder ob sie sich stellt? Das soll euch das Buch selbst verraten.
Es gibt auch noch Rapunzel und Linus im Buch. Rapunzel bleibt fremd, aber dennoch spielt sie eine tragende Rolle in diesem Buch.
Linus dagegen wird ein wirklich guter Freund von Marie und hilft ihr, sich wieder für das Leben zu entscheiden. Er ist ein Junge, der ermutigt, und ganz zart mit einem Menschen umgeht, dennoch und gerade deswegen hat er auch die Erlaubnis und den Schlüssel zu Maries Herz erhalten und darf deswegen auch mal strenger zu ihr sein, und ihr das Leben, wie er es sieht mitteilen.
Für mich sind die Charaktere warm und lebensnah. Sie sind zwar nicht alle gleich stark heraus geformt worden, dennoch hat jede ihre eigene Rolle in diesem Buch, die nur diese Figur einnehmen kann. Mir sind die Charaktere sehr nah gewesen, bis auf eine, und ich hatte das Gefühl, die Geschichte wirklich vor meinen Augen zu sehen. Nicht nur indem ich sie wahr genommen hatte, sondern ich hatte das Gefühl sie wirklich mit zu erleben und zu gestalten. Das fand ich berührend.
Schreibstil:
Barbara schreibt dieses Buch in einer versteckten und sehr lieblichen Form. Das Grausame was Marie erlebte, muss man als Leser heraus lesen und kann nur durch aufmerksames wahr nehmen erkannt werden.
Nur in einer Sache war Barbara sehr klar, vielleicht etwas zu klar, als Distel starb. Diese Geschichte war irgendwie der Hauptakt, der lauteste Knall, der Mittelpunkt dieser Geschichte. Andererseits fand ich es genial, dass die Autorin den Mut hatte, Marie und mich an die Hand zu nehmen und zu erklären wie das Leben und das Sterben für ein Tier aussehen kann. Vor allem wie man mit Dingen (seien es Lebewesen, Sachliche Dinge oder anderes) umgehen sollte, jedoch nicht mit erhobenen Zeigefinger.
Das Buch ist verschlüsselt geschrieben, und diese Wechselwirkung zwischen Rückblick und dem Jetzt fand ich total genial geformt, wenn auch sehr überraschend. Denn so einen Schreibstil, habe ich lange nicht gelesen und muss sagen, nur durch Barbaras Herzblut habe ich es auch gerne gelesen, andere Bücher mit weniger Herz wären abgebrochen worden.
Was auch faszinierend für mich war, dass Barbara die Geschichte um Geschichten umrankte. So trifft man auf viele bekannte Märchen und vor allem auf Frau Holle. Diese Märchen machen deutlich, wie grausam diese eigentlich sind, und doch wie warm und herzlich einem werden kann, wenn man sich mit diesen Märchen auseinander setzt.
Übrigens, das Buch lebt weiter, selbst wenn man es beendet hat, denn man muss sich selbst die weiteren Handlungen überlegen, weil das Ende offen ist. Einerseits mag ich so was gar nicht, doch in diesem Buch ist es passend, denn nur wer zwischen den Zeilen zu lesen vermag der kann auch entdecken, was wirklich mit den Figuren im Buch passierte.
Spannung:
Man mag meinen, dass das Buch nicht spannend ist, wenn alles zwischen den Zeilen geschrieben steht, und hier kann ich nur sagen, weit gefehlt. Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend und das nicht nur, weil ich begeistert bin, sondern es berührte mich auf eine ganz bestimmte Weise und ich wollte wirklich wissen, wie geht es mit Marie weiter, was wird sie als nächstes anstellen, oder auch heraus holen aus ihrem Herzen? Warum handelt Marie wie sie handelt und was bedeutet es für sie, mit Narben herum zu laufen, wer fügte ihr überhaupt diese Narben zu? Obwohl man es nicht ganz genau von Marie mitbekommt, so ist das Kopfkino am Werk und man kann eins und eins zusammen zähle, oder aber auch nicht, die Geschichte lebt nur mit dem Leser zusammen.
Weiterempfehlung?
Ihr solltet dieses Buch lesen, es berührt, es macht nachdenklich und es regt an, über Dinge neu nachzudenken, neu zu überdenken. Das schaffen wirklich wenige Bücher.
Und gerade weil es so versteckt geschrieben worden ist, hat es einen eigenen Zauber. Auch die Themen im Buch selbst, Freundschaft, Abschied, Neuanfang finde ich sehr wertvoll und kann sicherlich eine gute Hilfestellung für Jugendliche aber auch Erwachsene sein.
Bewertung:
Ich bin von diesem Buch sehr berührt worden, zugleich durfte ich ein starkes Mädchen kennen lernen, das mir nicht unähnlich war, sondern es wirkte für mich wie meine kleine Schwester. Liebenswert und Beachtenswert, Faszinierend und zugleich Abstoßend. Diese Mischung macht es für mich zu einem TOP Buch.
Für mich bekommt das Buch, weil es mich wirklich tief bewegte, fünf Sterne.