Buchhändler/-innen im Portrait

Meine Lieblingsbuchhändler/-innen

Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

Kathrin Bögelsack Filiale: Orell Füssli Bern
0 Rezensionen 91 Follower
Meine letzte Rezension Bis die Sonne scheint von Christian Schünemann
Christian Schünemann erzählt in seinem Roman «Bis die Sonne scheint» die Geschichte einer deutschen Familie. Angelehnt sind die Ereignisse dabei an seine eigene Familiengeschichte. Schünemann beginnt den Roman in der Perspektive des ca. 15-jährigen Ich-Erzählers Daniel, der rückblickend vom Jahr 1983 erzählt, in dem die Verdrängungstaktik der Eltern nicht mehr aufgeht. Die Stimmung fängt Schünemann dabei so gekonnt ein: einerseits blickt ein älterer Daniel leicht wehmütig und erfahren auf jene Zeit und sein jüngeres Ich zurück, das mitten drin ist in seiner Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen. Mit zahlreichen Gegensätzen verdeutlicht der Erzähler die Diskrepanz zwischen kindlichem Blick auf die Eltern, die es schon richten werden, und der langsam einsetzenden Erkenntnis, dass Eltern menschlich und somit fehlbar sind. Das Ergebnis ist tragisch-komisch, urteilsfrei, versöhnlich und zutiefst liebevoll. Parallel dazu wechselt Schünemann die Perspektive und die Zeit und berichtet als allwissender Erzähler und im Präsens aus den Leben von Daniels Grosseltern und Eltern. Im Nachwort schreibt Schünemann, dass ihm wichtig war, seine Familie als «Personen der Zeitgeschichte zu sehen» und so liest sich dieser Familienroman auch als Stück deutscher Geschichte. «Bis die Sonne scheint» hat mir von Anfang bis Ende unheimlich gut gefallen. Schünemann schreibt unaufgeregt, fast «still», er entzaubert die älteren Generationen, aber das ändert nichts an Daniels Einstellung zu ihnen. Für mich ein Geheimtipp!
ab Fr. 28.00
5/5
  • Kathrin Bögelsack
  • Buchhändler/-in

Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

5/5

Bis die Sonne scheint

Christian Schünemann erzählt in seinem Roman «Bis die Sonne scheint» die Geschichte einer deutschen Familie. Angelehnt sind die Ereignisse dabei an seine eigene Familiengeschichte. Schünemann beginnt den Roman in der Perspektive des ca. 15-jährigen Ich-Erzählers Daniel, der rückblickend vom Jahr 1983 erzählt, in dem die Verdrängungstaktik der Eltern nicht mehr aufgeht. Die Stimmung fängt Schünemann dabei so gekonnt ein: einerseits blickt ein älterer Daniel leicht wehmütig und erfahren auf jene Zeit und sein jüngeres Ich zurück, das mitten drin ist in seiner Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen. Mit zahlreichen Gegensätzen verdeutlicht der Erzähler die Diskrepanz zwischen kindlichem Blick auf die Eltern, die es schon richten werden, und der langsam einsetzenden Erkenntnis, dass Eltern menschlich und somit fehlbar sind. Das Ergebnis ist tragisch-komisch, urteilsfrei, versöhnlich und zutiefst liebevoll. Parallel dazu wechselt Schünemann die Perspektive und die Zeit und berichtet als allwissender Erzähler und im Präsens aus den Leben von Daniels Grosseltern und Eltern. Im Nachwort schreibt Schünemann, dass ihm wichtig war, seine Familie als «Personen der Zeitgeschichte zu sehen» und so liest sich dieser Familienroman auch als Stück deutscher Geschichte. «Bis die Sonne scheint» hat mir von Anfang bis Ende unheimlich gut gefallen. Schünemann schreibt unaufgeregt, fast «still», er entzaubert die älteren Generationen, aber das ändert nichts an Daniels Einstellung zu ihnen. Für mich ein Geheimtipp!

Meine Lieblingswerke

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Revolution der Verbundenheit

    …das ich bisher gelesen habe. Franziska Schutzbach zeigt auf, warum intensive Frauenfreundschaften so wichtig für uns sind und was sie alles bewirken können. Uns verbunden zu fühlen schenkt uns z. B. Hoffnung und Zuversicht in das Leben, die Zukunft, die Menschheit. Das wiederum schützt uns vor den Verführungen des Populismus. In intensiven Freundschaften wird aber auch diskutiert, werden Missstände benannt, Lösungen gesucht, einige davon werden verworfen, es werden aber auch welche gefunden, die das Leben Schritt für Schritt verbessern. Schutzbach plädiert zudem dafür, dass wir uns mehr Geschichten erzählen über unsere Schwestern, Mütter, Tanten, Grossmütter etc. – damit wir uns als Frauen verortet und nicht isoliert fühlen. Denn sich selbst in diese Genealogie einzureihen vermittelt neben der Zugehörigkeit Trost und Stärke. Das sind nur zwei Aspekte für die sich die Lektüre von «Revolution der Verbundenheit» über die Masse lohnt und warum ich das Buch mit Vorliebe empfehle. Schutzbach stellt ihren Kapiteln, die in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können, immer einen Brief voran, den sie an eine andere Frau geschrieben hat. In den Briefen legt sie ihre Gedanken zum Thema des jeweiligen Kapitels auf eine einfache Weise dar. Einfach, weil Schutzbach Wissenschaftlerin ist und man das den auf den Brief je folgenden Erörterungen mal mehr, mal weniger stark anmerkt. Manche Abschnitte sind dadurch etwas schwieriger zu lesen, aber es lohnt sich. Sie schaut kritisch auf die bisherige Frauenbewegung, auf Utopien – gelebte oder fiktive (inkl. weiterer Lektüreoptionen) – auf unsere Kulturgeschichte und wie diese sich auch interpretieren lässt (wie kann bspw. die Geschichte von Odysseus’ Frau Penelope noch gelesen werden, ausser als passives und treues Warten auf den Mann, der ihrem Leben einen Sinn verleiht?). Sie gibt uns Anregungen und sie macht uns Mut. Mut, uns die Hände schmutzig zu machen und für uns, unsere Werte und das Leben, das wir führen möchten einzutreten. Denn einen «sauberen» Feminismus wird es nie geben. Dafür sind wir alle zu verschieden, zu geprägt von Gesellschaft und Kultur, zu menschlich. Wir werden Fehler machen, aber das ist in Ordnung, wenn wir darüber zu reden bereit bleiben, sagt sie. Nach der Lektüre stehen wir nicht mit einem fix-fertigen Bauplan für eine gleichberechtigte Welt da – vielmehr setzt Schutzbachs Buch behutsam einen Prozess in Gang, dessen Ende offen ist, mich aber hoffnungsvoll stimmt.

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Rosa Buch

    Ich liebe meine Kolleg*innen, gerade auch für ihre genialen Buchtipps: «Rosa Buch – Queere Texte von Herzen» von Anna Rosenwasser ist ein solcher Tipp, den ich mit einem begeisterten «Lest» weiterempfehle. Das Buch vereint viele der in diversen Zeitungen und Zeitschriften von 2018 bis 2022 erschienenen Kolumnen der LGBTQ-Expertin und Feministin. Diese sind maximal sechs Seiten lang, in der Regel kürzer, und Rosenwasser behandelt darin, frisch von der Leber weg, zahlreiche Themen. Zuvorderst natürlich den grossen queeren Themenbereich: queer sein, Ehe für alle, die vielen Formen der Diskriminierung, die queere Community, wie wichtig die Bubble ist und so vieles mehr. Sie spricht ganz allgemein über Frau-Sein, Liebeskummer, Jüdisch-Sein, betreibt Aufklärung in jeglicher Hinsicht und erklärt, was das und insbesondere ihr Problem mit rechtem Gedankengut ist. Sie spricht über Themen, die ihr am Herzen liegen, Erfahrungen, die sie gemacht hat und die sie nun reflektiert, sie beantwortet Leser*innenfragen und versucht, Vätern zu helfen, die ihre Töchter vor Sexismus schützen wollen. Sprachlich lässt sie gelegentlich Mundart, Englisch und Laute wie «njä» einfliessen. Sie schreibt humorvoll, prägnant, pointiert und gelegentlich auch wütend. Sie spricht ihr Publikum direkt an, bezieht uns in ihre logischen Gedankengänge mit ein und sorgt so für zahlreiche Aha-Momente. Manche Kolumnen wiederholen bereits zuvor behandelte Standpunkte, allerdings immer aus einem leicht veränderten Blickwinkel. So zeigt sie auf, dass diese Themen offenbar immer wieder im Raum stehen und es nötig ist, sie erneut zu behandeln. Grandios sind im Übrigen auch die Haptik, das Layout und dabei insbesondere die «Katzenschwanzzeilen», mit denen sie ihre eigenen Texte kommentiert. Mittendrin befindet sich ein Index, am Ende ein Glossar, manche Seiten sind ganz oder teilweise rosa eingefärbt und zwischendurch stehen immer wieder ganzseitige Fotografien von Katzenkratzbäumen. Das «Rosa Buch» ist ein neues Lieblingsbuch von mir. Eines, das ich wegen seiner Relevanz und Menschenliebe allen empfehlen möchte und das ich sicherlich immer wieder in die Hand nehmen werde, um einzelne Texte daraus zu lesen.

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Feel-Good Productivity

    Klar strukturiertes, sinnvoll aufgebautes, gut verständliches und wissenschaftlich fundiertes Sachbuch über unsere Produktivität. Ali Abdaal begann, sich während seines Medizinstudiums Gedanken zur Produktivität zu machen. Bis zu dem Zeitpunkt ging er davon aus, dass die Antwort auf fehlende Produktivität lautete: mach halt mehr, mach es schneller, sei disziplinierter. Doch damit stiess er irgendwann naturgemäss auf Grenzen, die sich durch ein «Mehr» nicht mehr beseitigen liessen. Was also tun? Unsere Produktivität lässt sich steigern durch gute Gefühle und beides sorgt für mehr Energie, welche sich wiederum positiv sowohl auf die guten Gefühle als auch auf die Produktivität auswirkt. Ein Kreislauf, von dem er sich im vorliegenden Buch vor allem den Aspekt der Energie anschaut. Woraus schöpfen wir Energie, wie lösen wir Energieblockaden (bestehend aus Unsicherheit, Angst und Lähmung) und wie erhalten wir unsere Energie (Zeitmanagement, Pausen, kreative Hobbies, im Einklang mit unseren Werten leben etc.)? Abdaal arbeitet enorm viel mit Beispielen aus seiner eigenen Erfahrung, er beschreibt anschaulich bereits durchgeführte Studien und er stellt uns zu jedem Unterpunkt in Form von «Experimenten» Ideen vor, mit denen wir die zuvor besprochenen Konzepte praktisch in unseren Alltag integrieren können. Welche davon bei uns funktionieren, müssen wir dann nur noch herausfinden.   Ich finde die «Feel Good Productivity» fachlich enorm stark. Wie vielseitig und umfassend er das Thema beleuchtet, hat mich beeindruckt. Teilweise hatte ich von den Konzepten bereits gehört, aber wie sie hier zusammengeführt werden, ist (mir) neu. Auch das grafisch ansprechende Layout und die klare Struktur gefallen mir sehr gut, weil sie die Lektüre auflockern und uns auch rein optisch an der Hand nehmen. Einzig auf die Wiederholung der hervorgehobenen Erkenntnisse unmittelbar davor oder danach hätte ich verzichten können. Was mir ebenfalls enorm gut gefallen hat, ist Abdaals nahbare Art. Er gibt nicht vor, nie vor diesen Problemen gestanden zu haben, ganz im Gegenteil. Er schreibt gut verständlich und er verweist immer wieder gern auf popkulturelle und sportliche Phänomene (World of Warcraft, Beyoncé, LeBron James, die Chicago Bulls, Fantasy-Autoren etc.). Allein die Lektüre der «Feel Good Productivity» hat meine Laune und meine Motivation gesteigert. Beim Lesen konnte ich förmlich merken, wie mein Kopf zu arbeiten beginnt und das neu Erlernte verknüpft mit bestehenden Strukturen. 100 %-ige Leseempfehlung! Aus dem Englischen von Annika Tschöpe. PS: Wieder ein Buch, das ich mit Notizbuch und Stift in der Hand lesen würde ;-)

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    22 Bahnen

    Lange bin ich um «22 Bahnen», den Debütroman von Caroline Wahl, herumgeschlichen und frage mich nach der Lektüre einmal mehr, warum ich mir diese tragisch-schöne und beglückende Lektüre so lange verwehrte? Ich-Erzählerin Tilda ist Anfang/Mitte 20, Studentin im Masterstudiengang Mathematik mit Aussicht auf eine Promotionsstelle in Berlin, Kassiererin im Supermarkt und Ersatzmutter für ihre zehnjährige Schwester, Ida. Der Vater ist schon lange weg und genauso lang ist die Mutter Alkoholikerin. Um den Kopf frei zu bekommen, geht Tilda täglich ins Freibad, absolviert dort ihre 22 Bahnen – und trifft diesen Sommer Viktor wieder. Viktor, der auch auf ihre Schule ging, der ebenfalls ein Mathe-Genie ist. Viktor, der grosse Bruder von Ivan, der im Sommer vor fünf Jahren zu einem von Tildas besten Freunden wurde. Caroline Wahl packt schwere Themen in ihren Roman und setzt dem die Liebe der beiden Schwestern zueinander und Tildas rationale, knappe Erzählweise gegenüber. Wir begleiten die Figuren vom beginnenden Sommer an bis in den Herbst, beobachten, wie sie sich entwickeln, wie sie wachsen, sich verlieben, kämpfen und sich auf Neues einlassen. Ida und Tilda sind ein unvergessliches Gespann, mit dem ich gelacht, geflucht, geheult und gehofft habe. «22 Bahnen» ist die ausgewählte Lektüre von Bern liest ein Buch 2024. Ich kann es auch allen ausserhalb von Bern nur wärmstens ans Herz legen!

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Going Zero

    Was für ein genial geschriebener, hochspannender (Agenten-)Roman über unsere zerbröselnde Privatsphäre! Cy Baxter, Social-Media-/Tech-Mogul, ist eine Partnerschaft mit FBI, CIA und NSA eingegangen. Wenn sein Projekt, Fusion, den Betatest besteht, steht ihm eine neun Milliarden schwere dauerhafte Partnerschaft in Aussicht. Entsprechend motiviert ist er. Das sind aber auch die zehn Testpersonen, die am 1.5. um 12 Uhr abtauchen sollen. Gelingt es ihnen, sich dem Zugriff von Fusion für 30 Tage zu entziehen, winken ihnen drei Millionen US-Dollar. Neben fünf Profis wurden auch fünf Laien ausgewählt, von denen sich ausgerechnet die Bibliothekarin Kaitlyn Day als unfassbar erweist. Dass McCarten neben diverser Romane auch zahlreiche Drehbücher geschrieben hat, ist «Going Zero» anzumerken. McCarten erzählt seinen Roman abwechselnd aus den Perspektiven fast aller Beteiligter, darunter der zehn Zeros und der wichtigsten Figuren bei Fusion, allen voran Cy Baxter. Die Kapitel sind gerade im ersten Drittel kurz, sodass sich die Geschichte absolut rasant liest. Am längsten sind in dieser Anfangsphase die Motivationsreden von Cy, in denen er von der Bedeutung ihrer Arbeit bei Fusion für die nationale Sicherheit spricht. Denn die einzigen, so Baxter, die sich vor Fusion fürchten müssen, sind die bösen Jungs. Wer kann da schon dagegen sein, ein bisschen von seiner Privatsphäre aufzugeben? Seine Reden gehen im ersten Moment runter wie Öl und erst beim genaueren Lesen bekommt die scheinbar bestechende Logik Risse. «Going Zero» führt uns vor Augen, welche Möglichkeiten den grossen IT-Unternehmen jetzt schon zur Verfügung stehen, um unser Verhalten vorherzusagen und zu manipulieren. Der Roman rüttelt wach und fordert uns auf, unser Verhalten und die gängige Politik zu hinterfragen. Gleichzeitig ist die Jagd auf die Zeros ungemein unterhaltsam und wir fragen uns selbst dauernd, wie wir uns in einer solchen Verfolgung verhalten würden. Kaitlyn Day ist eine vielseitige, immer wieder überraschende Protagonistin, mit der das Publikum sich hervorragend identifizieren kann. Sie unterteilt den Roman in Phase 1 und 2. Da bald ein Zero nach dem anderen gefasst wird, überrascht McCarten immer wieder mit unvorhergesehenen Plottwists, die begeistern und einen Spionagethriller aus der ursprünglichen Geschichte werden lassen. Immer noch wechseln wir die Perspektive, jedoch wird das Figurenarsenal kleiner. Trotzdem verliert der Roman nichts an Spannung. Die ergibt sich allein aus dem Countdown, der jedem Kapitel vorangestellt wird und an dem wir sehen, wie viel Zeit Fusion noch bleibt, um alle Zeros zu fassen. Cy Baxter ging mir zum Schluss fast ein bisschen zu sehr auf in seiner Rolle als Bösewicht, aber das verzeihe ich diesem spektakulären, äusserst kritischen und überaus fesselndem Roman gerne. «Going Zero» hat mich über die Lektüre hinaus gepackt und begeistert und ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen.

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Drei Tage im Juni

    Anne Tylers 61-jährige Ich-Erzählerin, Gail, schildert eine Momentaufnahme aus ihrem Leben. Das ist absolut undramatisch und in seiner Schlichtheit einfach wunderschön. Denn in Gails alltäglichen Gedanken finden wir uns wieder, daran können wir anknüpfen. Sie ist ein eher zurückhaltender Mensch bzw. kaschiert Emotionen gern hinter einem leicht ruppig wirkenden Verhalten. Aber sie hat das Herz am rechten Fleck und wie sie von diesen drei Tagen erzählt, ist mit das Authentischste und Lebendigste, was ich je gelesen habe. Ich kann es leider nicht allzu gut beschreiben, aber Anne Tyler gelingt es virtuos, ihren Figuren Leben einzuhauchen und uns nebenbei zu zeigen, worauf es möglicherweise im Leben ankommt. Insbesondere im zwischenmenschlichen Bereich findet ihre Heldin tröstende Erkenntnisse. Und ruft trotz ihrer 61 Jahre zwischenzeitlich aus: «Ich bin zu jung für diese Situation […,] zu jung, zu unbeholfen, zu ahnungslos. Warum waren keine Erwachsenen in meiner Nähe?» Grosse Leseempfehlung! Von Michaela Grabinger ebenso virtuos ins Deutsche übersetzt.

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Leuchtfeuer

    … den ich 2024 lesen werde. Dani Shapiro schildert in «Leuchtfeuer» als allwissende Erzählerin aus wechselnden Perspektiven die Leben zweier Familien und wie diese durch bestimmte Ereignisse miteinander verbunden werden.  Ben und Mimi Wilf ziehen in den 70ern mit ihren beiden Kindern, Sarah und Theo, in die Division Street in Avalon. Gut 30 Jahre später zieht ihnen gegenüber die junge Familie Shenkman ein. Weitere 20 Jahre danach macht sich deren Sohn, Waldo, auf den Weg nach Kalifornien, um dort in Bens Nähe leben zu können.  Shapiro spannt somit einen grossen zeitlichen Bogen und springt in ihrer Erzählung nicht nur von Person zu Person, sondern auch in der Zeit. Für mich unheimlich reizvoll, weil sich so das Gesamtbild erst nach und nach entschlüsselt.  Die Erzählperspektive hält uns dabei ein wenig auf Distanz, sodass wir Schicksalsschläge nicht so unmittelbar erleben. Das verleiht ihrer Geschichte Leichtigkeit. Mit viel Empathie und sprachlichem Feingefühl schildert sie die Leben ihrer Figuren, die uns sogleich ans Herz wachsen, mit all ihren Ecken und Kanten. Wir erkennen uns in Teilen ihres Charakters oder ihrer Lebensumstände wieder und nehmen umso mehr Anteil an ihrem Werdegang. Absolut berührend ist ihre Darstellung von Bens und Mimis Zuneigung.  «Leuchtfeuer» hält, was der Titel verspricht, und verbreitet Zuversicht und Hoffnung. 

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Breath - Atem

    James Nestor lässt uns auf humorvolle und unterhaltsame Weise teilhaben an seinen umfangreichen Recherchen zur Atmung und zeigt, wie sich unsere heutige Atmung entwickelte, warum und inwiefern sie uns das Leben erschwert und welche Atemtechniken uns dabei unterstützen können, zu einer gesünderen Atmung zurückzukehren. Dafür hat er Texte diverser Kulturen gelesen oder sich deren Inhalt erklären lassen, in den verschiedenen Religionen Übereinstimmungen bei den Gebeten gefunden, die Erkenntnisse von Anthropolog*innen, Mediziner*innen verschiedener Fachrichtungen und interessierten Privatpersonen (wie Wim Hof) zusammengetragen und sich selber wenn möglich als Proband zur Verfügung gestellt. Sein Sachbuch liest sich nicht nur unterhaltsam, es ist auch klar aufgebaut und gut strukturiert. Seine Quellen sind im Anhang aufgelistet und das Buch schliesst mit einer kompakten Zusammenfassung und einem detaillierten Überblick über die verschiedenen Atemtechniken und ihre Anwendungsformen ab. Ein, meiner Meinung nach, enorm wichtiges Buch, dessen Inhalt grosses und vielfältiges Potential hat.

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Streiten

    Svenja Flasspöhler, Philosophin und Chefredakteurin des Philosophie Magazins, beleuchtet in diesem schmalen Essay-Band aus der Reihe «Leben» von Hanser eloquent das Streiten. In ihre philosophische Abhandlung webt sie persönliche Erlebnisse mit ein, veranschaulicht die Theorie darüber hinaus mit verschiedenen Beispielen und beleuchtet kritisch unsere aktuelle Debattenkultur. Mein Traum: Ich könnte Flasspöhlers differenzierte Gedanken wie ein Schwamm aufsaugen und jederzeit in Streitgespräche einbringen. Dafür muss ich das Büchlein aber vermutlich noch das ein oder andere Mal lesen. Lohnen wird sich die wiederholte Lektüre in jedem Fall! Ich bin begeistert davon, wie sie sich dem Begriff des Streitens zunächst nähert. Sie beginnt bei Wortherkunft und Wortverwandtschaften und zitiert diverse philosophische Abhandlungen zum Thema (von Aristoteles und Sokrates über Kant, Freud, Carl Schmitt bis Habermas). Sie legt dar, was es zum Streiten braucht (u.a. ungefähr gleich starke Gegner, die sich über die Regeln einig sind), was der Unterschied zum Diskurs ist (v. a. der unbedingte Wille, das Gegenüber vom eigenen Standpunkt zu überzeugen, da dieser als einzig richtig angesehen wird), warum die Demokratie Streit und somit gegensätzliche Positionen braucht und geht prägnant darauf ein, vor welchen Herausforderungen wir derzeit stehen und was es braucht, um unsere Welt vor dem Zerfall zu bewahren. Äusserst kritisch betrachtet sie dabei die derzeitige Rolle des (deutschen) öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Cancel-Culture und die sozialen Medien. Meine Zusammenfassung kann nur ein blasser Abklatsch von Flasspöhlers Text sein, daher unbedingt das Original lesen!

    • Kathrin Bögelsack
    • Buchhändler/-in

    Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.

    5/5

    Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste

    Wer auf der Suche nach Lektüre zum Lachen ist: hier ist sie. Jakob Hein schreibt allwissend und mit spürbar viel Freude am Erzählen die Geschichte von Grischa, der voller Idealismus um 1980 herum seine Stelle in der Plankommission der DDR antritt und unvermutet Bewegung in die Behörde und den Grenzbereich zur BRD bringt. Ich habe so lachen müssen über den Einfallsreichtum des Autors, über seine frechen Vergleiche und wie er (die) Geschichte auf die Spitze treibt. Mit reichlich Tempo treibt er das Buch über weite Strecken voran, sodass ich die Lektüre kaum aus der Hand legen wollte. Geschickt wechselt er gelegentlich den Schauplatz und die Perspektiven und in den so kreierten Parallelen liegt erneut jede Menge Humor. Wie viel Wahrheit im historischen Kontext steckt, vermag ich nicht zu beurteilen, von daher kann ich es gerade in erster Linie unter dem Unterhaltungsfaktor beurteilen – und der war grandios.

    • Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste
    • Jakob Hein
    • ab Fr. 5.00

Meine Rezensionen

Rezensionen

Rezensionsdatum: absteigend

Filter

Kategorie

Autor

Altersempfehlung

Sterne

Rezensionsdatum: absteigend