Die literarische Sensation aus Spanien: Eine queere Held:innenreise
In einen gefallenen Engel, einen Herointoten auf den Strassen von San Blas, verliebt sich die Erzählerin dieses Romans zum ersten Mal. Sie, die im Körper eines Jungen aufwächst, und nur hinter verschlossenen Türen kurze Momente gestohlenen Glücks mit Rouge und Lippenstift ihrer Mutter hat, zeichnet ihren Weg nach: Beginnend in einem Arbeiterviertel Madrids, das nicht weiter entfernt sein könnte von der schillernden Hauptstadt Spaniens, deren Nachtleben in den Achtzigern ein Zentrum der queeren Szene wird. Während sie aufwächst, diskutieren Familien unironisch, ob ein drogensüchtiger oder ein homosexueller Sohn das schwerere Schicksal sei, und so sind es die Aussenseiter:innen - triumphale Nymphen und wilde Chimären -, die ihr zu Wegbegleiter:innen werden. Zwischen Armut und Gewalt, politischer Klassenunterdrückung und Momenten heimlicher Solidarität wird sie langsam, quälend langsam, zu der, die sie immer schon war.
»Ich empfehle Ihnen ausdrücklich Alana Porteros Roman Die schlechte Gewohnheit zu lesen. Er zeigt, wie viel Leid und Schmerz daraus resultiert, im falschen Körper geboren worden zu sein - und wie gefährlich es sein kann.« Pedro Almodóvar
Die schlechte Gewohnheit ist eine umgekehrte Heldenreise, verfasst in gleissend schöner Sprache, in der schillernde Aussenseiter sich zu einer Gemeinschaf formen, die das Überleben möglich macht. Erzählt mit dem Klassenbewusstsein von Annie Ernaux, der literarischen Innovation von Andrea Abreu, der Lust am Grenzensprengen von Virginie Despentes und dem Sinn für Aussenseiterfiguren von Pedro Almodóvar, ist der Roman gleichermassen erschütternd wie heilsam.
Hautnahe Beschreibung eines mir unbekannten Abschnittes in der jüngeren Geschichte Spaniens aus der Perspektive eines jungen Menschen im brutalen, klassierenden, verurteilenden Umfeld unserer Gesellschaft, damals wie heute.
Sensationell
Nicole Kleber aus Eisenberg am 24.05.2024
Bewertungsnummer: 2207751
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Sie wächst als Junge in den 1980ern in San Blas, einem Arbeiterviertel Madrids, auf. Eine fürchterliche, hoffnungslose Umgebung, in der Armut und Heroin einen nicht unbeachtlichen Teil der Bevölkerung im Griff haben.
Sie spürt früh, dass sie im falschen Körper steckt, fühlt sich von den Frauen im Viertel angezogen,
die gemieden werden, als grotesk gelten.
"Sie war nie permanent Opfer von Hohn und Spott, aber sie gehörte auch nicht richtig dazu ... Man belohnte sie dafür mit Aussagen wie ‚Eins muss man ihr lassen, sie geht total diskret damit um‘ oder ‚Sie lebt ja nur ihre Leben und stört niemanden anderen‘. Ich konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Sie war mein Blick in den Abgrund, und der Abgrund trug Kittelschürze und Lippenstift."
Der Kleiderschrank und das Badezimmer sind lange die einzigen Orte, an denen sie das Frausein leben kann, sich schminkt und weiblich kleidet, nur um draußen so männlich wie möglich aufzutreten, Gestik und Gang beinahe übertrieben maskulin gestaltet.
„Meine Kindheit setzte sich aus zwei Elementen zusammen: daraus, etwas darzustellen, das ich nicht war – und das gelang mir zwar immer besser, quälte mich aber von Tag zu Tag mehr -, und aus der Sicherheit, dass die Welt, in die ich gehörte und die sich auf unerbittliche Weise immer weiter von mir entfernte, die der Frauen war.“
Die erste Liebe ist eine schwule Liebe in der es ihr aber gelingt, zumindest anklingen zu lassen wer sie wirklich ist. Ein kleiner, persönlicher Durchbruch für sie, die unfassbar viel Ausgrenzung und Gewalt erfährt und auf ihrem Weg erfahren wird ...
„Nie habe ich mich gleichzeitig so stark und zugleich so verwundbar gefühlt. Wie konnte etwas so Schönes, so Persönliches, so Außergewöhnliches, das förmlich vibrierte vor lauter Freude, dort draußen in der Welt auf so viel Bösartigkeit treffen?“
Klassismus, Freundschaft, Liebe, Zusammenhalt, Menschlichkeit, Überwindung von Geschlechterzurschreibung, Coming-of-Age – die Reise, auf die uns die Autorin als autofiktionale Ich-Erzählerin mitnimmt, ist eine heftige, wilde, zarte, brutale, verletzliche.
Es ist so tief berührend und mitreissend.
Eine einzigartige Kraft steckt in diesem Text und gleichzeitig ist es das gefühlvollste, was ich seit langem gelesen habe. „Die schlechte Gewohnheit“ ist ein Paradebeispiel für das, was Sprache kann, ist eines dieser Bücher, wie man sich jedes wünscht, das man liest!
#Monatshighlight, #Jahreshighlight – die #Leseempfehlung ist selbstredend!
„Durch solche Peitschenhiebe, solche Sätze, die sich in mein Inneres hämmerten und die ich niemals vergessen würde, fand ich heraus, wer ich war. Bevor du dich selbst definierst, zeichnen andere mit ihren Vorurteilen und ihrer Gewalt deine Konturen vor.“