Eine Galeristin tauscht ihr aufregendes Berufsleben gegen den eintönigen und überfordernden Job als Vollzeitmutter. Doch der Drang, ihr Leben mit Kind gegen jede Konvention ungezähmt und frei zu gestalten, wird immer stärker - bis sich eine völlig neue Identität Bahn bricht. Dieser brillante Roman erzählt auf unerhört komische Weise davon, wie viel zu gewinnen ist, wenn man sich auf die monströsen Seiten der Mutterschaft einlässt.
Eine junge Mutter legt ihre eigene Karriere auf Eis, um sich um ihren Sohn zu kümmern. Ein Knochenjob zwischen Holzeisenbahn und Lätzchen. Doch als sie körperliche Veränderungen feststellt - geschärfte Eckzähne und Haare, die sich wie Fellbüschel anfühlen - entdeckt sie eine unbekannte, animalische Seite an sich. Je stärker sich die rationale Künstlerin auf ihre Verwandlung einlässt, desto natürlicher gestaltet sich die Beziehung zu ihrem Kind. Doch wie soll sie es ihrem Mann erklären, dass der Sohn neuerdings im Hundekorb schläft und statt Joghurt und Cornflakes lieber rohes Fleisch frühstücken möchte?
Rachel Yoder hat mit ihrem sensationell klugen und urkomischen Roman über moderne Mutterschaft einen Nerv getroffen. Ein feministischer Familienroman, der seinesgleichen sucht.
hamburg.lesequeen aus Bargfeld-Stegen am 25.10.2023
Bewertungsnummer: 2051427
Bewertet: Hörbuch-Download
NIGHTBITCH
Rachel Yoder
Bevor sie Mutter wurde, war die Frau Galeristin. Sie liebte ihren Beruf und ging voll in ihm auf. Nie wollte sie etwas anderes sein - Mutter werden war nie ein Thema.
Doch dann wurde sie schwanger und bekam den Sohn. Anfänglich gab sie ihren Beruf nicht auf. Andere Frauen schafften das ja schließlich auch! Aber Tatsache war, dass die Mutter den Spagat zwischen Muttersein und Berufstätige nicht gelang. Immer öfter war sie überfordert - diese schlaflosen Nächte mit anschließenden harten Arbeitstagen waren schlichtweg nicht mehr zu bewältigen - also gab sie ihren Beruf auf. Für den Sohn! Und warum auch nicht? Ihr Mann verdiente schließlich viel Geld und jetzt hatte sie endlich genug Zeit, um sich um den Sohn zu kümmern.
Doch warum wollten sich jetzt keine Mutterfreuden einstellen? Wieso konnte sie den Tag mit dem Sohn nicht einfach genießen?
Der Sohn forderte und quengelte den ganzen Tag und gab nie Ruhe. Sie fand keine Zeit zum Waschen und Putzen, und wann sie zum letzten Mal geduscht hatte, wusste sie auch nicht mehr.
Ihr Mann, der sich Alltags auf Geschäftsreise befand, war auch keine Hilfe. Und mit den anderen Muttis, die alle in ihrer „Muttirolle" aufblühten, konnte sie auch nichts anfangen.
Und genau zu diesem Zeitpunkt, als sie kurz davor war durchzudrehen, passierte es:
Ihr Körper veränderte sich. Hinten in ihrem Nacken wuchs ein Büschel Haare und auf einmal hatte sie Gelüste auf rohes Fleisch. Verwandelte sie sich zu einem Hund? Anfänglich versuchte sie das zu verheimlichen. Wie sollte sie das auch ihrem Mann erklären?
Der Einzige, der ihre Verwandlung mochte, war der Sohn. Der fand das Spiel, in einer Hundebox zu schlafen, ein Halsband zu tragen und zum Frühstück rohes Fleisch zu essen, ganz wunderbar.
Wie die Geschichte weitergeht und was die anderen Muttis zu dem ganzen sagen, müsst ihr allerdings selber lesen.
Mitreißend, skurril und zynisch erzählt Rachel Yoder von einem Muttidasein, das so ganz anders ist, als wir es kennen. Und auch wenn ich mich damals nach der Geburt meiner Tochter nicht zum Hund verwandelt habe, so konnte ich doch diverse Parallelen zwischen mir und Nightbitch erkennen. Ich habe das Buch abwechselnd gelesen oder gehört. Die Sprecherin des Hörbuches, Jana Kozewa hat Nightbitch eine unglaublich passende Stimme gegeben.
80 % des Buches habe ich richtig gerne gelesen/gehört, lediglich das Ende konnte mich nicht überzeugen. Schade, da hätte sich die Autorin etwas anderes einfallen lassen müssen.
Wie dem auch sei, trotz des unbefriedigenden Endes möchte ich allen Nicht-Vegetariern dieses ganz andere, skurrile Buch ans Herz legen, denn es ist wirklich lesenswert.
3½/ 5
auf den Hund gekommen
stefanb am 18.09.2023
Bewertungsnummer: 2024977
Bewertet: Hörbuch-Download
Nightbitch. Man könnte auch sagen, die Protagonistin sei auf den Hund gekommen. Aber jetzt erstmal ganz von vorne. Das Cover sticht schon ziemlich aus der Masse heraus. Mir fällt kein Roman ein, der den Lesenden einfach ein rohes Stück Fleisch präsentiert. Und auch der Titel ist sehr prägnant. Am besten geht man unvoreingenommen an diesen Roman heran und lässt die Geschichte einfach auf sich wirken. Es lohnt sich.
Oh wie schön ist es, wenn eine Frau zu einer Mutter wird. Während sich für die Männer nicht allzu viel ändert, gibt es bei den Frauen einiges, das das Leben richtig umkrempelt. Körperliche Veränderungen sind da nur ein Aspekt. Aber genau diesen Aspekt lässt die Autorin Rachel Yoder ihre Protagonistin auf das Intensivste durchleben. Das Ganze ist sehr pointiert geschrieben und trifft genau ins Schwarze. Wer selbst Kinder hat, egal ob Frau oder Mann, wird sich des Öfteren in den verschiedenen Szenen wiedererkennen.
Mir persönlich gefällt, dass Yoder das Thema Mutterschaft auf unorthodoxe Weise anspricht, verdeutlich und interpretiert. Besonders gefällt mir das Ende. Mit so einer gekonnten Kurve und dem darauffolgenden Abschluss des Romans hätte ich nicht gerechnet.
Gesprochen wird der Roman von Jana Kozewa. Bei dem Hörbuch konnte man sich entspannt zurücklehnen und der Verwandlung, hin zu Nightbitch, konzentriert und gespannt lauschen.
Meinungen aus unserer Buchhandlung
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Wer genügend Ausdauer mitbringt, für den könnte Niightbitch etwas sein.
Ich musste mich durch den ersten Teil etwas durchkämpfen, was sich dann in der zweiten Hälfte des Buches bezahlt macht.
Im ersten Teil kommt die Protagonistin (man erfährt ihren Namen nicht) nicht gut zurecht mit ihrer neuen Mutterschaft und dem nicht-ausleben-können ihrer Kunst und Kreativität. Sie hat das Gefühl, sich in einen Hund zu verwandeln, sehr amüsant. Etwa in der Mitte ändert sich aber das Verhältnis der Mutter zum Muttersein, als sie sich das erste mal richitg 'ausleben' kann. Dieses Ausleben hat eine solche Kraft, Ästhetik und Intuition in sich, dass das einfach cool und mitreissend ist. Wie dieses 'Ausleben' aussieht und stattfindet, erfahren Sie im Buch. Und ohne zu viel zu verraten: Der Schluss ist das Beste an der ganzen Sache. Er hat für mich das Buch gerettet!
Beim Lesen hatte ich teils sehr widersprüchliche Gefühle der Protagonistin gegenüber, dies legt sich dann aber im zweiten Teil.
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In jeder Hinsicht unerwartet erzählt Rachel Yoder über das Muttersein in unserer Zeit. Klingt banal, aber ich verspreche, das Ergebnis ist phänomenal.
Die Hauptfigur, nur «Mutter» genannt, hat nach der Geburt ihres Sohnes zunächst noch zu arbeiten versucht, musste aber irgendwann aufgeben. Nun ist sie in der privilegierten Position, «nur» Hausfrau und Mutter sein und sich tagein, tagaus um ihren Sohn kümmern zu können. Doch warum fühlt sie sich nicht privilegiert? Warum hat sie den Eindruck, gescheitert zu sein? Und wie soll sie mit der unbändigen Wut umgehen, die sie immer wieder überkommt? Aus der Mutter wird Nightbitch, eine Hündin, die nachts umherstreift, kleine Tiere reisst und sich ganz ihren Instinkten überlässt. Ob die Verwandlung die erhoffte Erlösung birgt?
Rachel Yoder schreibt chronologisch und als allwissende Erzählerin aus Sicht ihrer Protagonistin. Die Ereignisse dieses Sommers schildert sie überwiegend in Innenansichten der Mutter, ihren Gedanken und Gefühlen. Die Mutter ist oft sarkastisch. Entsprechende Aussagen bzw. Gedanken sind kursiv geschrieben. In ihrer Verzweiflung findet sie in der Bibliothek ein (fiktives) Buch, aus dem sie im Folgenden immer wieder zitiert, wir bekommen es somit auch mit einer Form von Interliterarität zu tun. Als die Mutter beginnt, der Autorin Mails zu schreiben, hat dies Ähnlichkeiten mit Beten. Der Besuch einer Party wiederum mutet sektenartig an, der realitätsnahe Anlass – die Bewerbung eines idealen Geschäftsmodells für Mütter zum Erwirtschaften eines passiven Einkommens – wirft ein Schlaglicht auf die beruflichen Aussichten des Mutterseins.
Die Autorin schildert die tiefe Verzweiflung, Frustration und Wut von Müttern bzw. denen, die sich ausschliesslich um die Kinder kümmern, auf treffende, urtümliche, teils beissende, oft komische Art und Weise. Sie zeigt, was auch heute immer noch im Argen liegt und bedient sich bei der Lösungsfindung eines fantastischen, völlig überraschenden Weges: der Hundwerdung ihrer Protagonistin. Wie die Mutter aus ihrer Verwandlung eine Performance macht, so ist auch dieses Buch eine einzige Kunstperformance: leicht verstörend, zutiefst bewegend und unvergesslich!
Übersetzt von Eva Bonné.