Unschärfen der Liebe
Roman - Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2023
Fr. 36.90
inkl. gesetzl. MwSt.Beschreibung
Details
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2023
Eine Zugreise von Chur bis nach Istanbul: Angelika Overath erzählt eine west-östliche Fahrt durch den Balkan. Wie viel Freiheit kann es geben zwischen drei Menschen unterschiedlicher Kulturen, die einander suchen und sich selbst finden?
Als Baran im schweizerischen Chur den Zug besteigt, ahnt er bereits, dass nichts mehr so sein kann, wie es war. Sein Lebenspartner Cla entfremdet sich ihm. Und auch er hat sich verändert. Er liebt Cla, aber nun hat er die Bündnerin Alva, Clas vorherige Partnerin und Mutter ihres gemeinsamen Kindes Florinda, kennengelernt. Was bedeutet diese unerwartete Nähe? Je länger Baran aus dem Zugfenster schaut, hinter dem die Landschaften ihr Gesicht wechseln, je vertrauter ihm die Menschen in den Abteilen werden mit ihren Geschichten, desto mehr mischen sich Erinnerungen und gegenwärtiges Erleben. Orte und Zeiten gehen ineinander über. Im Nachtzug von Sofia nach Istanbul bricht eine Entscheidung auf, die am Ende alle überraschen muss.
Unsere Kundinnen und Kunden meinen
Ménage à trois
Kaffeeelse am 14.07.2024
Bewertungsnummer: 2244295
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Beziehungsarbeit während einer Zugfahrt, Nachdenken über die Beziehungsmuster, über Ängste, Ängste vor dem eigenen Tun, Ängste vor dem Tun des Partners.
Und während dieser Gedanken tuckert der Protagonist Baran von Chur nach Istanbul zu seinem Mann Cla. Während dieser Fahrt ermöglicht Angelika Overath immer wieder kurze Blicke in die bereisten Länder, so dass dieses Buch auch ein Reiseroman wird.
Nun ist dieses Buch aber nicht nur ein Blick in eine Beziehung, sondern eigentlich ist dieses Buch auch eine kleine Ménage à trois, denn Baran kommt aus Chur und hat dort Clas ehemalige Freundin, die Bündnerin Alva und Clas Tochter Florinda besucht. Und natürlich hat er nicht nur einen Besuch abgestattet, denn irgendwie ist zwischen Alva und Baran etwas passiert, was Baran natürlich zusetzt.
Und so blickt Baran nicht nur auf das bereiste Land, sondern auch auf die Mitreisenden und lenkt sich mit Spekulationen über diese Menschen, mit Spekulationen zu ihren Lebenssituationen etwas vor der eigenen, im Dreieck springenden, Gedankenwelt ab.
Über diese Blicke auf verschiedene Menschen philosophiert Angelika Overath etwas über die Unschärfen der Liebe, ein interessantes Buch, auch ein gutes Buch, ebenso ein interessanter Schreibstil und auch ein schöner Sprachklang. Alles ganz gut. Ja. Durchaus. Aber was vermittelt mir dieses Buch? Dass Menschen Menschen sind und manchmal unergründlich. Nun gut. Das ist mir nicht unbedingt neu.
Das Buch endet in Istanbul und zeigt ein mögliches Ende.
Was schön ist.
Aber was passiert dann? Alva ist Florindas Mutter, der Kontakt zu Cla wird also bestehen, wie wird dann Baran damit umgehen. ?!?! Mein Kopfschütteln seht ihr ja gerade nicht.
Aber auch dies bleibt offen, Menschen sind ja Menschen, ich weiß.
Das mögliche Ende lässt aber eigentlich alles offen. Denn obwohl die Geschichte ja durchaus nachvollziehbar ist, gerät das Buch am Ende doch etwas phantastisch und lässt die Leserschaft etwas verwundert zurück, mich zumindest. Trotzdem ein gut gewähltes Ende. Vielleicht sogar etwas hoffnungsvoll und verträumt. Trotz der dramatischen Situation. Die nach dem Geplätscher vorher doch mit einem gewaltigen Knall einhergeht.
Im Zug zwischen Orient und Okzident
speedy208 (Mitglied der Book Circle Community) am 21.04.2024
Bewertungsnummer: 2183518
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Als Zugreisender kann man sich sehr gut mit der Hauptperson (Baran) identifizieren. Baran ist ein griechischer Deutsch-Türke, der sein Literaturstudium abgebrochen hat, und in Istanbul seinen Schweizer Geliebten Cla kennen und lieben lernt, und diesem nach Chur folgt, wo Clas Ex-Freundin Alva mit dem gemeinsamen Kind Florinda wohnt. Cla ist ein Geschichtsdozent, den Baran bei seiner Recherche unterstützt. Sie pendeln zwischen Istanbul und Chur. Alva ist Alpinistin. Die 4 bilden eine Art Patchwork-Familie, wenn sie auch nicht zusammenwohnen und -leben, aber doch lose immer in Verbindung bleiben. Florinda nennt ihren leiblichen Vater Cla “Cla-Pa” und Baran “Ba-Pa”.
Als Cla - neben seiner Arbeit als Lehrer/Dozent - für einen Auftrag des Istanbuler Museums früher als erwartet nach Istanbul zurückmuss, fliegt er, und Baran, der keine Verpflichtungen hat (er muss nur eine Biografie vom Türkischen ins Deutsche übersetzen oder vice-versa) , fährt mit dem Zug über die Balkantrasse in die Türkei. Es kommt einem vor, als sitze man Baran unsichtbar auf der Schulter, erlebe das, was er unterwegs sieht und erfährt. Sieht die Landschaften, die Orte, die Flüsse, die Brücken, die Häuser vorbeistreichen. Und das Wort “Vor-Bei” weckt Assoziationen sowohl mit dem Takt des Zuges wie auch mit der Vergangenheit. Baran denkt an seine Zeit mit Cla, an Clas Recherchen zu Konstantin dem Grossen (Gründer von Byzanz, Konstantinopel) usw., aber auch an seine bescheidene Jugend als Gastarbeiterkind der 1970er in Deutschland. Dann fällt ihm wieder Alva ein und das Kind, das ihm wie jene ideale Familie vorschwebt, die er gerne (gehabt) hätte. Und in Chur trennen sich auch Alvas, Florindas und Barans Wege am Bahnhof. Er schwankt zwischen der Zuneigung zu ihr und zu Cla, was ihm vor allem unterwegs klar wird. Seinen uralten Koffer, neben seiner Sporttasche sein Zuggepäck, hütet er wie seinen Augapfel, wurde dieser ihm doch vom Grossvater samt einem kostbaren alten Buch auf Türkisch darin vererbt, der ihn mit seiner Familie verbindet.
Historische Stätten und Persönlichkeiten, von der Frühzeit bis in die Balkan-Kriege der 1990er, werden durch Barans Gedanken auf der Zugfahrt lebendig. Man nimmt Gerüche, Menschen, Traditionen wahr und bleibt doch im 21.Jahrhundert samt Handys. Das Ende ist offen; man kann es so oder so interpretieren. Ich gehe von einem Wachtraum aus.
Das Buch umfasst gut 200 Seiten. Dem Leser kommt es aber doppelt so lang vor, weil es so reichhaltig und abwechslungsreich ist. Eine Art “Train-Novel”, die richtig Lust macht, Barans Reise selbst zu machen.